Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Freiheit zur gewerkschaftlichen Organisation auch für Priester

(Elias Wendebourg)

Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (EGMR) hat am 31. Januar 2012 in der Sache "Sindicatul ‚Pastorul cel Bun‘ c. Roumanie" entschieden, dass die Untersagung einer Gewerkschaftsbildung rumänisch-orthodoxer Priester gegen die Versammlungs- und Vereinsfreiheit aus Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstößt.

Im Jahr 2008 war 35 Priestern und Laien der rumänisch-orthodoxen Kirche die von ihnen angestrebte Gewerkschaftsbildung vom zuständigen Gericht untersagt worden. Eine solche Vereinigung bedürfe laut den Statuten der Kirche einer Genehmigung durch den Bischof bzw. die Synode, welche nicht vorliege. Obwohl die Gewerkschaftsgründer betonten, sich auf die Vertretung ökonomischer und sozialer Interessen zu beschränken, lehnte das Gericht den Antrag mit Hinweis auf die Autonomie der Religionsgemeinschaften ab.

Der EGMR entschied, dass dieses Urteil gegen Art. 11 EMRK verstoße, da das Recht auf freie Versammlung und Vereinigung gem. Art. 11 II EMRK nur einschränkbar sei, wenn eine "Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft" dafür vorliege. Eine solche konnte der EGMR jedoch nicht erkennen, zumal schon zwei andere, priesterliche Gewerkschaften innerhalb der Kirche existierten. Zudem müssten die Priester als Arbeitnehmer eingestuft werden, da sie mehrheitlich vom Staat bezahlt und regulär sozialversichert seien. Schließlich bemängelte der EGMR darüber hinaus, dass das die Gewerkschaftsbildung untersagende Gericht im vorliegenden Fall keine differenzierte Interessenabwägung vorgenommen habe.

Das Urteil des EGMR richtet sich gegen den Staat Rumänien und verpflichtet diesen, den konventionswidrigen Zustand zu beenden. Inwieweit aus dem Urteil Rückschlüsse für die deutsche Rechtslage gezogen werden können, ist aufgrund der hohen Einzelfallprägung des Urteils schwer zu entscheiden. Berücksichtigt werden muss aber, dass die Kirchen in Deutschland die gewerkschaftliche Organisation ihrer Mitglieder nicht unterbinden, sondern lediglich mit dem Dritten Weg eine besondere Art kennen, kollektive Arbeitsbedingungen zu vereinbaren. Insofern spricht dies gegen eine Übertragbarkeit des Urteils auf die Situation in Deutschland.

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