Studie „Der neue kranke Mann Europas: Die Europäische Union“:

(Stefan Bernd)

Am 14. Mai 2013 stellte das Pew Research Center die Ergebnisse einer jährlichen Umfrage vor. Befragt wurden Bürger in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, Griechenland, Polen und Tschechien.

Eines der Ergebnisse der Studie war, dass die öffentliche Meinung zu zentralen politischen Fragen in Deutschland und Frankreich sich seit 2007 stark auseinander bewegt hat. Während Deutschland generell positiv in die Zukunft blickte (positive Einschätzung der wirtschaftlichen Situation und des Nutzens der EU für die Wirtschaft und generelle Unterstützung für die EU), sahen die Franzosen dies anders (schlechte Einschätzung der wirtschaftlichen Situation und des Nutzens der EU für die Wirtschaft, kritischere Einstellung gegenüber der EU). Mehr und mehr sieht die französische Bevölkerung ihre Situation weniger wie die Deutschen, sondern eher wie die Griechen oder die Spanier.

Im Folgenden werden die Ergebnisse der Studie genauer dargestellt. Die absoluten Angaben beziehen sich auf das Jahr 2013, die Veränderungen sind auf den Zeitraum 2012 bis 2013 zu sehen.

In allen befragten Ländern nahm die Anzahl der Menschen ab, die glauben, dass die europäische Integration ihre Wirtschaft stärkt. Besonders stark war die Abnahme in Frankreich (minus 14 Prozentpunkte), nur noch 22 Prozent der Menschen glauben hier an die positive Wirkung der europäischen Einigung auf die Wirtschaft. In Deutschland war die Abnahme weniger stark (minus 5 Prozentpunkte), jedoch glauben hier noch mehr als die Hälfte (54 Prozent) an die positiven wirtschaftlichen Wirkungen.

In allen Ländern sank die generelle Zustimmung zur EU, mit Ausnahme von Tschechien (hier eine Zunahme um 4 Prozentpunkte auf 38 Prozent). Besonders stark war die Abnahme in Frankreich und Spanien: minus 19 bzw. minus 14 Prozentpunkte in einem Jahr, so dass hier noch 41 Prozent bzw. 46 Prozent der Bürger hinter der EU stehen. Vorreiter ist Polen (68 Prozent Zustimmung zur EU), gefolgt von Deutschland mit 60 Prozent und Italien mit 58 Prozent.

Die wirtschaftliche Lage wird in Deutschland von drei Vierteln der Befragten für gut gehalten. In den übrigen befragten Ländern sagen dies nur zwischen 27 Prozent (Polen) und 1 Prozent (Griechenland).

In den 5 befragten Eurostaaten sprach sich eine starke Mehrheit dafür aus, den Euro zu behalten (Zustimmung je nach Land zwischen 63 Prozent und 69 Prozent).

Interessant war die Frage, ob die Briten für einen Austritt aus der EU stimmen würden: 46 Prozent würden zum Zeitpunkt der Befragung austreten, aber ebenso viele würden für einen Verbleib in der EU stimmen. Jüngere Befragte stimmten eher für einen Verbleib in der EU, die älteren Befragten bevorzugten den Austritt.
Die relativ hohe Zustimmung zum Verbleib in der EU ist überraschend, da in der gleichen Studie nur 43 Prozent der Briten eine positive Einstellung zur EU ausdrückten und nur 26 Prozent glaubten, dass die EU-Mitgliedschaft der britischen Wirtschaft nutze.

Mit Blick auf Deutschland ist interessant, dass hier 52 Prozent eine finanzielle Unterstützung ärmerer Mitgliedstaaten unterstützen würden und 45 Prozent dies ablehnen. Dieser Zustimmungswert ist um einiges höher als in Frankreich (Ja: 40 Prozent, Nein: 60 Prozent) oder Großbritannien (Ja: 37 Prozent, Nein: 57 Prozent).

Abschließend fragte die Studie auch nach den nationalen Stereotypen. Dabei schnitten die Deutschen im Bereich „Zuverlässigkeit“ gut ab: 7 der 8 Staaten halten Deutschland für die zuverlässigste Nation. Einzig Griechenland sah dies anders: Hier sah man sich selbst als am zuverlässigsten.

Gleichzeitig hält man die Deutschen für relativ arrogant (5 von 8 Staaten), wobei die Franzosen in dieser Bewertung auf dem 2. Platz stehen. Hier ist interessant, dass sowohl die Deutschen als auch die Franzosen selbst die Franzosen als die arroganteste Nation bezeichnen.

Einig sind sich alle Staaten jedoch in einem: Die „mitfühlendste“ Nationalität ist jeweils die eigene.

Die Autoren der Studie sehen aufgrund dieser Ergebnisse im Wesentlichen zwei Herausforderungen für die EU:
Die wirtschaftliche Lage verringert das Vertrauen der Bürger in die EU, insbesondere in den südlichen Ländern.
Dass sich die öffentlichen Meinungen in den Mitgliedsstaaten auseinander bewegen, macht es für die Politik schwieriger, gemeinsame Lösungen zu finden.

Die gesamte Studie finden Sie unter:

 



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