EuGH: Wohnsitzauflage nur bei Integrationsschwierigkeiten

(Julia Maria Eichler)

Am 01. März 2016 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in den Rechtssachen „Alo“ und „Osso“ geurteilt, dass eine Wohnsitzauflage für Personen mit subsidiären Schutzstatus nur unter engen Grenzen zulässig ist (C-443/14; C-444/14). Geklagt hatten zwei Syrer, die bereits 1998 bzw. 2001 nach Deutschland gekommen waren und dort einen subsidiären Schutzstatus hatten. Dieser war mit einer Wohnsitzauflage verbunden worden. Dagegen hatten sich die zwei Syrer gerichtlich gewehrt. Das Bundesverwaltungsgericht legte dem EuGH nun diese Konstellation vor, mit der Frage, ob eine Wohnsitzauflage überhaupt eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit darstelle und wenn dem so sei, ob dies aus Gründen der angemessenen Verteilung öffentlicher Soziallasten oder migrations- und integrationspolitischen Gründen gerechtfertigt sei.

Die Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) regelt in Art. 20 Abs. 2, dass Flüchtlingen und Personen, die subsidiären Schutz erhalten, grundsätzlich die gleichen Rechte zustehen. Subsidiärer Schutz wird einem Drittstaatsangehörigen dann verliehen, wenn er zwar nicht als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt wird, aber aus ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gründen internationalen Schutz benötigt. In Artikel 33 ist darüber hinaus geregelt, dass Perso- nen, denen internationaler Schutz zugestanden wurde, die Bewegungsfreiheit unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten, zugestanden wird. Zudem gewährt Art. 29 der Richtlinie Personen mit sub- sidiärem Schutz einen Anspruch auf gleichberechtigten Zugang zu Sozialhilfe. In Deutschland wird ein subsidiärer Schutzstatus dann mit einer Wohnsitzauflage verbunden, wenn die geschützte Person Sozialhilfe bezieht. Begründet wird dies mit der angemessenen Verteilung der mit der Gewährung der sozialen Leistungen verbundenen Lasten auf die zuständigen Träger. Zudem könne eine Wohnsitzauflage die Integration von Nicht-EU-Bürgern in die deutsche Gesellschaft erleichtert werden, indem etwa die Entstehung sozialer Brennpunkte vermieden würde. Der EuGH stellte in seinem Urteil fest, dass die Richtlinie in Artikel 33 die Mitgliedstaaten verpflichte, den Personen, denen sie den subsidiären Schutzstatus zuerkannt haben, nicht nur zu gestatten sich in ihrem Hoheitsgebiet frei zu bewegen, sondern auch dort ihren Wohnsitz zu wählen. Eine Wohnsitzauflage stelle dementsprechend eine Einschränkung, der durch die Richtlinie gewährleisteten Freizügigkeit dar. Eine Einschränkung sei grundsätzlich nur unter den gleichen Bedingungen möglich, wie sie auch anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig in dem jeweiligen Mitgliedstaat aufhielten, auferlegt würden. In Deutschland würde allen Drittstaatsangehörigen, die aus humanitären, politischen und völkerrechtlichen Gründen aufenthaltsberechtigt sind, Sozialhilfe nur unter Erteilung einer Wohnsitzauflage gewährt werden. Ausgenommen seien lediglich Flüchtlinge, so der EuGH.

Art. 29 würde für die Gewährung von Sozialhilfe wiederum bestimmen, dass Personen, die internationalen Schutz erhielten, den gleichen Zugang erhalten müssten wie Angehörige des jeweiligen Mitgliedstaats. Die hier vorliegende Ungleichbehandlung von Personen mit subsidiären Schutz auf der einen Seite und Flüchtlingen, Drittstaatsangehörigen, deren Aufenthaltstitel sich aus anderen als humanitären, politischen oder völkerrechtlichen Gründen ergebe, und eigenen Staatsbürgern auf der anderen Seite sei nur gerechtfertigt, wenn sie sich hinsichtlich des mit der Regelung verfolgten Ziels nicht in einer objektiv vergleichbaren Situation befinden. Zwar könne es durch Ortsveränderung und eine ungleiche Konzentration zu einer unangemessenen Verteilung der mit den Leistungen verbun- denen finanziellen Lasten auf die jeweiligen Träger kommen, insoweit stelle allerdings die Eigenschaft als subsidiärer Schutzberechtigter keinen relevanten Umstand dar. Eine Einschränkung durch die Wohnsitzauflage  allein  für  subsidiär  Geschützte sei unter diesen Umständen nicht gerechtfertigt. Bezüglich der Rechtfertigung einer Wohnsitzauflage aus integrationspolitischen Gründen stellt der EuGH fest, dass Art. 29 insoweit nicht einschlägig  sei, die  Situation von subsidiär Geschützten und deutschen Staatsangehörigen hinsichtlich des Ziels der Integration von Drittstaatsangehörigen nicht vergleichbar sei. Entscheidend sei somit, ob sich eine Person mit subsidiärem Schutzstatus hinsichtlich des verfolgten Ziels der Integration in einer Situation befindet, die mit der Situation von anderen Drittstaatsangehörigen objektiv vergleich- bar ist. Für das Bundesverwaltungsgericht stelle sich dementsprechend die Frage, ob Personen mit subsidiärem Schutzstatus, die Sozialhilfe beziehen, in stärkerem Maß mit Integrationsschwierigkeiten konfrontiert sein werden als andere Nicht-EU-Bürger, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten und Sozialhilfe beziehen. Dies könne etwa dann der Fall sein, wenn die Bedingung, unter der ein Drittstaatsangehöriger Sozialhilfe erhalten könne, einen ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt von gewisser Dauer voraussetze, der darauf hindeute, dass der Betreffende hinreichend integriert sei.

Das Urteil des EuGH finden Sie unter:
http://ekd.be/EuGH_Urteil_Wohnsitzauflage



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