Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel

Belgische Ratspräsidentschaft: Europa muss wieder Selbstvertrauen gewinnen

(OKR'in Katrin Hatzinger)

 

Zum 1. Juli 2010 hat Belgien, das sich nach dem Rücktritt der Regierung im April und den Neuwahlen im Juni inmitten einer Phase schwierige Regierungsbildung befindet, von Spanien die Präsidentschaft der Europäischen Union übernommen. Bis zur Ernennung seines Nachfolgers führt der abgewählte Premierminister Yves Leterme die Regierungsgeschäfte und übernimmt damit auch den EU-Vorsitz. Trotz der innenpolitischen Krise geben sich die Belgier zuversichtlich, ihr Programm für die kommenden sechs Monate plangemäß abarbeiten zu können. Belgien hat sein Präsidentschaftsprogramm im Wege der sog. Triopräsidentschaft eng mit Spanien und Ungarn, das ab 2011 am Ruder sein wird, abgestimmt.

 

Angesichts der Herausforderungen durch die Finanz- und Wirtschaftskrise, den Klimawandel und die demographische Entwicklung plädiert das EU-Gründungsland in dem Programm seiner 12. Präsidentschaft für ein Europa, „das stärker, vereinter und entschlossener ist, das bestrebt ist, sein Gesellschaftsmodell und seinen Wohlstand zu garantieren und weiterzuentwickeln und die Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen den Regionen zu reduzieren.“ „Wir brauchen mehr Europa“, unterstrich der amtierende Premierminister Leterme bei der Vorstellung des Programms. Europa müsse wieder Selbstvertrauen gewinnen. Um das zu erreichen, haben sich die Belgier fünf Schwerpunkte gesetzt:

 

1.     Dauerhaftes Wirtschaftswachstum

2.     Stärkung des sozialen Zusammenhalts

3.     Verbesserung des Umwelt- und Klimaschutzes

4.     Europa als Raum der Freiheit der Sicherheit und des Rechts

5.     Die internationale Rolle der EU

 

So will man sich um die Schaffung einer neuen Struktur zur Regulierung und Überwachung des Finanzsektors kümmern, und die Kommission bei ihren Vorhaben unterstützen, neue Instrumente zur Krisenvorbeugung und -lösung zu etablieren. Die belgische Präsidentschaft will sich insbesondere auf die Frage nach mehr Arbeitsplätzen konzentrieren und Europas Innovationsfähigkeit stärken. Die Folgen der wirtschaftlichen Umstrukturierungen, der Kampf gegen die Diskriminierung am Arbeitsplatz, sowie die Förderung gleicher Bezahlung von Frauen und Männern verdienten ebenfalls Beachtung.

 

Auf dem Herbstgipfel des Europäischen Rates wird Ratspräsident Herman van Rompuy die Ergebnisse einer Task Force zur europäischen Wirtschaftsregierung vorstellen. Der belgische Ratsvorsitz spricht sich klar für eine verbesserte wirtschaftspolitische Koordinierung aus, sonst bliebe die Währungsunion ein Risiko. Dementsprechend wird er sich für eine zügige Konkretisierung der Vorschläge von Task Force und Kommission zur Wiederherstellung der Haushaltsdisziplin, zur Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sowie zur wirtschaftlichen Governance stark machen.

 

Die Stärkung des sozialen Zusammenhalts soll insbesondere durch Umsetzung der Armutsbekämpfungsziele, die in der Strategie Europa 2020 vorgesehen sind, erreicht werden.

 

Im Umweltbereich will die Präsidentschaft darauf achten, konkrete Ergebnisse im Hinblick auf das Treffen zur Klimarahmenkonvention im November in Cancún zu erreichen. Die internationale Gemeinschaft müsse sich im Bereich der Senkung der Treibhausgasemissionen ambitionierte Ziele setzen und Verpflichtungen zu Gunsten der Entwicklungsländer eingehen. Die Präsidentschaft will den Wandel in Richtung einer grünen Wirtschaft vorantreiben und zieht dabei auch „eine Anpassung des Steuersystems in Betracht“, nähere Details dazu bleibt sie in ihrem Programm jedoch schuldig.

 

Als oberste Priorität im Bereich Justiz und Inneres nennt die belgische Ratspräsidentschaft die Schaffung der Grundlagen für ein gemeinsames europäisches Asylsystem bis 2012. Um das Stockholmer Programm umzusetzen, sollen die Möglichkeiten des Lissabon –Vertrages ausgeschöpft werden. Bezüglich der Prioritäten im Bereich der legalen Einwanderung streben die Belgier an, die Verhandlungen zur Rahmenrichtlinie abzuschließen und Fortschritte bei den Vorschlägen für Saisonarbeitnehmer und innerbetrieblich versetzte Arbeitnehmer zu erzielen. Bei der Bekämpfung der irregulären Einwanderung stehen die Rückübernahmeabkommen und die Rolle von Frontex auf der Tagesordnung. Im Justizbereich sollen Fortschritte bei der Anerkennung der Gerichtsurteile der Mitgliedstaaten sowie im Kampf gegen Menschenhandel erzielt und das Ziel eines allgemeinen Abkommens zum Datenschutz weiterverfolgt werden. In der Außenpolitik will man sich auf die Ausgestaltung des Europäischen Auswärtigen Dienstes konzentrieren. Daneben wird angestrebt, die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien in die letzte Phase zu überführen, die Verhandlungen mit der Türkei weiterzuführen und die Beitrittsgespräche mit Island zu beginnen.

 

Näheres unter:

http://www.eutrio.be  



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