Einigung über überarbeitete FRONTEX-Verordnung

(Julia Maria Eichler / Katrin Hatzinger)

Nach schwierigen Verhandlungen haben sich unter ungarischer Ratspräsidentschaft das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und der Rat am 22. Juni 2011 auf eine Überarbeitung der FRONTEX Verordnung geeinigt, die der Grenzschutzagentur weitere Befugnisse einräumt. Der Vorschlag zur Überarbeitung datiert bereits vom 24. Februar 2010 (EKD-Europa-Informationen Nr.133).

Ziel der neuen Verordnung ist die effektivere Bekämpfung von illegaler Migration und Menschenhandel, während gleichzeitig die Menschenrechte besser geschützt werden sollen.

Der Kompromiss zwischen den Institutionen sieht die Möglichkeit vor, dass FRONTEX eigene Ausrüstung kaufen, leasen oder gemeinsam mit Mitgliedsstaaten anschaffen kann. Damit soll sichergestellt werden, dass geeignete Ressourcen für zukünftige Einsätze zur Verfügung stehen. Daneben sollen nationale Grenzschutzbeamte im Wege von Jahresplänen an die Agentur abgeordnet werden und der Agentur durch die Staaten mehr Ausrüstung zur Verfügung gestellt werden, so dass die Agentur künftig verlässlicher planen kann. Die gesamte zur Verfügung gestellte Ausrüstung wird zudem in einen Pool registriert werden.

FRONTEX wird desweiteren eine führende Rolle bei der Leitung von gemeinsamen Operationen und Pilotprojekten erhalten. Die einheitlichen Bezeichnung „Europäische Grenzschutzteams“ für Teams, die an FRONTEX Einsätzen beteiligt sind, wird eingeführt. Daneben wird es detailliertere Regelungen über Einsatzpläne (Aufgaben und Zuständigkeiten, die Zusammensetzung der Teams, Kommando und Kontrolle, Berichtspflichten etc.) geben. Außerdem wird die Agentur verstärkt die Aufgabe der Risikoanalyse übernehmen.

Bei den von der Agentur koordinierten Rückführungsaktionen soll die Einhaltung von Menschenrechten im gesamten Rückführungsprozess überwacht und ein entsprechender Verhaltenskodex aufgelegt werden, wobei explizit auf Art. 8 VI der Rückführungsrichtlinie verwiesen wird, der ein wirksames System zur Überwachung von Abschiebungen vorsieht. Ein solches Monitoring sollte nach objektiven und transparenten Kriterien erfolgen.

Zur Gewährleistung der Einhaltung der Menschenrechte müssen zukünftig alle an einem Einsatz teilnehmenden Grenzschutzbeamten „Schulungen“ im Bereich der Grundrechte absolvieren, die auch die Bereiche „Internationaler Schutz“ und „Zugang zum Asylverfahren“ umfassen sollen. Insbesondere soll ein neuer Verhaltenskodex die Einhaltung der Grundrechte gegenüber Schutzsuchenden und Einwanderern gewährleisten. Eine Grundrechtestrategie soll erarbeitet werden. Zudem werden bei der Agentur ein Menschenrechtsbeauftragter und ein in Menschenrechtsfragen beratendes Gremium (Consultative Forum on Human Rights) installiert. Das Asylunterstützungsbüro, die Grundrechteagentur, UNHCR und Nichtregierungsorganisationen sollen in dem Beratungsgremium mitarbeiten, das hinsichtlich der Umsetzung der Grundrechtestrategie, des Verhaltenskodex und bei der Erstellung gemeinsamer Ausbildungsstandards eingebunden werden soll.

Das Parlament hatte gefordert, dass durch einen unabhängigen Grundrechtsbeauftragten ein Monitoring der FRONTEX-Aktivitäten gewährleistet sein müsse. Einigen konnte man sich jedoch nur auf einen Grundrechtsbeauftragten, der gleichzeitig Mitarbeiter der Agentur ist. Werden bei einem Einsatz Verstöße gegen Menschenrechte festgestellt, ist FRONTEX zukünftig verpflichtet diesen Einsatz abzubrechen oder auszusetzen. Das Europäische Parlament wird schließlich regelmäßig durch FRONTEX über die Einhaltung von Grundrechten, Vereinbarungen mit Drittstaat und die Beteiligung von Mitgliedsstaaten unterrichtet.

Neu sind auch die Befugnisse zur Weitergabe von Daten an Europol und andere EU-Strafverfolgungsbehörden. Die Agentur wird in Zukunft schließlich auch eigenständig über die Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Bereich der Grenzverwaltung (Projekte zur technischen Unterstützung, Bereitstellung von Verbindungsbeamten in Drittstaaten) entscheiden dürfen.

Die Chance mit der Überarbeitung mehr Transparenz in die vielfältigen Aktivitäten der Agentur zu bringen und die Verantwortlichkeiten zwischen der Agentur und den Mitgliedstaaten klarer zu fassen als bisher ist mit dem neuen Text nicht hinreichend genutzt worden. Nichtsdestotrotz ist es begrüßenswert, dass der Grundrechtsschutz nun zumindest auf dem Papier fester Bestandteil der FRONTEX Verordnung geworden ist.

Wie bei der Europäischen Grundrechteagentur oder des ebenso wie FRONTEX mit zahlreichen Aufgaben überfrachteten neuen Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (Kurze Meldungen), setzt sich mit dem Consultative Forum on Human Rights der Trend zur Errichtung sog. Beratungsgremien fort. Das ist grundsätzlich begrüßenswert. Es bleibt aber abzuwarten, ob es sich bei den zahlreichen Gremien nur um Feigenblätter oder um wichtige und v.a. wirkungsvolle Impulsgeber in Menschenrechtsfragen handeln wird. Das hängt maßgeblich davon ab, inwieweit die Mitgliedstaaten bereit sind, sich von außen Vorgaben machen zu lassen. Kritisch zu bewerten ist in jedem Fall, dass der Menschenrechtsbeauftragte nicht unabhängig von der Agentur agieren kann.

Hinsichtlich des Monitoring von FRONTEX-Abschiebungen verweist die Verordnung klar auf die Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie, die den Mitgliedstaaten aufgibt, effektive Systeme der Abschiebebeobachtung einzurichten. Letztlich liegt es auch hier wieder in ihrer Hand, ob sie Interesse an einem transparenten und damit menschenwürdigen Verfahren haben. Angesichts der vielfältigen und teilweise intransparenten Systeme, die aktuell bestehen, darf das aber bezweifelt werden.

Somit ändert sich durch die neue Verordnung zunächst für den Menschenrechtsschutz an Europas Außengrenzen erst einmal wenig und das ist angesichts der tausenden von Toten viel zu wenig.

Es ist davon auszugehen, dass das Europäische Parlament in seiner Sitzung vom 12.-15. September der neuen Verordnung zustimmen wird.

Weitere Informationen zum Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens finden Sie hier:
http://www.europarl.europa.eu/oeil/FindByProcnum.do?lang=en&procnum=COD/2010/0039



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