Kommission rügt Außengrenzenschutz in Griechenland

(Nicoletta Backhaus)

Am 12. Februar 2016 hat der Ministerrat Empfehlungen angenommen, um den schwerwiegenden Mängeln beim Management der Schengen-Außengrenzen in Griechenland abzuhelfen. Die Empfehlungen beruhen auf dem Schengen-Evaluierungsbericht der Europäischen Kommission, den diese am 03. Februar 2016 angenommen hatte. Die Kommission hatte im Rahmen des Schengen-Evaluierungsmechanismus eine Inspektion der EU-Außengrenzen in Griechenland vom 10. bis zum 13. November 2015 durchgeführt, die in Schengen-Ländern innerhalb eines alljährlichen und eines mehrjährigen Programms in unangekündigter oder angekündigter Form stattfinden. Der hieraus entstandene Bericht attestiert Griechenland schwerwiegende Mängel beim Grenzschutz. Beispielsweise würden die Reisedokumente sowie Fingerabdrücke der Ankommenden weder systematisch erfasst noch auf Echtheit geprüft und mit Datenbanken wie dem Schengener Informationssystem (SiS), Interpol oder nationalen Datenbanken abgeglichen.

Der griechische Staat hat nun drei Monate Zeit, um die 50 Empfehlungen zur Verbesserung von Registrierungs- und Grenzkontrollverfahren, Risikoanalysen, humanen Ressourcen und Ausbildung, Infrastruktur und internationaler Kooperation Folge zu leisten – oder die bereits vorübergehenden Grenzkontrollen könnten nach Art. 26 des Schengener Grenzkodexes für die nächsten zwei Jahre von Dauer werden.

Seit der große Zustrom von Schutzsuchenden die EU-Mitglieder vor große scheinbar überwältigende Aufgaben stellt, stehen die Grundpfeiler des Schengen-Abkommens auf dem Spiel. Vor allem richten sich die misstrauischen Blicke auf das Ankunftsland Griechenland, das seine Grenzen nicht angemessen schütze. Seit dem Spätsommer 2015 sind die Stimmen immer lauter geworden, die Griechenland übel nehmen, dass es die laut UN-Angaben über 850.000 Schutzsuchenden, die im Jahr 2015 auf dem Seeweg ankamen, größten Teils ohne gründliche Registrierung über den Balkan nach Norden reisen ließ. Denn so konnte die Krise Deutschland, Österreich und andere Länder erreichen.

Schon seit Mitte September 2015 führen sechs EU-Staaten Grenzkontrollen an verschiedenen Grenzpunkten durch, u. a. Deutschland. Der Schengener Grenzkodex sieht diese Möglichkeit aufgrund unvorhergesehener Umstände für einen Zeitraum von zwei Monaten vor, wenn in einem Mitgliedstaat die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit ernsthaft bedroht ist. Darüber hinaus kann aufgrund vorhergesehener Umstände und bei vorheriger Mitteilung die Kontrolle von Binnengrenzen für sechs Monate aufrechterhalten werden.

Über den Zeitraum von acht Monaten ist eine Aufrechterhaltung der Grenzkontrollen nur unter außergewöhnlichen Umständen und als letztes Mittel zum Schutz der gemeinsamen Interessen im Schengenraum möglich. Um das hierfür notwendige Verfahren nach Art. 26 des Schengener Grenzkodex auszulösen, war die Annahme der Empfehlung der Kommission durch den Rat am 12. Februar 2016 notwendig.

Sollte Griechenland die von der Kommission festgestellten Mängel nicht innerhalb der nächsten drei Monate abstellen, kann die Kommission nach Art.

26 des Schengener Grenzkodex die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen eines oder mehrerer Mitgliedsstaaten für die Dauer von bis zu sechs Monaten vorschlagen. Dafür muss das Funktionieren des Raums ohne Kontrollen an den Binnengrenzen insgesamt gefährdet sein. Der Rat muss dann den Kommissionsvorschlag annehmen. Eine Verlängerung ist bis zu einer Höchstdauer von 2 Jahren möglich.

Die Probleme Griechenlands beim Außengrenzschutz sind jedoch nicht neu. Griechenland hatte in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass es durch das Dublin-System, das als Hauptkriterium für die Zuständigkeit von Asylanträgen den Ort des illegalen Grenzübertritts vorsieht, gemeinsam mit Italien unverhältnismäßig mit der Aufnahme von Flüchtlingen belastet sei. Die Überforderung mit über 850.000 Schutzsuchenden ist bei einem Land mit 11 Millionen Einwohnern, das immer noch mit der Wirtschaftskrise zu kämpfen hat, nicht überraschend.

Unmut erregte allerdings, dass Griechenland trotz der Zustände an seinen Grenzen die lange angebotene Hilfe in Form des EU-Katastrophenschutzverfahren erst nach erheblichem Druck im Dezember 2015 anforderte. Dabei hatte der Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, Dimitris Avramopoulos, schon im August 2015 in einer Rede vor der Kommission seine Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass Griechenland, wie Ungarn, Serbien und Slowenien zuvor, zur Bewältigung der Situation das Verfahren in Anspruch nehmen würde. Im seinem Rahmen können verschiedene Sachleistungen wie Module (Teams und Ausrüstung), Zelte, medizinische Versorgung und sonstige Hilfsgüter sowie Fachwissen mobilisiert werden. Über die Möglichkeiten des Verfahrens hinaus hat Griechen- land auch um die Entsendung eines Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke gebeten, das unmittelbare Unterstützung beim Grenzschutz an der Außengrenze auf den Ägäischen Inseln leisten soll.

Doch schon rein rechtlich ist der Ausschluss eines Staates aus dem Schengen-Raum nicht möglich. Dies ist im Schengengrenzkodex nicht vorgesehen. Der zumindest faktische Ausschluss, in dem die angrenzenden Mitgliedstaaten ihre Grenzen schließen, dürfte auch an den rechtlichen Möglichkeiten scheitern. Denn der Grenzkodex spricht immer nur von der Kontrolle von Binnengrenzen oder deren Abschnitten.

Darüber hinaus zeigen auch die jüngsten Zahlen, dass sich etwas in Griechenland tut. Im Januar 2016 registrierte Griechenland immerhin schon 78 Prozent der Ankommenden, was eine deutliche Steigerung ist. Im September 2015 waren es nur 8 % der Ankommenden. Sollte dieser Trend anhalten, dürfte sich die Frage stellen, welche Mängel man Griechenland am Ende vorwerfen könnte, um Art. 26 zu nutzen. Die Achtung der völker- und europarechtlichen Verpflichtung, Schutzsuchenden die Möglichkeit zu geben an den eigenen Außengrenzen Asylanträge zu stellen, wohl kaum. Auf der anderen Seite bleiben die europäischen Partner ihre Zusagen schuldig. Die Umsiedlung von 66 400 Personen aus Griechenland in andere EU-Mitgliedsstaaten läuft mehr als schleppend an. Bisher sind 937 Schutzsuchende von anderen Mitgliedsstaaten aufgenommen worden.

Die jüngsten Bestrebungen der Länder auf dem Balkan sowie Ungarns und Österreichs, ihre Grenzen entweder durch Zäune, Tagesobergrenzen oder mit verstärkten Kontrollen zu schließen, haben den Druck auf Griechenland erhöht und die Schutzsuchenden in eine ausweglose Lage gebracht. Wenige Tage nach der Schließung der Grenze Mazedoniens zu Griechenland setzte dort die Armee Tränengas gegen Flüchtlinge ein, die versuchten die Grenze zu überwinden. Bleiben die Grenzen weiter geschlossen, würde dies Griechenland in eine humanitäre Katastrophe zu stürzen würde.

Den vom Rat bewilligten Entwurf der Kommission für Maßnahmen in Griechenland finden Sie hier:
http://ekd.be/EC_Kritik_Aussengrenzenschutz_GR



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