Durchbruch: Die EU hat ein gemeinsames Resettlement-Programm

(Maike Bannick / Katrin Hatzinger)

Am 29. März 2012 hat die EU nach längerem Tauziehen zwischen Europäischem Parlament, Rat und Europäischer Kommission tatsächlich ein gemeinsames Resettlement-Programm beschlossen. Damit ist sie u.a. einer Forderung der EKD-Synode nachgekommen (Synodenbeschluss vom 9. November 2011). Unter "Resettlement" (Neuansiedlung) versteht man die dauerhafte Ansiedlung von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen in aufnahmebereiten Drittstaaten. Dabei kommt Resettlement als dritte sog. dauerhafte Lösung zum Flüchtlingsschutz erst dann in Betracht, wenn weder die Integration im Erstzufluchtsstaat noch die Rückkehr in das Herkunftsland möglich sind.

Die Teilnahme an dem nun geltenden europäischen Neuansiedlungsprogramm ist freiwillig. Durch eine optimierte Koordination und finanzielle Anreize sollen möglichst viele EU-Staaten dazu ermutigt werden, ihren Anteil an Resettlement-Plätzen auszubauen: Vor allem die EU-Staaten, die sich erstmalig an der Neuansiedlung beteiligen, sollen von der Förderung profitieren. Vorgeschlagen sind 6.000 Euro je angesiedelter Person im ersten Jahr, 5.000 Euro im zweiten Jahr und 4.000 Euro ab dem dritten Jahr. Das Geld dafür stammt aus dem europäischen Flüchtlingsfonds. Momentan liegt die finanzielle Unterstützung für eine Neuansiedlung bei 4.000 Euro pro Person. Auch gestattet es das Programm den EU-Staaten, im Rahmen vorab vereinbarter Prioritäten jährlich bestimmte Bevölkerungsgruppen für die Neuansiedlung auszuwählen. Für 2013 sind dies: irakische Flüchtlinge in der Türkei, Syrien, Libanon und Jordanien; afghanische Flüchtlinge in der Türkei, Pakistan und im Iran; kongolesische Flüchtlinge in Burundi, Malawi, Ruanda und Sambia sowie somalische Flüchtlinge in Äthiopien. Für die neue finanzielle Vorausschau 2014 bis 2020 schlägt die Kommission vor, ein flexibleres System zu entwickeln, welches noch attraktiver für die Mitgliedstaaten ist, den strategischen Nutzen der Neuansiedlung ausweitet und die Mitgliedstaaten dabei unterstützt, weitere nationale Programme zu entwickeln.

Die Einführung des europäischen Programms hatte sich aufgrund von Kompetenzstreitigkeiten zwischen Europäischem Parlament und Rat lange verzögert. Der Vorschlag der Kommission datiert bereits aus dem Jahr 2009 (siehe EKD-Europa-Informationen Nr. 130). Aufgrund seiner Unverbindlichkeit kommt dem europäischen Programm eher eine symbolische Bedeutung zu, allerdings darf auch seine strategische Wirkung, Mitgliedstaaten aufgrund des finanziellen Anreizes für Resettlement zu interessieren, nicht unterschätzt werden. Bislang gibt es unter den europäischen Staaten, die Neuansiedlungen durchführen, keine einheitliche Strategie. Eine engere Zusammenarbeit und Koordination auf EU-Ebene auf Basis einheitlich formulierter Resettlement-Kriterien könnte die Effektivität des Verfahrens verstärken und die Kosten für jedes einzelne Verfahren senken. Gleichzeitig könnten dann Erfahrungen weitergegeben werden, sodass auch die Länder, die neu zum Resettlement-Programm hinzustoßen, zielgerichteter mit der Aufnahme beginnen können.

Von den jährlich ca. 100.000 Flüchtlingen mit Resettlement-Bedarf werden weltweit etwa 80.000 Flüchtlinge in 22 Resettlement-Staaten neuangesiedelt, davon der Großteil in den USA, Kanada und in Australien. Die Europäische Union stellt nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) etwa acht Prozent der weltweit verfügbaren Resettlement-Plätze. Dreizehn Mitgliedsstaaten verfügen bisher über ein Resettlement-Programm: Schweden, Dänemark, Finnland, die Niederlande, Großbritannien, Irland, Portugal, Frankreich, Rumänien, Tschechien, Spanien, Ungarn und Bulgarien. Die meisten Neuansiedlungsplätze stellen dabei die skandinavischen Länder zur Verfügung. Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder in Ad-hoc-Aktionen Flüchtlinge aus verschiedenen Gebieten aufgenommen, wenn eine besondere Krisensituation bestand. Bisher verfügte Deutschland jedoch über kein festes Programm. Die Innenministerkonferenz hat jedoch im Dezember 2011 beschlossen, je 300 Flüchtlinge in den kommenden drei Jahren in Deutschland im Wege eines Neuansiedlungsprogramms in Deutschland aufzunehmen.

Für 2012 geht der UNHCR davon aus, dass bei Beachtung der Auswahlkriterien gut 170.000 Resettlement-Plätze weltweit benötigt werden. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen in den nächsten drei bis fünf Jahren wird von einem Bedarf an etwa 800.000 Resettlement-Plätzen ausgegangen. Die Kommission der Kirchen für Migranten in Europa (CCME) fordert in einem Aufruf vom 30. März 2012 die Aufnahme von 20.000 Flüchtlingen bis 2020 in die EU. Dies sei ein realistisches Ziel, wenn sich alle Mitgliedstaaten mit ihrem Mitteln an dem Programm beteiligten. Für Deutschland werden beispielweise als Minimum 2500 und als Maximum 5.000 Flüchtlinge aufgeführt.

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