EU beschließt nukleare Stresstests

(Patrick Roger Schnabel)

Am 1. Juni 2011 haben sich die Europäische Kommission und die Europäische Gruppe der Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit (ENSREG) auf EU-weite Kriterien für „Stresstests“ geeinigt, denen alle Atomkraftwerke in der Union unterzogen werden sollen. Auch Nachbarländer, insbesondere die Schweiz, Russland, die Ukraine und Armenien haben signalisiert, dass sie sich an einer Überprüfung der Sicherheitsstandards beteiligen wollen.

Der Stresstest erfolgt dreistufig: Zunächst eine Vorbewertung durch die Kraftwerksbetreiber, die diese mit Belegen versehen müssen. Dann ein Länderbericht, in dem die nationalen Aufsichtsbehörden die Auskünfte bewerten. Und schließlich ein peer-review durch eine Kommission aus EU-Kommission und Experten anderer Mitgliedstaaten, die die Berichte evaluieren und auch Ortstermine zur Überprüfung anberaumen können.

Die Prüfkriterien umfassen sowohl „natürliche“ Gefährdungen wie Erdbeben, Fluten, Regenfälle, Stürme, extreme Temperaturen als auch von Menschen verursachte Störungen wie Flugzeugabstürze und anderen Kollisionen und Explosionen. Dabei sind bewusste Angriffe, etwa durch Terrorakte, eingeschlossen. Bei den Prüfungen ist insbesondere auch die Notstromversorgung im Blick.

Die EU bestimmt nicht, welche Sicherheitsstandards für welches Kraftwerk verbindlich sind – das bleibt weiterhin in der Kompetenz der nationalen Behörden. Damit soll unterschiedlichen geographischen und Gefährdungslagen Rechnung getragen werden. Auch hat die EU keine Instrumente, die Umsetzung von Nachbesserungsmaßnahmen anzuordnen oder durchzusetzen. Hier setzt man allein auf das Instrument der Transparenz: die Veröffentlichung der Ergebnisse soll genug politischen Druck ausüben, dass die für notwendig erachteten Maßnahmen durchgeführt werden.

Erklärtes Ziel der Stresstests ist es, „gänzlich auszuschließen, dass eine ähnliche Katastrophe (wie in Fukushima) in der EU passieren kann“. Das technische und ethische Problem ist jedoch, dass ein Unfall gerade nicht „gänzlich“ ausgeschlossen werden kann. Beträgt die Wahrscheinlichkeit nicht Null, beträgt sie 100 % – es ist nur die Frage, ob der Unfall jedes tausendste oder jedes millionste Mal eintritt und wann dieses statistische Ereignis faktisch passiert. Die EU wäre gut beraten, ihre positive Grundhaltung gegenüber der Kernenergie grundsätzlich zu überdenken.



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