Vertrauen in Amerika – Auftakt der Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen

(Martin Kasperek)

Zwischen dem 8. und 12. Juli 2013 fand in Washington die erste Verhandlungsrunde für das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP = „Transatlantic Trade and Investment Partnership“) statt. Diese ersten Gespräche dienten dazu, die jeweiligen Positionen in der großen Anzahl der zu verhandelnden Themen auszuloten. In diesem Jahr sollen noch zwei weitere Verhandlungsrunden stattfinden, mit einem Abschluss der Gespräche und dem Inkrafttreten des Abkommens ist jedoch erst in einigen Jahren zu rechnen.

Die Gespräche wurden davon überschattet, dass Anfang Juni umfangreiche Überwachungsmaßnahmen der amerikanischen Geheimdienste bekannt geworden waren, von denen auch EU-Einrichtungen betroffen sein sollen. In der Folge stellten EU-Justizkommissarin Viviane Reding und Europaabgeordnete verschiedener Fraktionen TTIP in Frage. Das EU-Parlament beauftragte den Innenausschuss mit der Aufklärung der Überwachungsmaßnahmen, sprach sich aber nicht dafür aus, die Verhandlungen über TTIP auszusetzen, wie von den Fraktionen der Grünen und der Sozialdemokraten gefordert worden war.

Der allgemeine Nutzen eines zukünftigen Freihandelsabkommens wird hingegen weniger in Frage gestellt: Indem Zölle abgebaut oder Regelungen wie z.B. Hygiene- und Güterstandards angeglichen werden, soll für die Wirtschaft der EU ein jährliches Profit von 119 Mrd. Euro und für die der USA ein jährliches Profit von 95 Mrd. Euro entstehen, wie eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie des Londoner „Centre for Economic Policy Research“ besagt. Eine Studie des ifo-Instituts im Auftrag der Bertelsmann Stiftung prophezeit außerdem, dass durch TTIP das Pro-Kopf-Einkommen in der EU um fünf Prozent steige und viele hunderttausende Arbeitsplätze entstünden (in Deutschland rund 100.000). Mit TTIP erhofft man sich die Lösung ganz praktischer Probleme: Durch eine Liberalisierung des Dienstleistungssektors könnte eine europäische Fluglinie auch Inlandsflüge in den USA anbieten, so dass eine Maschine, die von Europa nach Los Angeles fliegt und einen Zwischenstopp in New York macht, dort zusätzliche Passagiere aufnehmen könnte und nicht leer weiterfliegen müsste.

Vor Beginn der Verhandlungen sorgten jedoch einzelne Themenbereiche für Streit und Proteste seitens der Europäer:
Im Bereich Lebensmittelsicherheit und Hygiene gibt es in den USA ein anderes Verständnis von Kontrolle und Nachhaltigkeit und es wird befürchtet, dass die europäischen Verbraucherstandards dem Abkommen zum Opfer fallen könnten. Jenseits des Atlantiks sind gentechnisch veränderter Mais, mit Chlor desinfizierte Hühnchen und geklonte oder mit Hormonen gefütterte Rinder und Schweine durchaus üblich. Die EU verspricht ihren Bürgern jedoch, dass über die strengen Vorschriften für Gesundheit, Tier- und Umweltschutz nicht verhandelt werde.

Ebenfalls Befürchtungen bestehen im Bereich Datenschutz: Mit der neuen Grundverordnung (siehe EKD-Europa-Informationen Nr. 141) möchte die Kommission hohe Datenschutz-Standards in der ganzen EU durchsetzen. Doch genau diese könnten in den TTIP-Verhandlungen als „Handelshindernisse“ gesehen werden. Bei Netzaktivisten besteht die Sorge, dass über TTIP durch die Hintertür ein neues „ACTA“ („Anti-Counterfeiting Trade Agreement“) geschaffen wird – jenes Anti-Piraterie-Abkommen, das nach internationalen Protesten und einem ablehnenden Votum des EU-Parlaments im Juli 2012 gescheitert war.

Mindestens ein großes Streitthema ist allerdings aus dem Mandat entfernt worden, das die Mitgliedsstaaten am 14. Juni der EU-Kommission für die Verhandlungen übertragen haben: So wird mit den Amerikanern nicht über den audiovisuellen Medien- und Kulturbereich einschließlich Musik und Online-Auswertungen verhandelt. Hier bestand vor allem die Angst, dass die Übermacht Hollywoods der europäischen Filmindustrie stark schaden könnte. Die Ausnahme in diesem Bereich ist vor allem der französischen Regierung mit ihrem Engagement für das Prinzip der „exception culturelle“ zu verdanken. Auch die EKD als Kulturträgerin mit ihrem starken Einsatz in Kultur und Medien hatte sich gemeinsam mit zahlreichen deutschen Kultur- und Medienschaffenden sowie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk dafür ausgesprochen, dass eine Ausnahmeklausel in das Verhandlungsmandat aufgenommen wird.

Die Kampagne „UNFAIRhandelbar“, an der sich 22 globalisierungskritische und Umweltschutzschutzorganisationen wie „Attac“, „BUND“ oder „NABU“ beteiligen, lehnt unter anderem aufgrund der genannten Problematiken das Freihandelsabkommen ab. Auch wird den Verhandlungsparteien mangelnde Transparenz vorgeworfen. Die EU-Kommission antwortet hierauf, dass die Verhandlungen mit den USA einer gewissen Vertraulichkeit bedürfen. Doch es ist richtig: Gerade weil TTIP Auswirkungen auf eine Vielzahl von Lebensbereichen hat, ist es wichtig, die breite Öffentlichkeit regelmäßig über die Fortschritte der Verhandlungen zu informieren.

Mehr Informationen zum TTIP finden Sie auf den Seiten der EU-Kommission unter:



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