Sieg für die Europaskeptiker - das Ukraine-Referendum in den Niederlanden

(Isabel Reißmann, Freie Journalistin)

Die Niederländer haben am 6. April 2016 in einem konsultierenden Referendum über das Assoziierungsabkommen der Europäischen Union mit der Ukraine abgestimmt. Über 61% der Wähler haben mit „Nein" votiert. Ein Ergebnis, das den Europaskeptikern Aufwind bescherte und die übrigen EU-Staaten und die EU-Institutionen bestürzt zurückließ. Europakritiker wie der ehemalige britische UKIP-Chef Farage rieben sich nach dem Referendum die Hände und deuteten das Nein als deutliche Absage der Niederländer an die europäische Elite. Im Hinblick auf das Referendum im eigenen Land Ende Juni über den Verbleib der Briten in der EU (EKD-Europa-Informationen 151) wurde in Großbritannien bereits „Hoorey" gejubelt. Schon im Vorfeld der Abstimmung hatte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seine Besorgnis ausgedrückt und ein mögliches „Nein" der Niederländer als weiteren Tiefschlag gegen die europäische Staatengemeinschaft bezeichnet, der die Tür zu einer Krise auf dem Kontinent aufstoßen könnte.

Doch für oder gegen was haben die niederländischen Wähler, die sich gerade einmal zu 32% an der Abstimmung beteiligt haben, eigentlich votiert? Die Initiatoren des Referendums, die euroskeptischen Vereinigungen „GeenPeil" und „Geenstijl" machten von Beginn an deutlich, dass es ihnen nicht etwa um das EU-Ukraine-Abkommen, sondern darum ging, der EU „einen Denkzettel" zu verpassen. Die Europaskeptiker feierten daher das „Nee" der Niederländer als „Anfang vom Ende der EU" und skandierten damit die Worte des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders, der das Votum der Niederländer als „gegen die Eliten in Brüssel und Den Haag" gerichtet sah. Dass es

überhaupt ein Referendum geben konnte, verdanken die Niederländer einem 2015 in Kraft getretenen Gesetz, das die Möglichkeit von beratenden Referenden im Anschluss an Gesetzesinitiativen der Regierung vorsieht. Im vorliegenden Fall war dieses Gesetz das juristische Instrument für eine Ratifizierung des EU-Ukraine-Abkommens. Das Abkommen war bereits von allen EU-Mitgliedsstaaten unterzeichnet und einzig von den Niederländern noch nicht ratifiziert worden. Vielen Niederländern waren der Inhalt und die juristischen Details über die Verhandlungslage ebenso wenig bekannt wie die Tatsache, dass es sich dabei nicht um ein Referendum über den Beitritt der Ukraine zur EU handelt.

Daraus, aber auch aus der mangelhaften Informationslage über das was im Referendum eigentlich zur Debatte stand, haben die Euro-Skeptiker kräftig Gewinn schlagen können, so lautete der Vorwurf, dem sich die niederländischen Regierungsparteien und Ministerpräsident Rutte im Nachgang des Volksentscheids aussetzen mussten. Die Protestwahl der Niederländer sei, so hieß es, außerdem dem Versuch zuzuschreiben, die Wählerschaft zu bevormunden und zu einem „Ja" gedrängt zu ha-ben, ohne dabei die Hintergründe für das Referendum ausreichend erläutert zu haben. Europa den Menschen besser zu erklären und stärker auf die Bürger zuzugehen sowie Bürgernähe und Beteili-gung zuzulassen, das forderte im Anschluss an das Referendum auch der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im Europaparlament, Manfred Weber.

Natürlich muss man in diesem Zusammenhang auch die Forderung nach stärkeren Beteiligungsmöglichkeiten in Form von direkter Demokratie in Europa ernstnehmen. Doch dass die Opponenten des EU-Ukraine-Abkommens das Referendum als „Sieg europäischer Demokratie" feierten, kann wohl nur als Hohn angesehen werden. Denn die Mittel der Demokratie stoßen doch spätestens dann an ihre Grenzen, wenn sie im Namen derselben zweckentfremdet werden. Es ist auch zu fragen, ob europäische Referenden über spezielle Fragen zur Gestaltung von EU-Verträgen in Zukunft tatsächlich als geeignetes Mittel einer sich konstituierenden europäischen Demokratie angesehen werden können. Nach dem Ausgang des niederländischen Referendums ist das zu bezweifeln. Denn immerhin haben nur etwa 0,6 Prozent der europäischen Bevölkerung gegen eines der wichtigsten und symbolträchtigsten EU-Abkommen gestimmt, das zuvor bereits 27 der 28 Mitgliedsstaaten ratifiziert hatten.

Die juristischen Folgen des Ausgangs des niederländischen Referendums sind dennoch begrenzt, denn große Teile des Assoziierungsabkommens werden von der EU bereits vorläufig angewendet und diese Vorläufigkeit ist im Prinzip unbegrenzt ausdehnbar. Allerdings befindet sich die nieder-ländische Regierung nun in einer desolaten Lage: Ignorieren kann sie den Ausgangs des Referendums kaum, inbesondere im Hinblick auf die für März 2017 vorgesehenen Parlamentswahlen; doch andererseits wollte sie auch als Inhaberin der EU-Ratspräsidentschaft (bis Ende Juni) keine schlechte Figur machen und gerade im Laufe ihrer Amtszeit eines der wichtigsten EU-Abkommen blockieren. Denkbar wäre, so heißt es in EU-Kreisen, dass man den Niederländern in Zukunft mit einer speziellen Zusatzformulierung im Abkommen entgegenkommt.



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