BESCHLOSSEN: Frontex wird zum europäischen Grenz- und Küstenschutz ausgebaut

(Julia Maria Eichler)

Am 06. Juli 2016 haben die Abgeordneten des Europäischen Parlaments der Einrichtung eines Europäischen Grenz- und Küstenschutzes zugestimmt (EKD-Europa-Informationen Nr. 151).

Im Schnellverfahren hatten sich zuvor das Europäische Parlament, der Ministerrat und die Kommis-sion innerhalb eines halben Jahres geeinigt. Nun bedarf es noch der offiziellen Zustimmung von Seiten des Ministerrates.

Innerhalb der kommenden drei bis vier Monate soll Frontex zu einer Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenschutz ausgebaut werden und gemeinsam mit den nationalen Grenz- und Küstenschutz-Behörden ein integriertes Grenzmanagementsystem bilden. Die neue Agentur soll noch dieses Jahr ihre Arbeit aufnehmen. Die nationalen Behörden werden demnach weiterhin für die alltägliche Verwaltung der Grenzen zuständig sein, können aber durch die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache unterstützt werden.

Nachdem im Jahr 2015 von Frontex 1,83 Millionen illegale Grenzübertritte an den EU-Außengrenzen festgestellt worden waren, hatte die Kommission im Dezember 2015 den Vorschlag für einen Europäischen Grenz und Küstenschutz vorgelegt, der u.a. vorsah, dass die europäischen Grenzschützer von Frontex in einem Mitgliedstaat ohne dessen Zustimmung tätig werden könnten.

Dieses neue „Recht, tätig zu werden", das die Souveränität der Mitgliedstaaten beim Grenzschutz einschränkte, war während der Verhandlungen lange umstritten und konnte sich in der vorge-schlagenen Form nicht durchsetzen.

Vielmehr sieht der jetzt gefundene Kompromiss vor, dass Soforteinsatzteams für Grenzsicherungs-zwecke vorübergehend in einen EU-Mitgliedstaat entsendet werden können, wenn dessen Außen-grenzen unter Druck geraten. Hierfür bedarf es aber entweder einer Anfrage des betroffenen Mit-gliedstaates oder eines Beschlusses des Rates. Den Einsatzplan für die Soforteinsatzteams müsste der betroffene Mitgliedstaat in jedem Fall billigen. Kommt der Mitgliedstaat dem Beschluss des Rates nicht nach, können andere Mitgliedstaaten beschließen, an ihren Binnengrenzen bis zu 24 Monaten Grenzkontrollen durchzuführen. Dieses Verfahren ist an die bereits jetzt im Schengener Grenzkodex enthaltene Möglichkeit für zeitlich begrenzte Grenzkontrollen angelehnt, wenn das Funktionieren des Schengen-Raums ohne Kontrol-len an den Binnengrenzen insgesamt gefährdet ist (EKD-Europa-Informationen Nr. 151).

Auch an anderer Stelle konnten sich die Vorschläge der Europäischen Kommission nicht durchsetzen. So wird es keine Rückführungen mit Hilfe von Frontex aus Drittstaaten wie etwa Serbien oder der Türkei in weitere Drittstaaten geben. Gebilligt wurde der Vorschlag, dass Frontex zukünftig einen Beschwerdemechanismus einrichten muss, bei dem sich Menschen, die sich von Grenzschützern während Frontex-Einsätzen in ihren Grundrechten verletzt fühlen, beschweren können. Zusätzlich soll die Agentur eine Reserve von Beobachtern und Be-gleitpersonal für Rückführungen sowie von Rückführungsexperten bilden. Zudem wird die Agentur dem Europäischen Parlament und dem Rat gegenüber rechenschaftspflichtig sein. Dem Europäischen Parlament soll regelmäßig Bericht erstattet werden und es soll Zugang zu Informationen er-halten.

Das Brüsseler EKD-Büro hatte sich gemeinsam mit anderen christlichen Organisationen, darunter die Kommission der Kirchen für Migranten in Europa (CCME), Caritas Europa und dem Jesuiten Flüchtlingsdienst, während der Verhandlungen dafür ausgesprochen, dass in die neue Verordnung ein klares und starkes Mandat zur Seenotrettung aufgenommen wird. Dies sei schon in Anbetracht der vielen Toten im Mittelmeer in den letzten Jahren geboten. Ebenso sei es bei dem gemeinsamen Tätigwerden von verschiedenen nationalen und europäischen Behörden notwendig, dass die Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten gerade in Bereichen, in denen es zu Menschenrechtsverletzungen kommen könne, klar benannt und abgegrenzt werden.

Dass ein Beschwerdemechanismus eingerichtet werden wird und die Rolle des Parlaments gestärkt wurde, sind wichtige Schritte in die richtige Richtung. Doch obwohl zukünftig auch Auslanseinsätze zum Frontex-Mandat gehören werden, gehört die Seenotrettung weiterhin nicht zu den Kernaufgaben von Frontex. Während die Kompetenzen der neuen Agentur wachsen, wird der Schutz der Menschenrechte in der neuen Verordnung nicht hinreichend berücksichtigt.

 

Die Stellungnahme verschiedener christlicher Organisationen finden Sie in Englisch hier: http://ekd.be/2aKo9bd



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