Aktionsplan für die Integration

(Julia Maria Eichler / Josephine Merkel, Praktikantin)

Die europäische Kommission hat am 07. Juni 2016 einen Aktionsplan vorgestellt, mit dem die Mitgliedstaaten bei der Integration von Drittstaatsangehörigen unterstützt werden sollen.

In der Europäischen Union lebten 2015 rund 20 Millionen Drittstaatsangehörige. Zahlen der letzten Jahre belegen aber, dass diese vier Prozent der EU-Gesamtbevölkerung, wenn es um Arbeit, Bil-dung oder soziale Inklusion geht, im Durchschnitt schlechter abschneiden als Unionsbürger. Drittstaatsangehörige seien etwa einem größeren Risiko für Armut und soziale Exklusion ausgesetzt als Unionsbürger und zwar auch, wenn sie einer Arbeit nachgehen. Vor allem Kinder seinen einem be-sonders hohem Risiko ausgesetzt.

Gerade in Zeiten einer hohen Anzahl ankommender Schutzsuchender in Europa müssten vor allem auch in Mitgliedstaaten mit wenig Integrationserfahrung effektive Integrationsstrategien entwickelt werden, so die Europäische Kommission. Sonst bestehe das Risiko, dass die Kosten für die Nichtintegration höher ausfallen werden als die Kosten für Investitionen in Integrationspolitik.

Die Europäische Kommission legt ihren Überlegungen dabei zu Grunde, dass es für das Wohler-gehen, den Wohlstand und die Kohäsion der europäischen Gesellschaft, entscheidend sei, dass all diejenigen, die sich rechtmäßig in der EU aufhalten, unabhängig von der Dauer des Aufenthalts, die Möglichkeit zur Teilhabe geboten werde.

Dabei dürften Maßnahmen zur Förderung der Integration von Drittstaatsangehörigen nicht auf Kosten von Unterstützungsmaßnahmen für andere gefährdete oder benachteiligte Gruppen oder Minderheiten erfolgen. Sie sollten vielmehr als Ergänzung gesehen werden.

Während die Zuständigkeit für die Integration in erster Linie bei den Mitgliedstaaten liegt, kann die EU Maßnahmen, Anreize und Unterstützung für die Mitgliedstaaten schaffen, um die Integration von Drittstaatsangehörigen zu fördern. Derzeit sähen sich viele Länder ähnlichen Herausforderungen ausgesetzt, so dass die EU sinnvoll strukturell und finanziell helfen könne.

Dabei müsse berücksichtigt werden, dass sich die jeweiligen Integrationsbedürfnisse gravierend von der jeweiligen Situation des Drittstaatsangehörigen, etwa dem Aufenthaltsgrund und der Dauer, unterscheiden. Insbesondere Flüchtlinge hätten besondere Bedürfnisse, sei es durch ihre besondere Vulnerabilität aufgrund von Traumata, fehlende Qualifikationsnachweise oder kulturelle und sprachliche Hindernisse.

Eine erfolgreiche Integration sei über die Einbindung in den Arbeitsmarkt und das Erlernen der Sprache hinaus auf Teilhabe und Selbstermächtigung gerichtet und stelle einen gegenseitigen Prozess dar: Einerseits werde von Drittstaatsangehörigen erwartet, dass sie die europäischen Werte annehmen und die Sprache erlernen würden. Andererseits müsse ihnen auch die ernsthafte Möglichkeit zur Teilhabe in der Wirtschaft und an der Gesellschaft geboten werden. Hierfür sei auch die Förderung des interkulturellen Dialogs inklusive des interreligiösen Dialogs zwischen Glaubensgemeinschaften essentiell. Die staatlichen Akteure auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene müssten hierfür mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, Arbeitgebern, Migranten und Bürgern zusammen arbeiten.

Der Aktionsplan umfasst Maßnahmen im Vorfeld der Ausreise und Ankunft, Maßnahmen im Bereich Bildung, Beschäftigung und Berufsausbildung, Zugang zu Grundversorgung, zur aktiven Teilhabe und sozialen Eingliederung.

Für die erfolgreiche Integration sei es essentiell, zum frühestmöglichen Zeitpunkt bereits Unterstützung anzubieten – möglichst noch vor der Abreise bzw. vor der Ankunft im Aufnahmeland. Maßnahmen können erste Sprachkurse oder arbeitsbezogene Schulungen sein. Die gemeinsame Ausgestaltung dieser Kurse durch Herkunfts- und Aufnahmeland habe sich dabei bisher als besonderes integrationsfördernd herausgestellt. Für Flüchtlinge, die neuangesiedelt werden sollen, sollten zusätzlich Informationen über das Aufnahmeland zur Verfügung gestellt werden, damit diese realistische Erwartungen über das Leben in dem jeweiligen Land aufbauen, über bestehende Rechte und Pflichten infomiert werden ebenso wie erste Sprachkenntnisse erhalten. Dabei sollte neueste Technologie, Social Media und das Internet genutzt werden.

Auf der anderen Seite bedürfe es Maßnahmen, um die Aufnahmegesellschaft auf die ankommenden Drittstaaten vorzubereiten. Vor allem bei ankommenden Flüchtlingen gehe es auch darum, in der aufnehmenden Gemeinschaft Verständnis auf- und Vorurteile abzubauen. Zur aktiven Einbindung in die aufnehmende Gemeinschaft kämen insbesondere Private Sponsorship-Programme in Betracht.

Auch der Zugang zu Bildung und Schulungen sollte so früh wie möglich gewährt werden, bilde er doch den Grundstein für Arbeit und soziale Inklusion. Dies gelte insbesondere für Sprachkurse. Vor allem für minderjährige Flüchtlinge sollten besondere Vorkehrungen getroffen werden, etwa weil diese zeitweise oder gar keine Schule besuchen konnten. Zu denken wäre hier an Nachholkurse. Insbesondere der Zugang zu Kinderbetreuung sei ausschlaggebend, wenn es um die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung gehe. Für die Qualifikation von gering qualifizierten und gering ausgebildeten Personen wird die Kommission innerhalb ihrer Europäischen Agenda für neue Kompetenzen Maßnahmen vorschlagen (siehe auch nachfolgender Artikel). Daneben sollen u.a. durch das Förderprogramm Erasmus+ Online-Sprachkurse gefördert werden.

Eine Arbeitsstelle sei der Schlüsselfaktor, um Teil der aufnehmenden Gesellschaft zu werden. Bisher bleibe aber die Arbeitsquote von Drittstaatsangehörigen hinter der von Unionsbürgern zurück. Zudem seien viele Drittstaatsangehörige für den von ihnen ausgeübten Beruf überqualifiziert oder arbeiteten unter schlechteren Bedingungen als Unionsbürger in vergleichbaren Berufen. Besonders die Vereinfachung der Validierung und Anerkennung von Qualifikation sei entscheidend, um zu gewährleisten, dass jeder seine Fähigkeiten voll ausnutzen könne. Auch hier soll die Agenda für neue Kompetenzen genutzt werden, z.B. um ein „Skills and Qualifications Toolkit" zu entwickeln, um die frühzeitige Identifikation von Fähigkeiten und Qualifikationen für neu angekommene Drittstaatsangehörige abzusichern. Darüber hinaus soll die Transparenz und das Verständnis von Qualifikationen, welche in Drittländern erworben wurden, durch die Überarbeitung des Europäischen Qualifikationsrahmens verbessert werden.

Um ein neues Leben in der Gesellschaft des Aufnahmelandes zu beginnen, seien angemessene und bezahlbare Unterbringung und Gesundheitsleistungen von großer Bedeutung. Die Mitgliedstaa-ten sollen beispielsweise bei der Bewältigung der gegenwärtigen Unterbringungsprobleme aufgrund der Flüchtlingskrise unterstützt werden. Die Kommission will aber auch Mittel für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellen.

Das Europäische Netzwerk für Integration und Partnerschaft in der Urban Agenda (siehe nachfolgender Artikel) könne einen Rahmen für Städte, Mitgliedstaaten und Interessengruppen bilden, um Erfahrung und positive Beispiele auszutauschen. Die Zusammenarbeit mit der Europäischen Investitionsbank für die Finanzierung von vorübergehender Unterbringung und Gesundheitseinrichtungen für neu ankommende Drittstaatsangehörige und für den sozialen Wohnungsbau solle zudem gestärkt werden.

Zuletzt soll auch die uneingeschränkte Teilhabe von Drittstaatsangehörigen am gemeinschaftlichen und gesellschaftlichen Leben gefördert werden. Hierfür sei etwa die Bekämpfung von Diskriminierung von entscheidender Bedeutung. Konkrete Maßnahmenbeispiele sind Projekte zur Förderung des interkulturellen Dialogs, der europäischen Werte und der sozialen Eingliederung, desweiteren die Förderung der Teilnahme von Migranten am kulturellem Leben und Sport und die Entwicklung von Handbüchern und Instrumenten für Berufstätige in den entsprechenden Bereichen zur Entwicklung des kulturellen Bewusstseins.

Zur besseren Koordinierung der verschiedenen Ebenen soll das gegenwärtige Netzwerk von Nationalen Integrationskontaktstellen in ein Europäisches Integrationsnetzwerk umgewandelt werden, mit einer stärkeren Koordinierungsrolle und einem Mandat zur Förderung des gegenseitigen Lernens zwischen den Mitgliedstaaten.

Daneben stellt die EU mit diversen Fonds auch finanzielle Unterstützung für Maßnahmen der In-tegration seitens der Mitgliedstaaten zur Verfügung.

 

Den Aktionsplan finden Sie in Englisch hier: http://ekd.be/2aFSkiy



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