Deutschland auf dem Prüfstand: Reformempfehlungen der EU-Kommission zu Wirtschafts- und Sozialpolitik

(Christoph Schnabel)

Am 29. Mai 2013 hat die Europäische Kommission ihre länderspezifischen Empfehlungen für 2013 vorgelegt. Einmal pro Jahr überprüft die Europäische Kommission die wirtschaftliche und soziale Lage jedes EU-Mitgliedstaats und präsentiert spezifische Reformempfehlungen für jedes Land. Die regelmäßige Analyse der Kommission hat vor dem Hintergrund zunehmender wechselseitiger Abhängigkeit der europäischen Volkswirtschaften und der gemeinsamen Währung an Bedeutung gewonnen. Auch sollen durch die Bewertung der Kommission Probleme früher als bisher offen gelegt und nötige Anpassungen rechtzeitig aufgegriffen werden.

Im Hinblick auf die Situation in Deutschland konstatiert die Kommission die Reformen im Gesundheitswesen kritisch. Die bisherigen Reformanstrengungen im Gesundheitssektor und die diesjährige Pflegereform scheinen aus Sicht der Kommission nicht ausreichend, um die erwarteten künftigen Kostensteigerungen zu dämpfen.

Auch in anderen Bereichen zieht die Kommission eine nüchterne Bilanz für die Bundesrepublik. In der Arbeitsmarktpolitik stellt die Kommission fest, dass die politischen Maßnahmen zur  Verringerung der hohen Steuer- und Abgabenlast für Geringverdiener und zur  Verbesserung der Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt bislang begrenzt waren. Deutschland sollte mehr tun, um die auf Niedriglöhne erhobenen Steuern und Sozialabgaben zu verringern. Dabei wären weitere Anstrengungen notwendig, um die Umwandlung von atypischen und geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen, wie z. B. Minijobs, in nachhaltigere Beschäftigungsformen zu verbessern und damit eine  Segmentierung des Arbeitsmarkts zu vermeiden.  Darüber hinaus sah die Kommission die Anstrengungen der Bundesregierung als ungenügend an, um die Armutsbekämpfungsziele zu erreichen. Besonders die wachsende Gefahr von Altersarmut sah die Kommission durch eine latente Erwerbsarmut nicht ausreichend berücksichtigt.

Die arbeitsmarktpolitischen Instrumente der Bundesregierung wurden gleichfalls kritisch bewertet und insbesondere wurde ein besserer Zugang von Frauen zum Arbeitsmarkt als Reformziel proklamiert. Die Kommission verwies darauf, dass Deutschland keine Maßnahmen ergriffen habe, um die Fehlanreize für  Zweitverdiener abzuschaffen, und dass die Fortschritte beim Ausbau der Verfügbarkeit von Ganztagskindertagesstätten und -schulen noch begrenzt seien.

Neben den kritischen Punkten wurde die Lage der öffentlichen Finanzen in Deutschland als sehr positiv angesehen und auch der leichte Haushaltsüberschuss vom Jahr 2012 wurde als ein wichtiges Zeichen für die gute Umsetzung von strukturellen Anpassungen der letzten Jahre gewertet. Die in der Verfassung festgeschriebene Regel des ausgeglichenen Haushalts („Schuldenbremse“)  hat dabei für die Kommission Vorbildcharakter für Europa und wird als zukunftsweisendes Konzept auch für andere europäische Mitgliedstaaten aufgeführt. Aus Sicht der Kommission wurden auch die richtigen Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise gezogen und ein geeigneter Regelungsrahmen für den Finanzsektor aufgebaut.

Wie die Bundesregierung die Vorschläge der Kommission umsetzen wird und welche Reformempfehlungen aufgenommen werden, wird 2014 erneut von der Kommission analysiert.

Die Empfehlung zum nationalen Reformprogramm Deutschlands 2013 finden Sie hier:


 



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