Anhörung zur Ausgestaltung des Dialogs zwischen EU und Kirchen

(Patrick Roger Schnabel)

Am 30. Mai 2011 hat im Europäischen Parlament eine Anhörung zur zukünftigen Ausgestaltung des „offenen, regelmäßigen und transparenten Dialogs“ zwischen Europäischer Union und den Kirchen stattgefunden. Der Austausch, der auf Einladung des Parlamentspräsidenten Jerzy Buzek zustande kam, schloss sich an das diesjährige Religious Leaders Meeting (s. voranstehender Artikel) an. Eineinhalb Jahre nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags, dessen Art. 17 III AEUV erstmals eine solche Dialogvorschrift enthält, sollten die Vertreter der Religionsgemeinschaften über ihre Erfahrungen berichten und Vorschläge zur weiteren Implementierung machen. Für die EKD nahm der Ratsvorsitzende, Präses Nikolaus Schneider, an dem Treffen teil.

Präses Schneider würdigte zunächst den Dialog, der schon knappe zwanzig Jahre informell geführt wurde, bevor er 2009 zur Vertragsnorm wurde. Dabei erinnerte er auch an die Barmer Theologische Erklärung als eine der Grundlagen, auf der evangelische Kirchen in Europa in den Austausch mit weltlichen Gewalten treten: In gegenseitiger Unabhängigkeit und Achtung, sowie im Bewusstsein ihres jeweiligen Auftrags müssten beide zusammen für das Wohl der Menschen arbeiten.

Der Ratsvorsitzende hob zwei Punkte hervor, die für die Ausgestaltung des Dialogs aus Sicht der EKD besonders bedeutsam sind:

Erstens sollen keine zu engen Strukturen geschaffen werden, die die Flexibilität und den Zugang zu den Institutionen auf verschiedenen Ebenen („many-entry-points-approach“) konterkarieren könnten. Zweitens sollte die Aufnahme in das EU-Vertragswerk zum Anlass genommen werden, die Qualität des Dialogs zu verbessern, insbesondere die Vor- und Nachbereitung von Dialogveranstaltungen und die Streuung der Ergebnisse in die Institutionen hinein.

Beide Punkte sind allen europäischen Kirchen ein Anliegen und werden auch in einem gemeinsamen Positionspapier der Kommission Kirche und Gesellschaft der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) und der Kommission der Bischofskonferenzen in der Europäischen Union (COMECE) benannt. Entsprechend wurden sie auch von anderen Kirchenvertretern hervorgehoben.

Unter dem many-entry-points-approach verstehen die Kirchen den Zugang zu allen relevanten Stellen innerhalb der Europäischen Institutionen: Auch, wenn feste Zuständigkeiten für den Dialog etabliert werden, darf das nicht zu einer Engführung der Kontaktmöglichkeiten führen. Die Kirchen treten grundsätzlich mit den Ansprechpartnern in direkten Kontakt, die für ihre Anliegen zuständig sind. Beamte, die darüber hinaus die Funktion eines „facilitator“ haben, d.h. helfen, noch nicht bestehende Kontakte herzustellen, sind aber durchaus denkbar. Das könnte da helfen, wo die komplizierten Strukturen es Außenstehenden erschweren, die geeigneten Kontakte zu finden.

Während der Dialog auf der Arbeitsebene nach Einschätzung des EKD Büros schon jetzt insgesamt sehr erfolgreich verläuft, leiden die formalisierteren Veranstaltungen immer noch unter dem Problem geringer „Breitenwirkung“. Es wäre wünschenswert, wenn bei Dialog-Seminaren die Institutionenvertreter in einen wirklichen Dialog einträten, d.h. auch länger anwesend wären, als das bisher oft der Fall ist. Da das zeitlich nicht immer möglich sein wird, wäre eine Publikation der Tagungsbeiträge und -ergebnisse vielfach eine gute Möglichkeit. Insgesamt sollte eine bessere Vor- und Nachbereitung (Abstimmung der Themen, Auswahl der Referenten, Festlegung des Ablaufs, Follow-up-Maßnahmen) zur Qualitätsstei-gerung beitragen.

Insgesamt wurde aus den verschiedenen Beiträgen deutlich: Der Dialog muss je nach Zusammensetzung und der jeweiligen Dialogform flexibel gehandhabt werden. Es gibt nicht das Dialogrezept. Der Austausch mit dem Kollegium der Kommissare sieht anders aus als der mit Fachleuten in den Generaldirektionen. Der Austausch mit der Grundrechteagentur gestaltet sich anders als mit einzelnen Abgeordneten. Wichtig ist, dass alle EU-Institutionen sich dem Auftrag des Art. 17 III AEUV verpflichtet fühlen. Dazu gehört auch, dass ihre zentralen Verwaltungen (Präsidialkabinette, Generaldirektoren) die logistische und organisatorische Unterstützung für den Dialog gewährleisten.

Die Etablierung dieses Dialogs ist ein wichtiger Fortschritt in der Europäischen Integration. Sie dokumentiert, dass die EU den Weg von der Wirtschaftsgemeinschaft zur Gemeinschaft der Völker und zur Wertegemeinschaft geht. Als Aspekt partizipativer Demokratie ist sie Ausdruck des Willens, die Bürger an den politischen Entscheidungsfindungsprozessen zu beteiligen. Sie zeigt aber auch, dass die Union sich des besonderen Beitrags bewusst ist, der aus der Gemeinwohlverpflichtung der Kirchen und ihrer religiösen Fundierung folgt. Sie lässt sich damit nicht zuletzt aus einer Dimension ansprechen, die nicht zu ihrer eigenen Disposition steht.



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