Nächste Runde im EU-Ungarn-Konflikt

(Martin Kasperek)

Schon seit Amtsantritt von Ministerpräsident Viktor Orbán im Frühjahr 2010 steht die Politik Ungarns in der Kritik der Europäischen Union. Doch neben den Vertragsverletzungsverfahren, die die Kommission am 17. Januar 2012 gegen das Land wegen der umstrittenen politischen Reformen angestoßen hat, werden Budapest wegen seines Haushaltsdefizits nun auch Kürzungen der Zahlungen aus dem Kohäsionsfonds angedroht.

Anfang 2011, als Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft übernahm, ließ bereits ein neues Mediengesetz und die damit verbundene Schaffung einer regierungsnahen Medienaufsichtsbehörde befürchten, dass die Demokratie in dem Land "ausgehöhlt" werde. Diese Sorge verstärkte sich nach der Verabschiedung der neuen ungarischen Verfassung, die zu Beginn dieses Jahres in Kraft getreten ist. Die Kommission leitete das Vertragsverletzungsverfahren ein, da nach ihrer Ansicht unter der neuen Verfassung die Unabhängigkeit der Justiz, der Zentralbank und des Datenschutzbeauftragten gefährdet seien. Gegen diese politischen Maßnahmen regen sich auch in der ungarischen Bevölkerung zunehmend Proteste. Orbán gab sich mittlerweile kompromissbereit, stieß bei seinem Auftritt im Europäischen Parlament am 18. Januar 2012 aber immer noch auf scharfe Kritik seitens sozialdemokratischer, grüner und liberaler Abgeordneter. Selbst innerhalb der Europäischen Volkspartei ist er umstritten.

Am 22. Februar 2012 kündigte Olli Rehn, EU-Währungskommissar, zudem an, dass ein Teil der für Ungarn bestimmten Kohäsionsfonds, nämlich 495 Millionen Euro, auf Eis gelegt werden könnte, sollte das Land nicht bis Anfang nächsten Jahres sein jährliches Haushaltsdefizit unter die durch die Konvergenzkriterien vorgeschriebene Schwelle von drei Prozent des Bruttoinlandprodukts bringen. Bereits seit dem EU-Beitritt 2004 läuft ein Defizitverfahren gegen Ungarn, das jedoch schon zwei Mal aufgeschoben wurde. Das Land befindet sich momentan finanziell in einer äußerst schwierigen Lage und ist auf weitere Kredite des Internationalen Währungsfonds angewiesen. Die drei großen Ratingagenturen haben die ungarischen Staatsanleihen bereits auf "Ramschniveau" herabgestuft.



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