Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel

Mahnung: EU-Parlament kritisiert mangelnde Umsetzung der Millenium-Development-Goals

(Patrick Roger Schnabel)

 

Am 15. Juni 2010 hat das Europäische Parlament (EP) einen Bericht angenommen, in dem kritisiert wird, dass die Zwischenziele 2010 der Millenium-Development-Goals (MDG) nicht erreicht werden: Das lasse, fünf Jahre vor dem gesetzten Ziel, nichts Gutes erwarten und erfordere in den kommenden Jahren umso höhere Anstrengungen.

 

Der Berichterstatter des Parlaments, der britische Abgeordnete Michael Cashman, erinnert daran, dass die Armutsreduzierung auch zu den Schwerpunkten der EU-Entwicklungspolitik unter dem Vertrag von Lissabon gehört. Dennoch kämen die Staaten auch ihren selbsteingegangenen Verpflichtungen bisher nur sehr ungenügend nach. So liegt die Öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) derzeit bei 0,4% des Bruttonationaleinkommens (BNE), während für 2010 schon 0,56% versprochen worden waren. Bis 2015 soll der Anteil auf 0,7% ansteigen, so das – noch weit entfernte – Ziel.

 

Der Bericht geht ebenfalls auf positive Entwicklungen ein. Diese werden auch von den Vereinten Nationen (UN) notiert. So lässt sich deren Sachstandsbericht 2010 entnehmen, dass sich die Armut tatsächlich verringert und die Rate bis 2015 von 30% 1990 auf 15% halbiert werden kann. Auch die Primärschulbildung, gerade in Afrika, hat sich signifikant verbessert. Die Kindersterblichkeit durch Krankheiten ist von 12,5 Mio. 1990 auf 8,8 Mio. 2008 gefallen. Die Zahl behandelter HIV-Patienten hat sich zwischen 2003 und 2008 auf nun 4 Mio. verzehnfacht. Sogar die Entwaldung scheint sich, geringfügig, zu verlangsamen, weil ihr inzwischen mehr Aufforstungsprojekte gegenüberstehen.

 

Insgesamt ist die Weltgemeinschaft aber weit davon entfernt, die selbst gesteckten Ziele auch nur annähernd zu erreichen. Da die acht Bereiche vielfach miteinander verknüpft sind, rät Cashman in seinem Bericht, Ressourcen auf die zwei Schlüsselbereiche Gesundheit und Bildung zu konzentrieren und mindestens 20% der Hilfe in diese beiden Bereiche zu investieren.

 

Zu den weiteren Forderungen des EP gehören eine Reduktion der Schuldenlast der am wenigsten entwickelten Länder, die in den Bereichen Verantwortlichkeit, Transparenz und gute Regierungsführung Fortschritte machen, eine aktive Bekämpfung von Steueroasen, Steuerflucht und illegaler Kapitalflucht, sowie erleichterte Überweisungsmöglichkeiten für Migranten in ihre Heimatländer, um deren finanzielle Stabilität zu gewährleisten.

 

Dass der Bericht nur mit 353 zu 206 Stimmen bei 75 Enthaltungen angenommen wurde, könnte vor allem darauf zurückgehen, dass einzelne Forderungen gerade bei konservativen Abgeordneten nicht konsensfähig waren, etwa der Zugang zu Familienplanung und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen. Allerdings gehen 13% der Müttersterblichkeit auf misslungene Abtreibungsversuche zurück, so dass es schwer fällt, vor dem Problem die Augen zu verschließen.

 

Am 14. Juni 2010 hatte auch schon der Rat in seinen Schlussfolgerungen bestätigt, dass die EU – trotz der Finanzkrise – an den MDGs festhält. Derweil warnen zahlreiche Entwicklungs-NGOs, dass die EU bisher nur alte Versprechungen wiederholt, ohne konkret zu werden. So kritisiert Oxfam, dass der Vorschlag von Kommissar Andris Piebalgs, die angestrebte ODA-Quote in nationaler Gesetzgebung festzuschreiben, nicht aufgenommen wurde. Die Entwicklungshilfeplattform Concord rechnet vor, dass die EU 2009 sogar eine Mrd. Euro weniger als im Vorjahr zur Verfügung gestellt hat. Außerdem rechneten einige EU-Staaten laut NGO-Angaben sogar die Abschiebung von Flüchtlingen in ihre Herkunftsländer unter Entwicklungshilfe ab. Wenn man alle eigentlich sachfremden Ausgaben abziehe, liege die ODA-Quote der EU27 derzeit sogar nur bei 0,38%. Diese wiederum konzentrierten sich unverhältnismäßig auf potentielle Beitrittskandidaten und die EU-Nachbarschaft, sowie auf Kopplungshilfen, die gleichzeitig eigenen Firmen Aufträge in den Entwicklungsländern sicher stellten. Wichtiger sei eine Konzentration auf besonders bedürftige Gebiete – so liege die Armutsquote in Teilen Afrikas (Niger, Mali, Malawi) bei 90%.

 

Aus kirchlicher Sicht ist sowohl den Kernforderungen des Cashman-Berichts als auch der Kritik der NGOs zuzustimmen. Die EU muss der Entwicklungspolitik mehr Gewicht geben: Durch die Einhaltung ihrer Versprechen bezüglich der MDGs, bezüglich der Entschädigung für die Folgen des Klimawandels und der Unterstützung von Anpassungsmaßnahmen (s. nachfolgender Artikel). Allein Deutschland liegt bei der ODA 2,6 Mrd. Euro unter dem für 2010 vereinbarten Ziel. Aber auch bezüglich einer kohärenten Einbeziehung der entwicklungspolitischen Ziele in andere Politikbereiche, insbesondere Außenhandel und Landwirtschaft, besteht Handlungsbedarf.

 

Den Cashman-Bericht finden Sie unter:

http://www.europarl.europa.eu



erweiterte Suche