Qualifikationsrichtlinie ist in Kraft getreten

(Katrin Hatzinger)

Anfang Januar 2012 ist die überarbeitete Version der sog. Qualifikationsrichtlinie in Kraft getreten. Die Richtlinie regelt die Voraussetzungen für die Gewährung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes und legt die damit einhergehenden Rechte fest. Folgende Neuerungen sind erwähnenswert:

Erwägungsgrund 23 verweist auf die Rolle des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) bei der Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft. Erwägungsgrund 36 stellt die Regelvermutung der Gefährdung von Familienangehörigen von Flüchtlingen auf. Erwägungsgrund 48 spricht davon, dass die Umsetzung der Richtlinie in regelmäßigen Abständen zu bewerten ist und verweist auf den dynamischen Charakter in der Auslegung der völkerrechtlichen Verpflichtungen durch die Mitgliedstaaten, etwa im Bereich der Nichtzurückweisung.

Art. 2 Buchstabe j der Richtlinie weitet den Begriff der Familienangehörigen auch auf nicht verheiratete Partner aus. Art. 3 legt fest, dass Mitgliedstaaten günstigere Normen erlassen oder beibehalten können. Art. 7 qualifiziert neuerdings die Schutzfähigkeit der Akteure ("sofern sie willens und in der Lage sind") und stellt zudem auf die Dauerhaftigkeit des Schutzes ab. In Art. 8 sind die Kriterien für interne Fluchtalternativen weiter ausdifferenziert und klarer gefasst wurden, insbesondere ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch das Kriterium der Zumutbarkeit zu berücksichtigen.In Art. 11 wird nun im Zusammenhang mit den Verfolgungsgründen im Fall einer "bestimmten sozialen Gruppe" auch an die geschlechtliche Identität angeknüpft (Absatz I Buchstabe d), allerdings ist immer noch unklar, wie eine "angemessene Berücksichtigung" dessen in der Praxis stattfinden soll. In Art. 11, der das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft regelt, bestimmt ein neuer Absatz III, dass ein Erlöschen in bestimmten Fällen nicht erfolgt.

Art. 20 Absatz II legt den Grundsatz fest, dass hinsichtlich des Inhalts des internationalen Schutzes Flüchtlinge und subsidiär Geschützte gleichgestellt sind, so etwa beim Zugang zu Beschäftigung (Art. 26) und Bildung (Art. 27). Neu sind die Regelungen des Art. 23, wonach die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen haben, dass der Familienverband aufrechterhalten werden kann (Absatz I) und Familienangehörige von Flüchtlingen oder subsidiär Geschützten auch Anspruch auf bestimmte Leistungen haben (Absatz II).

Allerdings sieht die Richtlinie auch weiterhin Ausnahmen vor, wie etwa hinsichtlich der Ausstellung von Aufenthaltstiteln (Art. 24) oder bei der Gewährung von Sozialhilfeleistungen (Art. 29), wobei in letzterem Fall die unterschiedliche Behandlung in Deutschland praktisch nicht ins Gewicht fällt. Eine Verbesserung bringt Art. 25, der vorsieht, dass Flüchtlingen und subsidiär Geschützten in der Regel Reisedokumente ausgestellt werden müssen. Erwähnenswert ist schließlich Art. 33, der vorsieht, dass die Mitgliedstaaten Personen, die internationalen Schutz genießen, unter bestimmten Bedingungen Freizügigkeit in ihrem Hoheitsgebiet einräumen. Im Zuge der Umsetzung wird in Deutschland deshalb die entsprechende Verwaltungsvorschrift, die bislang noch eine Wohnsitzauflage vorsieht, geändert werden müssen.

Art. 34 bestimmt, dass Zugang zu Integrationsmaßnahmen zu gewähren und dabei die besonderen Bedürfnisse von Flüchtlingen und subsidiär Geschützten angemessen zu achten sind.

Das ursprüngliche Ziel der Überarbeitung der Richtlinie, einen einheitlichen Status für Flüchtlinge und subsidiär Geschützte zu schaffen, wurde nur in Ansätzen erreicht, auch wenn an den genannten Stellen Verbesserungen für die Betroffenen hergestellt worden sind. Auch die erstrebte Präzisierung von Rechtsbegriffen ist ebenfalls nicht durchweg gelungen. Von daher stellt die überarbeitete Richtlinie einen kleinen Schritt hinzu mehr Flüchtlingsschutz da, die Chance auf den großen Wurf wurde aber verpasst. Angesichts des aktuellen politischen Klimas in der EU war das aber auch nicht sehr verwunderlich.

Die Mitgliedstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, die Richtlinie umzusetzen.

Die Richtlinie im Wortlaut finden Sie hier:



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