Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel

Europa-Informationen Nr. 131

Neue Posten in Europa – Der Stand der Dinge zu Europas Spitzenjobs

(Katrin Hatzinger)

Die Überraschung am Abend des 19. November 2009 war perfekt. Zwei „Nobodys“, der belgische Premier Herman van Rompuy und die britische Handelskommissarin Catherine Ashton, wurden von den europäischen Staats- und Regierungschefs auf einem Sondergipfel in Brüssel zu den Gewinnern eines wochenlangen Tauziehens gekürt, das zuvor zwischen den Hauptstädten Europas um die mit dem Vertrag von Lissabon eingeführten neuen europäischen Top-Jobs stattgefunden hatte.

Mit Herman von Rompuy übernimmt ab dem 1. Dezember 2009 ein gläubiger Katholik und in Belgien allseits geschätzter politischer Moderator das Amt des ersten Präsidenten des Rates der Europäischen Union. Über große europapolitische Erfahrung verfügt er allerdings nicht. Als ständiger Ratspräsident leitet der flämische Christdemokrat künftig die Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs und vertritt die Union neben der Hohen Beauftragten für Außen- und Sicherheitspolitik nach außen. Er ist zunächst für eine Amtszeit von 2 ½ Jahren gewählt und soll für mehr Kontinuität sorgen.

Catherine Ashton, die den Titel einer Baroness trägt, folgte im Sommer 2008 Peter Mandelson als Handelkommissarin in Brüssel. Bevor sie den Posten bei der Kommission antrat, war die Labour-Politikerin Repräsentantin der Regierung im britischen Oberhaus. Sie gilt als enge Vertraute des britischen Premierministers Gordon Brown und unterstützte ihn dabei, den Vertrag von Lissabon gegen Kritik aus dem konservativen Lager ohne Referendum im britischen Oberhaus passieren zu lassen.

Ohne jegliche außenpolitische Erfahrung wird sie in Zukunft quasi als „Außenministerin“ der EU agieren; zudem ist sie Vize-Präsidentin der Europäischen Kommission.

Während die Ernennungen international auf breite Zustimmung stießen und ein Sprecher von US-Präsident Obama davon sprach, die EU werde nun „noch stärker“, hielt sich die Begeisterung in Europa in Grenzen. "Herr und Frau Niemand: So hat Europa einen Schritt - genauer: zwei - in Richtung Bedeutungslosigkeit gemacht", spottete z.B. der "Corriere della Sera". Die schwedische Zeitung Aftonbladet schrieb: "Herman van Wer? Die polnische Zeitung Dziennik Gazeta Prawna kommentierte ernüchtert: "Es hat sich gezeigt, dass die Gemeinschaft (...) keinen starken Präsidenten braucht, sondern einen, der bei der Verwirklichung eigener Interessen (einzelner Staaten) nicht stört."

Insbesondere Deutschland und Frankreich sollen sich hinter den Kulissen gegen starke und erfahrene europäische Führungsfiguren wie etwa Jean-Claude Juncker oder Tony Blair ausgesprochen und bewusst für ein schwaches Führungspersonal eingesetzt haben. Darauf angesprochen entgegnete Bundeskanzlerin Merkel: "Ich gehöre zu den Menschen, die wissen, dass Persönlichkeiten in Aufgaben hineinwachsen können."

Zufrieden zeigten sich jedenfalls die bedachten Parteienfamilien: die Christdemokraten und die Sozialdemokraten. Es war nämlich im Vorfeld bereits abgemacht, dass das Amt der Außenbeauftragten den Sozialdemokraten zufallen sollte. Grüne und die Linken kritisierten die „glanzlose Besetzung“.

Tatsächlich wird sich erst noch erweisen, ob die beiden Politiker sich ihrer Ämter würdig erweisen. Zwar ist eine gewisse Enttäuschung über ihre Ernennung nachvollziehbar, aber gerade im Fall Herman van Rompuys könnten seine Zurückhaltung und seine ausgleichende Art sehr zum Gelingen seiner Aufgabe beitragen, zwischen den 27 Staaten zu vermitteln und gemeinsame Positionen zu vereinbaren. Dementsprechend macht auch seine Devise, die er für sein neues Amt ausgab, Hoffung auf eine erfolgreiche Amtszeit: „Jeder, der mitverhandelt, muss zu den Gewinnern zählen. Verhandlungen, die mit einem Verlierer enden, sind stets schlechte Verhandlungen.“

Was die Ernennung Catherine Ashtons angeht, wird sie die Vorwürfe ausräumen müssen, lediglich die Kompromisskandidatin gewesen zu sein. Das es ihr zumindest an dem notwendigen Selbstvertrauen für den Posten nicht mangelt, machte sie nach dem Gipfel deutlich, als sie ihren Kritikern entgegenhielt, die beste Person für den Job zu sein. Zudem mussten diese ihr zumindest bescheinigen, sich schnell in die Aufgaben der Handelskommissarin eingearbeitet zu haben. Nun hat sie fünf Jahre Zeit, als erste Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik das neue Amt zu prägen und die Europaskepsis ihrer Landsleute zu entkräften.

Neben der Debatte um die Besetzung der Spitzenämter liegen seit dem 27. November 2009 die Namen der Wunschkandidaten aus den 27 Mitgliedstaaten für die Kommissarsposten vor. Noch- Ministerpräsident Günther Oettinger soll nach dem Willen der Bundesregierung in der „Barroso II“-Kommission den Posten des Energiekommissars übernehmen. Die übrige Postenverteilung liest sich unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch das Europäische Parlament wie folgt:


- José Manuel Barroso (Portugal, EVP): Präsident 
- Joaquin Almunia (Spanien, SPE): Wettbewerb 
- Catherine Ashton (Großbritannien, SPE): Hohe Vertreterin für Außenbeziehungen 
- Michel Barnier (Frankreich, EVP): Binnenmarkt und Dienstleistungen 
- Olli Rehn (Finnland, ALDE): Wirtschafts- und Währungsfragen 
- Dacian Ciolos (Rumänien, EVP): Landwirtschaft und ländliche Entwicklung
- John Dalli (Malta, EVP): Gesundheit und Verbraucherschutz 
- Karel De Gucht (Belgien, ALDE): Handel 
- Stefan Füle (Tschechische Republik, SPE): Erweiterung und Nachbarschaftspolitik
- Connie Hedegaard (Dänemark, EVP): Klimaschutz 
- Maire Geoghegan-Quinn (Irland, ALDE): Forschung und Innovation 
- Janusz Lewandowski (Polen, EVP): Haushalt/Finanzplanung 
- Janez Potocnik (Slowenien, ALDE): Umwelt 
- Neelie Kroes (Niederlande, ALDE): Digitale Agenda 
- László Andor (Ungarn, SPE): Beschäftigung, Soziales und Inklusion 
- Maria Damanaki (Griechenland, SPE): Maritime Angelegenheiten und Fischerei
- Johannes Hahn (Österreich, EVP): Regionalpolitik 
- Rumiana Jeleva (Bulgarien, EVP): Internationale Zusammenarbeit, Humanitäre Hilfe und Krisenbewältigung 
- Siim Kallas (Estland, ALDE): Verkehr 
- Cecilia Malmström (Schweden, ALDE): Inneres 
- Andris Piebalgs (Lettland, EVP): Entwicklung 
- Viviane Reding (Luxemburg, EVP): Justiz, Grund- und Bürgerrechte 
- Algirdas Šemeta (Litauen, EVP): Steuern und Zollunion 
- Antonio Tajani (Italien, EVP): Industrie und Unternehmertum 
- Androulla Vassiliou (Zypern, ALDE): Bildung, Kultur, Mehrsprachigkeit und Jugend
- Maros Sefcovic (Slowakei, SPE): Interinstitutionelle Beziehungen und Verwaltung

nach Angaben von Kommissionspräsident Barroso wurden alle Portfolios nach Eignung vergeben. Neu ist das Ressort Klimaschutz. Das Ressort „Justiz und Inneres“ wurde geteilt: Die Schwedin Cecilia Malmström erhält das Innenressort und die Luxemburgerin Viviane Reding Justiz und Grundrechte. Stolz verwies Barroso darauf, dass der neuen Kommission neun Frauen angehören werden. Auffällig ist, dass sich die wichtigen Kernressorts Wettbewerb und Binnenmarkt in spanischer bzw. französischer Hand befinden sollen.

Trotz des nach Parteien, Regionen und Geschlechtern fein austarierten Tableaus gab es prompt Kritik aus dem EP an der Ämterverteilung. Werner Langen, Europaabgeordneter der CDU bezeichnete Oettingers Portfolio als „im höchsten Maße enttäuschend.“, da ihm nur wenig Gestaltungsspielraum bleibe. Andere Stimmen kritisierten, dass mit dem Rumänen Dacian Ciolos ein Vertreter eines Landes, dem immer noch Probleme bei der Korruptionsbekämpfung nachgesagt werden, für den üppigen Landwirtschaftshaushalt zuständig sein soll. Ciolos, vormaliger rumänischer Agrarminister, gilt jedoch als ausgewiesener Fachmann. Bevor die neue Kommission ihre Arbeit aufnehmen kann, müssen sich die designierten Anwärter der Anhörung in den zuständigen Ausschüssen des EP stellen. Die hearings sollen vom 11. bis zum 19. Januar 2010 stattfinden. Das Gesamtvotum für die neue Kommission ist am 26. Januar vorgesehen. Auf dieser Grundlage wird die neue Kommission vom Europäischen Rat ernannt und könnte – so alles nach Plan läuft – zum 1. Februar 2010 ihre Arbeit aufnehmen.



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