Auf dem Prüfstand: Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems

(Julia Maria Eichler)

Am 13. Juli 2016 hat die Europäische Kommission den letzten Teil ihrer Vorschläge für die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems vorgelegt. Zuvor hatte sie im Mai und Juni 2016 mehrere Vorschläge veröffentlicht.

Bereits im April diesen Jahres hatte die Europäische Kommission angekündigt, nicht nur die Dublin-Verordnung überarbeiten zu wollen, sondern unter anderem auch die Asylverfahrensrichtlinie, die Anerkennungsrichtlinie, die Aufnahmerichtlinie sowie das Mandat für das Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO). Damit stehen alle wesentlichen Elemente des Gemeinsamen Europäischen Asylrechtsystems auf dem Prüfstand.

Ziel sei ein effizienteres und kohärenteres Asylsystem, das auch in Zeiten hoher Belastungen funk-tioniere. Die Kommission will die derzeit weiten Ermessensspielräume der Mitgliedstaaten etwa bezüglich der Länge von Asylverfahren und der Aufnahmebedingungen, ebenso wie bezüglich der Anerkennungsquoten und des Status von Schutzsuchenden, harmonisieren. So soll das Asylverfahren beschleunigt, Sekundärmigration wirksam verhindert und die Integrationsaussichten von Personen, mit Anspruch auf internationalen Schutz verbessert werden.

Hierfür sollen unter anderem die Asylverfahrensrichtlinie und die Anerkennungsrichtlinie in Verordnungen umgewandelt werden. Dies hätte zur Folge, dass die Regelungen keiner Umsetzung in nationale Gesetze mehr bedürften, sondern unmittelbar anwendbar wären.

Die neue Asylverfahrensverordnung soll zu einem völlig vereinheitlichten gemeinsamen EU-Verfahren zur Beurteilung der Asylanträge führen.

Präzisere und kürzere Verfahren sollen mit einheitlichen Garantien für Asylbewerber ausgestattet werden. Das Recht auf einen kostenlosen Rechtsbeistand wird gestärkt. Ein Vormund für einen unbegleiteten Minderjährigen muss innerhalb von fünf Tagen bestellt werden. Verfahrensfristen werden erheblich verkürzt. Bei Verstößen gegen Pflichten des Asylbewerbers werden strengere Sanktionen eingeführt, etwa die Prüfung des Asylantrags im beschleunigten Verfahren.

Die Listen für sichere Dritt- und Herkunftsstaaten sollen ebenfalls harmonisiert und verbindlich für alle EU-Staaten geregelt werden. Die nationalen Listen wären nach dem Kommissionsvorschlag binnen fünf Jahre abzuschaffen.

Die vorgeschlagene Anerkennungsverordnung soll eine Annäherung der Anerkennungsquoten und eines einheitlichen Schutzes bewirken. Harmonisiert werden sollen die Art des zuerkannten Schutzes und die Dauer der Aufenthaltsgenehmigung. Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz erhalten haben, soll mit der Verzögerung der Erteilung der langfristigen Aufenthaltserlaubnis sanktioniert werden. So soll bei jedem unerlaubten Verlassen des zuständigen Mitgliedstaates die fünfjährige Wartefrist, die Voraussetzung für das Recht auf langfristigen Aufenthalt ist, von Neuem anfangen zu laufen. Ein erteilter Schutzstatus soll obligatorisch überprüft werden. Die Mitgliedstaaten werden zudem verpflichtet, interne Fluchtmöglichkeiten im Heimatland des Asylbewerbers zu prüfen. Der Zugang zu bestimmten Sozialleistungen soll zukünftig von der Teilnahme an Integrationsmaßnahmen abhängig gemacht werden. Zudem können Wohnsitzauflagen vorgesehen werden, soweit dies zur Integration notwendig ist.

Die Aufnahmerichtlinie schließlich soll enger gefasst werden, damit in der gesamten EU einheitliche, menschenwürdige Aufnahmebedingungen herrschen und die Anreize für Sekundärmigration reduziert werden.

Die Mitgliedstaaten sollen die vom EASO ausgearbeiteten Normen und Indikatoren zu Aufnahmebe-dingungen anwenden und Notfallpläne ausarbeiten, um auch in Fällen hoher Belastungen ausrei-chend Aufnahmekapazitäten bereitstellen zu können.

Asylbewerbern soll bereits nach maximal sechs Monaten – nicht wie bisher neun – der Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt werden. Die Kommission scheint auch Personen mit besonderen Bedürfnissen stärker schützen zu wollen, hierfür sollen deren Bedürfnisse systematisch und zum frühest möglichen Zeitpunkt festgestellt werden. Trotz dieser positiven Aspekte sieht auch die Aufnahmerichtlinie erhebliche Restriktionen vor. Ein Anspruch auf angemessene Aufnahmebedingungen soll nur in dem zuständigen Mitgliedstaat bestehen. Auch hier ist die Erteilung von Wohnsitzauflagen vorgesehen, soweit dies z.B. zur zügigen Abwicklung des Dublin-Verfahrens notwendig ist.

Die Aufgabenfelder von EASO sollen um die Handhabung des Schwellenwerts zur Aktivierung des Korrekturmechanismus in der Dublin-Verordnung erweitert werde. Zudem soll der Status von EASO zu dem einer europäischen Agentur aufgewertet werden und damit eine EU-weit einheitlichere Beurteilung von Anträgen auf internationalen Schutz und eine engere praktische Zusammenarbeit sowie einen intensiveren Informationsaustausch der Mitgliedstaaten gewährleisten. Parallel zur Europäischen Grenz- und Küstenschutzagentur soll EASO die Befugnis erhalten, Unterstützungsteams für Asylfragen aus einer Einsatzreserve von mindestens 500 Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten und eigenen abgestellten Sachverständigen zu entsenden, um operative und technische Unterstützung zu leisten, wenn die Asyl- und Aufnahmesysteme eines Mitgliedstaats durch eine außergewöhnlich hohe Zahl dringender Asylanträge übermäßig belastet sind.

 

Den Vorschlag für ein neues Mandat von EASO finden Sie in Englisch hier: http://ekd.be/2aiDnR8

Den Vorschlag für eine Asylverfahrensverordnung finden Sie in Englisch hier: http://ekd.be/2aZQhF5

Den Vorschlag für eine überarbeitete Aufnahmerichtlinie finden Sie in Englisch hier: http://ekd.be/2aPsecu

Den Vorschlag für eine Anerkennungsverordnung finden Sie in Englisch hier: http://ekd.be/2at52S3



erweiterte Suche