Kommission veröffentlicht neue Beihilfevorschriften für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

(Christopher Hörster)

Am 20. Dezember 2011 hat die Europäische Kommission ihre neuen Beihilfevorschriften für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ("DAWI") veröffentlicht. An der vorausgegangenen Konsultation hatte sich das EKD-Büro Brüssel zusammen mit dem Kommissariat der Deutschen Bischöfe durch eine gemeinsame Stellungnahme vom 14. Oktober 2011 beteiligt (EKD-Europa-Informationen  Nr. 138). Die Stellungnahme erfolgte in Abstimmung mit den großen kirchlichen Wohlfahrtsverbänden, die ebenfalls mit einer eigenen Stellungnahme an der Konsultation teilnahmen.

Die sozialen Dienstleistungen, als Teil der DAWI,  spielen bei der Förderung des sozialen Zusammenhalts einer Gesellschaft eine zentrale Rolle. Viele dieser Leistungen können ohne finanzielle Unterstützung der Mitgliedstaaten an den jeweiligen Dienstleister nicht erbracht werden. Wo allerdings stattliche Mittel einem Dienstleiter zufließen, der tatsächlich oder potentiell mit anderen Dienstleister in Konkurrenz steht, entstehen Konflikte mit den Beihilfevorschriften der EU (Art. 107-109 AEUV). Die Kommission will  durch die nun veröffentlichten Vorschriften mehr Klarheit über die europarechtskonforme Möglichkeit zur Förderung von DAWI schaffen und der Vielfalt der verschiedenen Arten öffentlicher Dienstleistungen gerecht werden.

Erfreulicherweise kann festgestellt werden, dass die Kommission in vielen Punkten den Vorschlägen der Kirchen und Wohlfahrtsverbänden aus dem Konsultationsverfahren gefolgt ist. In den zwei Vorschriften, die für die Kirchen die größte Bedeutung haben, hat die Kommission an zentralen Stellen die Anregungen der Kirchen aufgenommen.

Im "Beschluss über die Anwendung von Art. 106 Abs. 2 AEUV" legt die Kommission fest, wann eine Beihilfe unter die Ausnahmeregelung des Art. 106 Abs. 2 AEUV fällt und deswegen nicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV bei der Kommission vor Gewährung angemeldet werden muss. Beihilfen, die unter den Beschluss fallen, sind also ohne vorherige Genehmigung möglich und daher schneller und einfacher zu gewähren. Künftig fallen nun grundsätzlich die wichtigsten sozialen Dienstleistungen in den Anwendungsbereich dieses Freistellungsbeschlusses, ohne dass gewisse Schwellenwerte eingehalten werden müssen. Die Kommission folgte in dem Beschluss zudem der Ansicht der Kirchen, die Fördermöglichkeit nicht auf Unternehmen zu begrenzen, die ausschließlich DAWI erbringen. Somit können nun auch Unternehmen von der Ausnahmeregelung profitieren, die beispielsweise eine kleine sozialförderliche Gastronomie, etwa ein Café, kommerziell betreiben.

In der Verordnung für "De-minimis-Beihilfen an Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erbringen" ist die Europäische Kommission in allen Punkten den Anregungen gefolgt. Einer langjährigen Forderung der Wohlfahrtsverbände, wonach Ausnahmen für DAWI vom europäischen Beihilferecht vorzusehen sind, wenn aufgrund der geringfügigen Zuwendung ein grenzüberschreitender Bezug fehlt, wurde nun nachgekommen. Die vorgeschlagene Beschränkung des Anwendungsbereiches der Verordnung auf Zuwendungen durch Behörden, die eine Bevölkerung von weniger als 10.000 Einwohnern vertreten, wurde gestrichen. Dieser Vorschlag war kritisiert worden, weil es für eine potentielle Auswirkung auf den grenzüberschreitenden Handel unerheblich ist, wie viele Bürger die Behörde vertritt, die die Beihilfe gewährt.

Der Schwellenwert für Zuwendungen wurde, im Vergleich zu dem von der Kommission ursprünglich geplanten, von 150.000 (mit einem Referenzrahmen von einem Jahr) auf 500.000 Euro (mit einem Referenzrahmen von drei Jahren) angehoben. Eine solche Kombination war von den Kirchen und Wohlfahrtsverbänden vor allem gefordert worden, da größere, zeitlich auf mehrere Jahre ausgelegte Projekte im DAWI-Bereich nicht selten zu Anfang eines größeren Finanzierungsanschubs bedürfen.

Die Vorschrift, die Zuwendungen nur an Dienstleistungserbringer erlaubte, deren Jahresumsatz fünf Millionen Euro nicht überstieg, wurde, wie von den Kirchen gefordert, gestrichen. Damit dürften zahlreiche kleinere Dienste und Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft künftig aus dem Anwendungsbereich des Beihilferechts herausfallen.

Abschließend kann resümiert werden, dass das neue "Almunia-Paket", welches die Beihilfevorschriften des "Monti-Kroes-Pakets" fortschreibt, im Vergleich mit der alten Rechtslage in vielen Bereichen für die Erbringer sozialer Dienstleistungen mehr Rechtsklarheit bringt. Es wird nun darauf ankommen, die neuen Vorschriften in der Praxis, bei Zuwendungsempfängern und -gebern, bekannt zu machen.

Sie finden die Beihilfevorschriften unter:



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