TiSA: Das Aus für den „Blankoscheck“ der Kommission

(Nicoletta Backhaus)

Das Europäische Parlament hat am 03. Februar 2016 mit 532 Ja-Stimmen seine Empfehlungen an die EU-Kommission für die Verhandlung zum Ab- kommen über den Handel mit Dienstleistungen (engl.: Trade in Services Agreement – TiSA) verabschiedet. Damit, so die Berichterstatterin des Parlaments, Viviane Reding (EVP) aus Luxemburg, sei der Kommission der „Blankoscheck“ für die Ver- handlungen entzogen. Sollten bei den Verhandlungen die parlamentarischen Empfehlungen nicht ausreichend umgesetzt werden, werde das Parlament sein Veto gegen das Abkommen einlegen. „We want to be standard makers today, not standard takers tomorrow”, betonte Reding.

Seit März 2013 befinden sich 23 WTO-Mitglieder in Verhandlung zu TiSA, darunter die EU. Zusammen machen diese 23 Verhandlungspartner weltweit 70 Prozent des Handels mit Dienstleistungen aus. In der EU stellen Dienstleistungen 70 Prozent der Wirtschaftsleistung dar. Das Abkommen hat zum Ziel, globale Mindestanforderungen für Handelsbereiche wie digitale, Finanz- oder Verkehrsdienstleistungen einzuführen. Bisher wurden 15 Verhandlungsrunden abgehalten. Das Endprodukt der Verhandlungen muss am Ende vom Europäischen Parlament gebilligt werden. Änderungen sind dann nicht mehr möglich. Deshalb beobachten die Parlamentarier penibel den Verhandlungsprozess und verknüpfen ihre notwendige Zustimmung mit der Umsetzung ihrer Empfehlungen.

Das TiSA-Abkommen wird im Europäischen Parlament durchaus als Chance wahrgenommen, mehr Rechte für EU-Bürger zu schaffen und neue Märkte zu erschließen. Allerdings zeigt sich das Parlament entschlossen, ein Abkommen zu verhindern, das weder Verbraucher, noch öffentliche Dienstleistungen oder das nationale Recht auf Regulierung ausreichend schützt.

Die Empfehlungen des EU-Parlaments lassen sich in zwei Bereiche unterteilen: Die „Blue Lines“, in denen generelle Haltungen sowie Rechte für europäische Unternehmen und Verbraucher gefordert werden und die „Red Lines“, in denen die Änderung einiger Teile der bisherigen Verhandlungsergebnisse gefordert werden.

Die „Blue Lines“ fordern eine ausgeglichene Gegenseitigkeit in der Öffnung des Dienstleistungsmarkts, vor allem in Bereichen wie Telekommunikation, digitalen Dienstleistungen und Verkehr. Außerdem sollen im Ausland wirtschaftliche Barrieren für EU-Unternehmen abgebaut werden, damit diese wettbewerbsfähiger werden, so sollen die Firmen z. B. weder erzwungener Datenlokalisie- rung, noch Obergrenzen für ausländische Beteili- gungen unterliegen. Kleine und mittlere Unterneh- men sollen im EU-Ausland nicht Opfer übergroßer Bürokratie werden. Für EU-Bürger im Ausland fordert das Parlament mehr Garantien und Infor- mationen in Bezug auf Datentransfer, wie etwa bei Roaming- und Kreditkartengebühren sowie Schutz gegen Spam und Geoblocking bei Online-Transak- tionen.

In den „Red Lines“ verteidigen die EU-Parlamentarier vehement die europäischen rechtlichen und politischen Standards. Gefordert wird, dass die öffentlichen Dienstleistungen in Bereichen wie Bildung, Gesundheit, Sozialdienst, soziale Sicherheit und Audiovision wieder aus dem Abkommen ausgeschlossen werden. Zudem soll gewährleistet werden, dass der Datenschutz für EU-Bürger an aktuellen bzw. zukünftigen Standards ausgerichtet bleibt. Ganz allgemein sollen die Rechte europäischer, nationa- ler und lokaler Behörden abgesichert und geschützt werden, die es ihnen erlauben, sowohl Vorschriften im öffentlichen Interesse – bspw. bei öffentlicher Gesundheit, Verbraucher- und Umweltschutz – zu machen, als auch frei über Privatisierung und Kommunalisierung zu entscheiden. Die Vorstellung einer Revisionsklausel für das Abkommen stützt diesen Kurs des Parlaments: Das Abkommen soll für die Vertragspartner kündbar und die Verpflichtung zur Liberalisierung einer Dienstleistung aussetzbar oder reversibel sein, vor allem bei Verstößen gegen Sozial- und Arbeitsnormen.

Auch am Arbeitsmarkt will das Parlament die EU keinem Risiko aussetzen und fordert die Zustimmung der EU zur ausschließlichen Aufnahme von hochqualifizierten Arbeitskräften, die unter Vertrag und innerhalb enger Fristen arbeiten.

Ihrem Pluralismus-Grundsatz treu, sprachen sich die Parlamentarier über eine Beteiligung Chinas an den Verhandlungen hinaus für eine weitere Multilateralisierung des Abkommens in der Zukunft aus.

Wie bereits im Rahmen der TTIP-Verhandlungen plädiert das EU-Parlament für mehr Transparenz und fordert die Kommission sowohl zur Veröffentlichung von Hinweisblättern zu allen Teilen des Abkommens wie auch von Feedback-Sheets zu den Verhandlungen auf.

Die Resolution des Europäischen Parlaments finden Sie hier:
http://ekd.be/TiSA_EU_Forderungen



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