Martin Schulz zum Präsidenten des Europäischen Parlaments gewählt

(Katrin Hatzinger)

Der deutsche Sozialdemokrat Martin Schulz ist am 17. Januar 2012 zum Präsidenten des Europäischen Parlaments (EP) gewählt worden. Damit löst der 57-jährige turnusgemäß zur Hälfte der Legislaturperiode den Polen Jerzy Buzek (EVP) an der Spitze des EP ab. Deutsche Vizepräsidenten sind Rainer Wieland (EVP/CDU) und Alexander Alvaro (ALDE/FDP).

Schulz, der zuvor Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion im EP war, übernimmt sein Amt in der schwersten Krise seit der Gründung der Europäischen Union. Während Jerzy Buzek eher ein Präsident der leisen Töne war, ist der überzeugte Europäer Schulz nicht nur ein Politiker mit großer europapolitischer Erfahrung, sondern auch jemand, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Bekannt wurde er durch ein hitziges Wortgefecht zu Beginn der italienischen Ratspräsidentschaft 2003 mit dem damaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Auch heute nennt Schulz die Dinge klar beim Namen, ob es um Kritik am verordneten Sparkurs der Bundeskanzlerin geht, die rechtsnationale Politik der ungarischen Führung oder mehr Mitspracherechte für das EP. Hier sieht er eine seiner Hauptaufgaben als Parlamentspräsident. Er werde "mit aller Kraft daran arbeiten, dem Parlament eine starke Stimme zu geben", hatte er bei seiner Wahl angekündigt. Auch mangelt es ihm nicht an Selbstbewusstsein. Faktisch werde die EU derzeit von den 27 Staats- und Regierungschefs regiert, angesichts dieser "Selbstermächtigung" müsse das EP als Interessensvertretung europäischer Bürgerinnen und Bürger stärker eingebunden werden. So steht für Schulz fest, dass das Parlament die Fiskalunion parlamentarisch kontrollieren müsse. Darüber hinaus müsse der gesamte Inhalt des Fiskalpakts innerhalb von fünf Jahren in das EU-Vertragsrecht überführt werden (nachstehender Artikel). Das EP müsse an allen Eurogipfeln und Europäischen Gipfeln teilnehmen und allen 25 Vertragsparteien des Abkommens müsse das gleiche Recht zur Teilnahme an Euro-Gipfeltreffen gewährt werden, ob sie nun Mitglieder oder Nichtmitglieder des Euroraums seien. Zugleich warnt er vor einem Rückfall in alten "Intergouvernementalismus" (rein zwischenstaatliche Zusammenarbeit) ebenso wie vor einem Europa der zwei Geschwindigkeiten. Hartnäckigkeit gepaart mit Leidenschaft für Europa sind zumindest keine schlechten Voraussetzungen für die Arbeit in Krisenzeiten.

Die Antrittsrede finden Sie unter:



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