Der Bevollmächtigte des Rates der EKD

Europa-Informationen Nr. 128

Nach dem NATO-Gipfel: Perspektiveneiner gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik

(OKR’in Katrin Hatzinger / Patrick R. Schnabel)

Am 3.-4. April 2009 traten die Staats- oder Regierungschefs der NATO-Mitgliedstaaten zu einem besonderen Gipfel zusammen: Zum einen galt es, das 60-jährige Jubiläum der Allianz zu feiern, zum anderen konnte die seit 1966 ruhende Einbindung Frankreichs in die Kommando-Strukturen des Bündnisses wieder hergestellt werden. Doch auch inhaltlich stand einiges auf der Agenda: Formell ging es um Themen wie das Verhältnis zu Russland, den Kampf gegen den internationalen Terrorismus und Proliferation, informell darum, die in den letzten Jahren nicht immer ganz harmoni-schen Beziehungen zwischen USA und Europäern zu glätten und einen Konsens über eine gemeinsame Strategie herzustellen.

All dies, insbesondere aber die Rückkehr Frankreichs an die Verhandlungstische der transatlantischen Organisation – an den Militäraktionen waren die Franzosen ja ohnehin beteiligt – ist auch für die EU von Bedeutung. In den letzten Jahren hat sich die Europäische Union zunehmend als Akteur im Bereich militärischer, polizeilicher und ziviler Auslandseinsätze in Krisengebieten profi-liert, mal mit, mal neben, mal ohne die NATO.

Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik – meist kurz ESVP genannt – ist Teil der so genannten Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Politikfelder der sogenannten Zweiten Säule der EU. Sie sind nicht in die Kompetenz der EU überführt, sondern werden von den Mitgliedstaaten in eigener Verantwortung multilateral abgestimmt. Deshalb gibt es hier auch ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten und der verschiedenen Beteiligungsgrade. Rahmenbestimmungen für die intergouvernementale Zu-sammenarbeit sollen allerdings verstärkt gesamt-europäisch vereinbart werden. Deshalb ist der Teil über die ESVP im Vertrag von Lissabon deutlich länger als noch jetzt unter den Vorschriften von „Nizza“.

Wegen dieser Bestimmungen sieht sich der Vertrag gelegentlich – z.B. in der „Nein“-Kampagne im neutralen Irland – dem Vorwurf ausgesetzt, er bewirke eine Militarisierung Europas. Angemessener formuliert ist hingegen, dass er einen Rechtsrahmen für eine Europäisierung des Militärs liefert. Mit Blick auf die Integration der Mitglied-staaten in eine immer engere politische Union ist dieser Schritt nur folgerichtig. Mittlerweile fordert das Europäische Parlament ganz offiziell eine integrierte Europäische Streitmacht – wie auch ein Ziviles Friedenskorps der Gemeinschaft.

Diese Entwicklung ist auch nichts Neues, sondern Teil des Erbes des Europäischen Einigungswerkes. Die Europäischen Gemeinschaften sind als das weltgrößte Friedensprojekt begonnen worden. Eine starke wirtschaftliche Vernetzung Europas – und insbesondere der Kernländer Deutschland und Frankreich – sollte Kriege unmöglich machen. Hinzu kommen sollte von Anfang an die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, doch Frankreich ratifizierte diese Verträge nicht. Stattdessen kam es zur Westeuropäischen Union, einer verschlankten Variante, die erst mit dem Vertrag von Maastricht 1992 – bis auf gewisse grundständige Funktionen – in die ESVP integriert wurde. Für das, was sie nicht leisten konnte, hatten die meisten der Mitgliedstaaten die NATO, von deren Existenz letztlich auch die Nicht-Mitglieder profitierten.

Die ESVP steht damit auch institutionell in der Tradition dieser Europäisierung der Verteidigungsaufgaben. Wenn in den 50er Jahren die Ausgangsmaxime war, dass die Nationalstaaten nicht allein ihre Militärpolitik gestalten sollen, lautet sie heute eher, dass sie sie nicht mehr allein gestalten können. Für die innereuropäische Friedensaufgabe macht das freilich keinen Unterschied. Je stärker die nationalen Streitkräfte in europäische Strukturen eingebunden werden – angefangen bei der Beschaffung von Rüstungsgütern, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit bewaffneter innereuropäischer Auseinandersetzungen. Dass uns dieses Szenario heute so absurd erscheint, ist auch eine Leistung der europäischen Integration. Heute gilt es, diese unter veränderten Rahmenbedingungen fortzuführen.

Die zunehmende Zahl von EU-Einsätzen, die Rückkehr Frankreichs in die aktive NATO-Politik, das offensive Werben des neuen US-Präsidenten um eine aktivere Beteiligung der Partner bei „weltpolizeilichen“ Aufgaben – das alles zeigt, dass sich Europa sicherheitspolitisch neu orientieren will und muss. War zur Zeit der Blockbildung die Sicherheitsarchitektur stabil, wirkt sie derzeit unfertig, ungelöst, oft unbefriedigend. Die Akteure reiben sich noch aneinander – denn ganz spannungsfrei sind die Beziehungen zwischen EU und NATO auch nicht immer gewesen, selbst wenn 21 der 27 EU-Mitgliedstaaten NATO-Mitglieder sind. Notwendig sind verstärkte Absprachen und konkretere Vereinbarungen zur Arbeitsteilung zwischen allen internationalen Akteuren. Derzeit gibt es viele Dopplungen, die Einbußen an Effektivität und unnötige Mehrkosten verursachen. Hier besteht weiterer Handlungsbedarf. Dies wurde jüngst auch vom Europäischen Parlament in einem Initiativbericht zum Verhältnis von EU und NATO gefordert.

Die Chancen für eine verbesserte Zusammenarbeit stehen derzeit sehr gut. Der neue amerikanische Präsident hat einen Kurswechsel angekündigt. Die amerikanische Außenpolitik soll kooperativer werden – nach innen und nach außen. Obama will alle an einen Tisch holen, angefangen von der Opposition daheim bis hin zu bislang verfeindeten Staaten. Diplomatie ohne Vorbedingungen heißt das im Obama-Biden-Plan, was jedoch nicht Kommunikation um der Kommunikation willen bedeutet. Verantwortung vor Ort stärken lautet vielmehr die Devise. Ein Beispiel dafür ist die Afghanistan-Strategie. Die zivilen Hilfen für das Land sollen erhöht werden, die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern, allen voran Pakistan, intensiviert und die Truppenanzahl vor Ort ausgebaut werden. Deutschland wird zusätzlich zum bisherigen Truppenkontingent weitere 600 Soldaten der Bundeswehr zu den Wahlen im August nach Afghanistan entsenden. Bedeutsam aus kirchlicher Sicht ist in diesem Zusammenhang, der Aufruf Obamas „For a nuclear weapons free world“. Hier besteht die Chance für die Kirchen, sich für die Abrüstung von Atomwaffen zu engagieren. ÖRK, KEK und Ame-rikanische Kirchen planen schon jetzt, diese Chance zu nutzen und haben die NATO-Staaten anlässlich ihres Gipfels aufgefordert, die atomare Abrüstung entschieden voranzutreiben.

Neben EU, Westeuropäischer Union und NATO gehören auch die OSZE und nicht zuletzt die Vereinten Nationen zum komplexen Geflecht der europäischen Sicherheitsarchitektur, in dem die EU auf absehbare Zeit nur ein Baustein bleiben wird. Wer diese Sicherheitsarchitektur verstehen will, darf aber nicht nur die Organisationen betrachten, sondern muss zunächst von ihren Mit-gliedern ausgehen. Denn die europäischen Staaten bilden in diesem Bereich einen Flickenteppich sehr unterschiedlicher Akteure mit unterschiedlicher Geschichte und unterschiedlichen Anliegen. Diesen „Flickenteppich“ muss man sich immer wieder vor Augen führen – denn auch unter den Regeln der Vertrages von Lissabon wird die Verteidigungspolitik in nationaler Kompetenz verbleiben. Deshalb wird auch die parlamentarische Kontrolle durch das Europäische Parlament in diesem Bereich vorerst gering bleiben. Das bleibt ein großes Manko. Doch es fällt den Mitgliedstaaten sichtlich schwer, einen derart sensiblen Bereich zu vergemeinschaften. Die parlamentarische Kontrolle militärischer Einsätze durch nationale Parlamente bleibt auch nach dem Modell des Reformvertrages erhalten. Daher ist es eine unumgängliche Forderung nicht an Brüssel, sondern an Berlin, den Deutschen Bundestag regelmäßig und ausführlich über die sicherheitspolitischen Entwicklungen zu informieren, so dass es hier zu keinen bösen Überraschungen kommen kann. Die Zustimmung zu einem Militäreinsatz muss mehr bleiben als ein Formalakt – die Diskussion ist und bleibt unverzichtbar, wenn wir die Entscheidung über Krieg und Frieden nicht faktisch doch in die Hand der Exekutive legen wollen. Hinzu kommt die grundsätzliche Frage, ob es einer zusätzlichen europäischen Komponente bedarf, oder ob nicht die UN als übergreifende und die NATO und andere regionale Sicherheitsbündnisse als untergeordnete Kräfte ausreichend wären.

Es bedarf einer internationalen Sicherheitsarchi-tektur, die gleichzeitig global und regional denkt. Die Europäer geraten immer mehr unter – berechtigten – Erklärungsdruck, warum das transatlantische Bündnis eingreifen soll, wenn es nicht um einen Bündnisfall geht, sondern um den Umgang mit Konflikten im unmittelbaren geographischen Umfeld der EU. Dazu kommt, dass die EU auf-grund ihrer eigenen Entstehungsgeschichte wie keine andere Organisation von Staaten dazu in der Lage ist, auf dem internationalen Parkett entschieden für den Vorrang ziviler Lösungen einzu-treten. Die EU darf nicht nur Vorbild sein, sie muss aktiv helfen, das Zusammenwachsen anderer Regionen zu befördern. Der Aufbau von Zivilgesellschaften, die Aussöhnung ehemals verfeindeter Völker, die Schulung im politischen Kompromiss sind ihre eigentlichen „Exportschlager“. Die EU hat damit ein Instrumentarium an der Hand, das, wenn es wirklich Nachahmung findet, Konflikte verhindern kann. Die EU ist diejenige Kraft, die dafür einstehen kann, dass eine militärische Komponente niemals die Problemlösung ist, sondern die zivile Konfliktbearbeitung mit quasipolizeilichen Mitteln unterstützt werden muss. Der Vorrang des Zivilen muss das Proprium europäi-scher Außen- und Sicherheitspolitik bleiben.

Tatsächlich überwiegen die zivilen Maßnahmen die militärischen deutlich (erste und zweite Säule der EU zusammen genommen):
-  Von 22 Missionen der ESVP waren 16 zivil,
-  das Finanzbudget für die zivilen überwog dabei das für die von allen Mitgliedstaaten (außer Dänemark) über den Athena-Schlüssel finanzierten Ausgaben für EU-Militärmissionen auf das Jahr umgerechnet um mehr als das Doppelte,
- hinzu kommen noch die Ausgaben für humanitäre Hilfe der GD Echo, den Europäischen Entwicklungsfond, verschiedene Instrumente wie das Stabilitätsinstrument, das Instrument für Entwicklungszusammenarbeit, das Europäisches Instrument für Demokratie und Men-schenrechte, die Europäische Nachbarschaftspolitik, die finanzielle Unterstützung Palästinas, des Friedensprozesses und des UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East), die Hilfen für Beitrittskandidaten und andere.

Auf der rein mitgliedstaatlichen Ebene steht dem freilich das Ungleichgewicht von 200 Milliarden Euro Rüstungsausgaben gegen 46 Milliarden Euro Entwicklungshilfeausgaben gegenüber (EU Mittel sind auf beiden Seiten einberechnet). Kritisch zu hinterfragen sind auch Bestrebungen der EU, mehr Kohärenz im Bereich der Entwicklungs-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu erreichen. Das ist für menschliche Sicherheit dann förderlich, wenn es dazu dient, dass die EU und ihre Mit-gliedstaaten ihre Bemühungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit in einer glaubwür-digen, transparenten und kohärenten Weise an die europäischen und nationalen Friedens- und Si-cherheitspolitiken anbinden. Es darf aber nicht bedeuten, dass Entwicklungszusammenarbeit allein in den Dienst geopolitischer Interessen gestellt wird. Insofern muss es gerade im Sinne derer sein, die die ESVP im Kern als Friedensin-strument betrachten, ihren Ausbau positiv mitzu-gestalten. Wenn wir dieser Tage lesen, dass in den vergangenen zwei Monaten in Afghanistan mehr Zivilisten durch westliche Militäreinsätze als durch Attentate der Taliban ihr Leben verloren haben, dann ist das noch einmal ein Warnsignal, das nicht überhört werden darf. Es ist eine Aufga-be gerade der Kirchen, dieses Signal zu verstärken und die Diskussion über die Alternativen anzusto-ßen – nicht nur abstrakt, sondern gespeist aus der Expertise, die sie in diesem Bereich erworben haben.

Auch im Hinblick auf die Regelungen im Vertrag von Lissabon, also im Primärrecht, sind kritische Nachfragen von kirchlicher Seite angebracht. Da ist zum einen die Bestimmung aus Art. 42 III, die besagt, dass die Mitgliedstaaten sich verpflichten, „ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“ Das war einer der Anknüpfungspunk-te der Anti-Lissabon-Kampagne in Irland und wird auch in der Friedensbewegung kritisch gesehen. Es ist in der Tat bedauerlich, dass – obwohl diese Kritik schon in der Debatte um den Verfassungs-vertrag laut geworden war – diese Formulierung im Reformvertrag nicht präzisiert worden ist. Die Verbesserung der militärischen Fähigkeiten kann aber auch effektiv Abrüstung bewirken. In einem sind sich nämlich alle Experten einig: Europas Militär ist zu kostenintensiv und dabei auch noch zu schlecht aufgestellt. Die zwei neuen Richtlinien zur Vergemeinschaftung des Rüstungsmarktes sind Teil einer Reihe von Initiativen, um schlech-tes Wirtschaften zu vermeiden. Diesem Ziel dient insbesondere die Europäische Verteidigungsagen-tur (EDA).

Die EDA ist zugleich aber der andere oft aus Frie-denssicht am Vertrag von Lissabon kritisierte Aspekt. Ob sie Vertragsgegenstand sein muss, ist tatsächlich fraglich – zumal, wenn gleichzeitig so wenig Konkretes über die an sich vorrangige zivile Konfliktprävention gesagt wird. Dies hätte man bereits nach der Kritik am Verfassungsvertrag besser verändern sollen. Dennoch ist auch die Verteidigungsagentur in ihrer derzeitigen Ausges-taltung ein sinnvolles Instrument. Sie hat zur Aufgabe, Schneisen in den Dschungel national-staatlicher Verteidigungsvorbehalte zu schlagen und Wege aufzuzeigen, wie durch Koordination und Kooperation Einsatzfähigkeit verbessert werden kann. Auch das kann (und soll) Kosten sparen. Wenn Europas Staaten auch militärisch zusammen arbeiten wollen – und dabei ist es ganz gleich, ob in der ersten oder der zweiten Säule – dann braucht es auch gemeinsame Standards. Solche, und wo möglich gemeinsame Beschaffung, erhöht die Sicherheit der Soldaten und spart Steu-ergelder in Milliardenhöhe. Dazu gehört auch, dass Rüstungspolitik nicht mehr eine willkommene Möglichkeit sein darf, heimische Industrien zu fördern ohne sich mit Subventionsrecht herum-schlagen zu müssen. Die beiden neuen Rüstungs-marktrichtlinien sollen diesem Missbrauch der Schutzklausel ein Ende machen und einen wirkli-chen Wettbewerb herstellen.

Beides – die Verbesserung der operativen Fähig-keit und die Koordinierung des Rüstungsmarktes sind nicht grundsätzlich abzulehnen. Die einge-sparten Gelder dürfen jedoch nicht einfach im allgemeinen Steuertopf verschwinden, sondern müssen weiter für Konfliktbearbeitung, also Prä-vention, Beilegung und Nachsorge zur Verfügung gestellt werden. Die bestehenden Instrumente der Konfliktbearbeitung brauchen dringend mehr Geld. Vor allem muss es denen leichter zugänglich gemacht werden, die vor Ort die effektivste Arbeit leisten: den Nichtregierungsorganisationen. Sie haben das Vertrauen der Betroffenen, erreichen dadurch die Beteiligung lokaler Akteure, sie brin-gen Know-How mit und können Projektbetreuung über längere Zeiträume gewährleisten. Sie brau-chen aber Ressourcen, sie brauchen Schutz und oft genug brauchen sie vor allem Freiräume und Vertrauen. Das Zivile ist in Krisenregionen nicht so gut zu organisieren wie das Militärische. Das ernstgemeinte Bekenntnis zu seinem Vorrang muss daher von einem Vertrauensvorschuss be-gleitet sein. Die Kirchen dürfen deshalb in ihren Forderungen nicht nachlassen, dass der zivile Aspekt ebenso stetig verbessert wird wie der mili-tärische.

Zusätzlich braucht es die kompetente institutionel-le Betreuung. Ein Beispiel dafür ist die „Peace Building Partnership“ der EU – Teil des Stabili-tätsinstruments und angesiedelt in der DG RE-LEX. Die Peace Building Partnership dient dem Aufbau von Kapazitäten zur Lösung internationa-ler Konflikte, z. B. durch Trainingsangebote, aber insbesondere durch die Bereitstellung von EU-Geldern.

Zuletzt hat sich Friedensnobelpreisträger Matti Ahtisaari für eine „Friedensagentur“ ausgespro-chen, die einen ähnlich hervorgehobenen Platz erhalten soll, wie die Verteidigungsagentur. Eine solche „institutionelle“ Lösung ist aber schwierig. Agenturen sind zwar in Brüssel derzeit beliebt, aber nicht immer die effektivste Lösung. Das Europäische Parlament, auch der Deutsche Bun-destag, sehen den Trend zur „Auslagerung“ von EU-Aufgaben in Agenturen kritisch. Es bestehe die Gefahr der Unübersichtlichkeit und schließlich auch der Unkontrollierbarkeit etwa hinsichtlich des Kostenmanagements und der Stellenbeset-zung. Zudem wäre eine zentrale Agentur im Zwei-felsfall fernab vom eigentlichen Geschehen und den eigentlichen Entscheidungsprozessen. Ein wesentlich mehr Erfolge versprechender Ansatz ist, Fachleute in ziviler Konfliktbearbeitung als embedded experts in die strategischen Entschei-dungsgremien und Missionsleitungen zu berufen und zu verlangen, dass jede Maßnahme und Missi-on der GASP und der ESVP dieses Element expli-zit enthalten muss.

Daher ist es ein wichtiger Schritt, dass – übrigens schon 2005 – beim EU-Militärstab (der Teil des Generalsekretariats des Hohen Vertreters ist und zuständig für die Frühwarnung, Lagebeurteilung und strategische Planung) eine zivil-militärische Planungszelle eingerichtet wurde, die Sachkompe-tenz aus beiden Bereichen bündeln soll. Dem entspricht der noch weitergehende Beschluss des Europäischen Rates vom Dezember 2008, das zivile und militärische Krisenmanagement der EU be-reits auf der strategischen Planungsebene zu integrieren. Dazu soll es ein neues „Crisis Mana-gement and Planning Directorate“ (CMPD) beim Rat geben. Es wird ein entscheidendes Signal sein, wie dieses Direktorat personell und strukturell aufgebaut ist: Wird dieser Aufbau das Übergewicht ziviler Mission in der ESVP und den vertraglich abgesicherten Vorrang des Zivilen in der EU-Außenpolitik widerspiegeln? Das CMPD darf nicht die zivile Dimension so in die militärische integrie-ren, dass sie unkenntlich wird. Es muss vielmehr zu dem europäischen Kompetenzzentrum für zivile Konfliktbearbeitung ausgebaut werden. Europa hat die Chance, zu beweisen, dass zivile Konfliktlösung günstiger und nachhaltiger sind als militärische – ohne deren flankierende Maßnahmen grundsätzlich im vorhinein auszuschließen. Diesem Ziel muss die Integration beider Dimensionen in ESVP und GASP dienen.

Die Schlusserklärungen zum NATO-Gipfel können Sie hier nachlesen:
http://www.nato.int/cps/en/natolive/news_52845.htm

Den Brief der Kirchen finden Sie unter:
http://www.oikoumene.org/?id=6723



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