„Frontex“-Seegrenzen-Verordnung: Einigung im Trilog

(Susanne Herkommer)

Das Europäische Parlament und der Rat haben sich Mitte Februar nach schwierigen Verhandlungen auf einen Kompromisstext auf der Basis des Kommissionsvorschlags zur Frontex-Seeaußengrenzenverordnung (COM(2013) 197 final) geeinigt.

Auf Ratsseite hat der Ausschuss der Ständigen Vertreter dem Kompromiss bereits zugestimmt und auch der zuständige Innenausschuss (LIBE) des Europäischen Parlaments hat am 20. Februar 2014 sein Einverständnis erteilt. Eine Verabschiedung im Plenum ist für den 16. April 2014 geplant und dürfte nur noch Formsache sein.

Trotz deutlichen Widerstands einer Reihe von Mitgliedstaaten (siehe EKD-Europa-Informationen Nr. 144) enthält der erzielte Kompromiss verbindliche und detaillierte Regelungen zur Seenotrettung. Interpretationsdifferenzen zwischen Mitgliedstaaten können damit leichter behoben werden. Auch die Koordinierung von Seenotrettungseinsätzen und die Zusammenarbeit mit der zuständigen Rettungsleitstelle werden durch den Kompromisstext verbessert.

Die Non-Refoulement-Garantien und der Schutz vor Kollektivausweisungen wurden gegenüber dem Kommissionsvorschlag deutlich gestärkt. Die Bestimmungen gelten nunmehr anders als im ursprünglichen Entwurf nicht nur für die Situation der Ausschiffung, sondern auch für sonstige Maßnahmen wie Zurückweisen und Rückführen von Booten. Die Grenzschützer müssen nach dem Kompromisstext „alle Mittel" ausschöpfen, um die auf See angetroffenen Migranten zu identifizieren und ihre persönliche Situation zu ermitteln. Dadurch soll verhindert werden, dass ganze Boote pauschal zurück gewiesen werden, obwohl sich möglicherweise schutzbedürftige Flüchtlinge an Bord befinden. Im Kommissionsvorschlag war eine deutlich schwächere Formulierung vorgesehen. Danach wären die Grenzschützer nur „so weit wie möglich" zur individuellen Beurteilung verpflichtet gewesen. Auf hoher See dürfen Boote nicht mehr durch Abdrängen zur Umkehr gezwungen werden („Push-Back"). Sehr kritisch zu bewerten ist allerdings, dass Frontex in Hoheitsgewässern Boote weiterhin, wie nach geltender Rechtlage, abdrängen darf. Auch eine direkte Übergabe von Booten an Drittstaaten ist weiterhin möglich, jedoch erst nach Durchführung der in der Verordnung vorgesehenen Identifizierungs- und Beurteilungsmaßnahmen. Im Einsatzplan der jeweiligen Frontex-Operation muss die Verfügbarkeit von Medizinern, Übersetzern, Rechtsberatern und anderen relevanten Experten geregelt sein. Frontex muss in einem jährlichen Bericht darlegen, wie die Schutzmaßnahmen bei den Einsätzen in der Praxis umgesetzt wurden.

Der Text sieht zudem klarere Regeln für die generelle Beurteilung eines Drittlandes als sicheres Land für eine Ausschiffung vor. Des Weiteren werden die Daten der aufgegriffenen Migranten besser vor einer Übermittlung an Drittstaaten geschützt. In einem Erwägungsgrund wird darauf hingewiesen, dass Seenotrettung durch private Kapitäne nicht strafbar sein sollte.

Der Verordnungstext konnte im Rahmen der Trilogverhandlungen gegenüber dem Kommissionsvorschlag trotz des Widerstands einiger Mitgliedstaaten deutlich verbessert werden. Das einschlägige Hirsi-Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist damit zwar dennoch nicht vollständig umgesetzt, aber viele seiner Elemente sind nunmehr im Text enthalten. Ein großer Mangel bleibt die fehlende Regelung eines Rechtsbehelfs mit aufschiebender Wirkung gegen die Maßnahmen der Grenzschützer. Im Hirsi-Urteil war der Zugang zu einem Rechtsbehelf als gemäß Art. 13 EMRK zwingend erforderlich festgestellt worden.

Insgesamt jedoch sind die Trilogverhandlungen als Erfolg des Europäischen Parlaments zu werten, dem es gelungen ist, dem Schutz von Migranten und Flüchtlingen auf dem Mittelmeer zu verbessern. Es muss dabei jedoch auch deutlich auf die weiterhin bestehenden Mängel hingewiesen werden und deren zeitnahe Behebung gefordert werden. So ist etwa auch die Tatsache, dass Push-Backs und Pull-Backs auf hoher See nicht unterbunden wurden, höchst bedauerlich.

Nun wird es auf die tatsächliche Umsetzung in der Praxis ankommen, die von der Zivilgesellschaft und den Kirchen genau beobachtet werden sollte. Hier bestehen noch einige Unklarheiten, wie die Regelungen konkret umzusetzen sind. Eine wichtige Rolle wird dabei auch dem Frontex Consultative Forum zukommen, in dem neben internationalen Menschenrechtsorganisationen auch kirchliche Organisationen wie CCME, ICMC, JRS und Caritas Europa vertreten sind. Die neue Verordnung gilt aber eben nur für Einsätze, die von Frontex koordiniert werden. Rein nationale Grenzschutzeinsätze der Mitgliedstaaten sind nicht erfasst.



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