Vorschläge der EU-Kommission für das neue Forschungsrahmenprogramm vorgestellt

(Katrin Hatzinger)

Am 30. November 2011 hat die Europäische Kommission ihre Vorschläge für das neue Forschungsrahmenprogramm (FRP) "Horizont 2020" (2014-2020) vorgestellt. Das Programm bündelt ein Paket von Fördermaßnahmen in den Bereichen Forschung, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit und stellt dafür 80 Milliarden Euro bereit.

Das Paket umfasst folgende Vorschläge:

  1. einen Vorschlag für das Rahmenprogramm "Horizont 2020"
  2. einen Vorschlag für einen einzigen Satz von Beteiligungs- und Verbreitungsregeln
  3. einen Vorschlag für ein einziges spezifisches Programm zur Durchführung von "Horizont 2020" sowie
  4. einen einzigen Vorschlag für die Teile von "Horizont 2020", die dem Euratom-Vertrag entsprechen

Erstmals werden alle Forschungs- und Innovationsmaßnahmen der EU in einem einzigen Programm zusammengefasst. Neu ist auch, dass an Hand vereinfachter Regeln und Verfahren der Verwaltungsaufwand reduziert werden soll, um mehr Spitzenforschern und innovativen Unternehmen Anreize zu bieten. Das FRP ist damit das weltweit größte Förderprogramm für Forschungsprojekte.

Schwerpunktmäßig sollen mit "Horizont 2020" drei Hauptziele gefördert werden:

  1. Exzellenz in der Wissenschaftsbasis: Unterstützt wird mit 24,6 Milliarden Euro die weltweit führende Stellung der EU in der Wissenschaft. Für den Europäischen Forschungsrat (ERC) werden die Fördermittel um 77 Prozent aufgestockt.
  2. Marktführerschaft und Wettbewerbsfähigkeit: Die Sicherung der industriellen Führungsposition in Bereich Innovation wird mit 17,9 Mrd. EUR gefördert. Dies umfasst Investitionen in Schlüsseltechnologien, einen leichteren Zugang zu Kapital und Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen.
  3. Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen: Unterstützung von sechs Hauptthemen mit 31,7 Milliarden Euro:
    • Gesundheit und demografischer Wandel
    • Ernährungs- und Lebensmittelsicherheit, marine und maritime Forschung sowie Biowirtschaft
    • saubere und effiziente Energie
    • intelligenter, umweltfreundlicher und integrierter Verkehr
    • Klimaschutz, Ressourceneffizienz und Rohstoffe
    • integrative, innovative und sichere Gesellschaften

Mit Interesse wurde erwartet, wie sich die Europäische Kommission in ihren Vorschlägen zur Frage der embryonalen Stammzellforschung mit EU-Mitteln positionieren würde. Aktuell werden unter dem 7. FRP keine Fördergelder für die Zerstörung menschlicher Embryonen etwa zum Zweck der Gewinnung embryonaler Stammzellen bereitgestellt. Zu dieser Vorgehensweise hat sich die Europäische Kommission im Rahmen einer Protokollerklärung verpflichtet. Gefördert werden allerdings die auf der Zerstörung menschlicher Embryonen aufbauende Forschung an und die Verwendung von embryonalen Stammzellen.

Im Vorfeld der offiziellen Vorstellung der Kommissionsvorschläge hatten Abgeordnete des Europäischen Parlaments fraktionsübergreifend in einer Presseerklärung die Kommission aufgefordert, künftig keine Gelder für die Forschung an Embryonen und embryonalen Stammzellen mehr zur Verfügung zu stellen. Dabei beriefen sie sich u.a. auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum sog. "Brüstle-Patent" (Rs. C-43/10) zur Patentierbarkeit menschlicher embryonaler Stammzellen vom 18. Oktober 2011 (EKD-Europa-Informationen Nr. 138) und auf die ausbleibenden Therapieerfolge in diesem Forschungsbereich. Erst am 15. November 2011 hatte die US-amerikanische Firma Geron ihre klinischen Studien mit menschlichen embryonalen Stammzellen eingestellt. Damit gibt es weltweit nur noch zwei Versuche solcher Studien, während die Forschung mit adulten Stammzellen durchaus Therapieerfolge aufweisen kann.

Auch aus kirchlicher Sicht sollte die Rechtsprechung des EuGH bei der Gestaltung von "Horizont 2020" Berücksichtigung finden. Im neuen Forschungsrahmenprogramm sollte daher zum einen die bisherige Praxis, keine Fördergelder für die Zerstörung von menschlichen Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen zur Verfügung zu stellen, rechtsverbindlich festgeschrieben werden und zum anderen sollten Forschungsprojekte, die menschliche embryonale Stammzellen verwenden oder auf diesen aufbauen, von der Förderung durch europäische Mittel ausgeschlossen werden. Insbesondere ist nach diesem Urteil auch die bisher von der Kommission vorgenommene Unterscheidung zwischen der nicht förderfähigen Gewinnung menschlicher embryonaler Stammzellen und der förderfähigen Forschung an bereits gewonnenen embryonalen Stammzellen nur schwer aufrecht zu erhalten. Eine solche Unterscheidung lehnt der EuGH ausdrücklich unter Verweis auf die umfassende und konsequente Achtung der Menschenwürde des Embryos ab.

Die Kommission bleibt jedoch in ihrem Verordnungsvorschlag zum 8. FRP ganz bei ihrer "alten" Linie. In der Mitteilung zu dem Rahmenprogrammm findet sich ein Verweis auf die erwähnte Protokollerklärung vom 30. Dezember 2006, in der festgeschrieben ist, dass keine Fördergelder für die Zerstörung von menschlichen Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen zur Verfügung gestellt werden.

Im Übrigen finden sich sowohl in Erwägungsgrund 25 des Verordnungsentwurfs zum FRP als auch in dem dazu gehörigen Artikel 16 III über die "ethischen Prinzipien" bekannte Formulierungen wieder. Demnach sind folgende Forschungsaktivitäten von einer Förderung mit EU-Geldern ausgeschlossen:

  1. Forschungstätigkeiten zum Klonen vom Menschen zu Reproduktionszwecken;
  2. Forschungstätigkeiten zur Veränderung des Erbguts des Menschen, durch die solche Änderungen vererbbar werden könnten,
  3. Forschung zur Züchtung menschlicher Embryonen ausschließlich zu Forschungszwecken oder zur Gewinnung von Stammzellen, auch durch Zellkerntransfer somatischer Zellen

In IV heißt es: "Forschung an – sowohl adulten als auch embryonalen – menschlichen Stammzellen darf nach Maßgabe sowohl des Inhalts des wissenschaftlichen Vorschlags als auch der rechtlichen Rahmenbedingungen der betreffenden Mitgliedstaaten gefördert werden. Forschungstätigkeiten, die in allen Mitgliedstaaten verboten sind, werden nicht gefördert. In einem Mitgliedstaat wird keine Tätigkeit gefördert, in dem diese verboten ist."

Darüber hinaus sind wie auch im 7. FRP Ethikprüfungen bei ethisch sensiblen Forschungsvorhaben durch die Kommission vorgesehen. Selbst wenn sich über die Konsequenzen des EuGH-Urteils für die Förderfähigkeit und dessen Berechtigung (EKD-Europa-Informationen Nr. 138) durchaus streiten lässt, hat der Richterspruch aus Luxemburg doch einmal mehr die Kontroverse um die embryonale Stammzellforschung öffentlich gemacht. In Zeiten knapper Kassen und allgemeiner Sparanstrengungen ist es allerdings nur schwer vermittelbar, warum europäische Steuermittel in ein Feld fließen sollten, dass in der praktischen klinischen Anwendung keine Erfolge aufzuweisen hat. Es ist auch insofern berechtigt dafür zu werben, diese Mittel effizienter in weniger strittigen Bereichen zu investieren.

Die übrigen Themen, die aus kirchlicher Sicht im Hinblick auf das neue FRP von Interesse sind, nämlich die Förderung der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie der Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft werden im spezifischen Programm zu "Horizont 2020" nur gestreift. So heißt es in Erwägungsgrund 11 des spezifischen Programms lapidar, dass die Sozial- und Geisteswissenschaften einen Beitrag zur Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen leisten können. Sie sind also nur im Hinblick auf ihre Verwertbarkeit zur Erreichung der übergeordneten Ziele von "Horizont 2020" förderfähig. Der Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft taucht in dem Vorschlag bedauerlicherweise sehr verkürzt und lediglich in dem Kontext von "Kommunikation und Verbreitung" von Forschungsergebnissen auf. Interessant ist, dass immerhin bei der Festlegung von Forschungsschwerpunkten die Rückkopplung mit Bürgern und Organisationen der Zivilgesellschaft als wichtiger Schwerpunkt bezeichnet wird. Es fehlt allerdings an konkretisierenden Ausführungen, die auch die Aspekte der Demokratisierung von Forschungspolitik durch Dialog und die Chance, Anfragen und Bedenken aus der Bevölkerung aufzugreifen, einbeziehen würden.

Die Kommissionsvorschläge für "Horizont 2020" werden im Ministerrat "Wettbewerbsfähigkeit" und im Europäischen Parlament beraten und sollen bis Ende 2013 verabschiedet werden.

Die erwähnten Dokumente finden Sie unter:



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