Diskussionsveranstaltung "Leitlinien für eine multifunktionale und nachhaltige Landwirtschaft – Zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union"

(Martin Kasperek)

Am 21. November 2011 lud das EKD-Büro Brüssel zur Diskussion über die Stellungnahme der Kammer für nachhaltige Entwicklung zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik ein. Die EU-Kommission hatte am 12. Oktober 2011 ihre Vorschläge zur GAP-Reform  vorgelegt. Diese sehen unter anderem vor, dass künftig 30 Prozent der Direktzahlungen an die Landwirte (erste Säule der GAP) dem so genannten "Greening" zu Gute kommen, also Maßnahmen für den Umweltschutz unterstützen. Zu diesen Maßnahmen gehören unter anderem die Stilllegung von Ackerflächen oder die Diversifizierung der angebauten Ackerkulturen.

In ihrer Einleitung erklärte OKR‘in Katrin Hatzinger, dass die Kirche sich mit der GAP befasse, da eine nachhaltige Landwirtschaft im Sinne der Verantwortung für die Schöpfung Gottes stehe.

Prälat Dr. Bernhard Felmberg betonte in seinem Grußwort, dass es eine Kohärenz zwischen Entwicklungs- und Agrarpolitik geben müsse.

Dr. Clemens Dirscherl, Beauftragter des Rates der EKD für agrarsoziale Fragen, wies auf die Bedeutung einer nachhaltigen Landwirtschaft hin. In diesem Zusammenhang sei besonders bei der Produktion von Biokraftstoffen Maß zu halten. Dirscherl sagte, dass die EKD die Vorschläge der Kommission zum besseren Klima- und Umweltschutz voll unterstütze. Er hielt es für sehr wichtig, dass Politik und Gesellschaft Solidarität mit der Landwirtschaft zeigten und die Einkommen der Landwirte mit öffentlichen Geldern bezuschusst werden. Gleichzeitig warnte er aber vor zu großer Bürokratie, die durch die europäische Agrarpolitik auf die Landwirte zukomme.

Dr. Rudolf Buntzel, Berater für Welternährung, bemängelte, dass die EU – im Gegensatz zum Thema Klimaschutz – beim Thema Agrarpolitik keine internationale Verantwortung übernehme, sie sei nur auf die Bedürfnisse der Europäer bezogen. Es sei widersprüchlich, dass man europäische Landwirte schütze und fördere, aber gleichzeitig eine sehr offensive Exportpolitik verfolge. Als größter Agrarexporteur der Welt schade die EU mit ihren Produkten den lokalen Herstellern in Entwicklungsländern. Die EU-Agrarpolitik dürfe sich nicht nur an WTO-Regeln messen. In den Agraraußenbeziehungen müsse das Prinzip "do not harm" geten und die Auswirkungen der Exporte, speziell in Entwicklungsländer, müssten ständig überwacht und gegebenenfalls korrigiert werden. Laut Buntzel wolle die EU durch die Steigerung der Produktion einen Beitrag zur Welternährung leisten, wohingegen die EKD sich dafür einsetze, dass die Fähigkeit der Menschen, sich selbst zu ernähren, gestärkt wird.

Der CSU-Europaabgeordnete Albert Deß, Berichterstatter des Europaparlaments für die Gemeinsame Agrarpolitik bis 2020 und agrarpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, stellte den Kommissionsvorschlag, auf künftig mindestens sieben Prozent der Anbaufläche der Natur Vorrang zu geben, in Frage und forderte allgemein mehr Flexibilität der Agrarpolitik. Ein Landwirt handele schon von sich aus nachhaltig, gebe er doch seinen Betrieb von Generation zu Generation weiter. Der Welthandel von Agrarprodukten funktioniere nicht, denn einerseits müssten die Landwirte in den Industrieländern von ihrer Arbeit leben können, andererseits müssten die Menschen in der Dritten Welt sich Lebensmittel leisten können. Er schlug deshalb die Schaffung von vier Agrarfreihandelszonen in der Welt (Europa / Amerika / Asien-Australien / Afrika-Karibik) vor.

Ico von Wedel, Kabinettsmitglied von EU-Agrarkommissar Dacian Cioloş, wies darauf hin, dass die Exportsubventionen aus Respekt vor den Entwicklungsländern kontinuierlich gesenkt würden. Die Agrarpolitik sei jedoch derart kompliziert, dass man niemals perfekte Lösungen erreiche. Um die wachsende Weltbevölkerung weiter ernähren zu können, müsse verstärkt in die Forschung investiert werden.

Zu Beginn der anschließenden Podiumsdiskussion (moderiert von Karin Ulmer von APRODEV) verteidigte Albert Deß das Wachstum der europäischen Landwirtschaft, denn in Europa würden hohe Standards gesetzt, beispielsweise im Tierschutz. Außerdem wurde das europäische Eiweißdefizit angesprochen: Aktuell wird ein Großteil des Eiweißbedarfs durch Sojaimporte aus Drittländern gedeckt. Um dies zu ändern, schlug Buntzel vor, mehr Tiermehl zu verfüttern. Deß plädierte für eine Senkung der Direktzahlungen, um stattdessen mehr in die Eiweißproduktion zu investieren. Insgesamt wurde der kirchliche Beitrag von den Vertretern der EU-Institutionen als hilfreicher Impuls begrüßt.



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