Sonntagsruhe unter Druck: Krisenbedingte Liberalisierung von Ladenöffnungszeiten

(Susanne Herkommer)

Auf der zweiten Sonntagskonferenz der European Sunday Alliance am 21. Januar 2014 in Brüssel (siehe EKD-Europa-Informationen Nr. 144) wurde deutlich, wie sehr der Sonntagsschutz durch krisenbedingte Maßnahmen der Mitgliedstaaten in Gefahr gerät. Cristina Estévez, Gewerkschaftsvertreterin (UGT-CHT) aus Spanien, berichtete, aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation in Spanien, würden stetig mehr Geschäfte sonntags geöffnet, in der Hoffnung auf eine Dynamisierung der Wirtschaft und neue Arbeitsplätze. Doch das Gegenteil sei der Fall. Insbesondere kleinere Geschäfte müssten schließen, da sie bei den Öffnungszeiten nicht mit den großen Unternehmen mithalten könnten. Allerdings fürchteten viele Beschäftigte um den Verlust ihrer Arbeitsplätze und würden es deshalb nicht wagen, für einen freien Sonntag einzutreten. Der Vertreter der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (EUROFOUND) verwies in der Podiumsdiskussion auf Statistiken zum Einfluss von Armut auf die Zahl der Arbeitsstunden. Je ärmer die Bevölkerung, desto eher sei diese auf Sonntagsarbeit angewiesen. Das Problem habe sich durch die Finanzkrise verstärkt. Diese zusätzliche Arbeit wirke sich negativ auf die Gesundheit der Menschen aus und Krankheiten, wie z. B. Burnout nähmen zu.

Im Jahr 2012 wurden in Spanien die Ladenöffnungszeiten flexibilisiert und verlängert, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu steigern. Geschäfte können nun an zehn Sonntagen statt wie bisher an acht Sonntagen pro Jahr öffnen. Für Touristengebiete wurde die Sonntagsöffnung vollständig frei gegeben. Auch in Madrid ist die Öffnung an allen Sonntagen des Jahres erlaubt. Im Rahmen der Krisenbewältigungsprogramme sind in Italien die Ladenöffnungszeiten und -tage seit Januar 2012 völlig freigeben. In Portugal wurden im Jahr 2010 flexiblere Ladenöffnungszeiten eingeführt. Alle Geschäfte dürfen an jedem Tag der Woche von 6:00 bis 24:00 Uhr geöffnet sein. Vor diesem Hintergrund dieses Trends wurde auf der Konferenz, an der 120 Menschen aus ganz Europa teilnahmen, die Bedeutung des arbeitsfreien Sonntags für den Einzelnen und die Gesellschaft hervorgehoben. OKR‘in Susanne Breit-Keßler, evangelische Regionalbischöfin für München und Oberbayern betonte: „Der Mensch muss aus dem Hamsterrad der Arbeit auch einmal ausbrechen und frei von Zweck sein dürfen." Er müsse seinen Wert spüren können. Der Sonntag sei ein Tag der Gemeinschaft und diene der Gesundheit, etwa durch glückliche Momente mit der Familie und Freunden.

Im Rahmen der Konferenz wurde die Kampagne der European Sunday Alliance zur Europawahl 2014 offiziell gestartet. Eine Reihe von Abgeordneten aus einer Vielzahl von Mitgliedstaaten unterschrieben die Verpflichtung, sich in der neuen Legislaturperiode für den arbeitsfreien Sonntag und menschenwürdige Arbeitsbedingungen einzusetzen direkt im Konferenzsaal, darunter die deutschen Abgeordneten Thomas Mann und Martin Kastler (beide EVP).

Seit der Konferenz konnten weitere Unterschriften gesammelt werden, etwa vom Spitzenkandidaten der deutschen Grünen für die Europawahl, Sven Giegold. Auch im Rahmen der Jahreskonferenz der deutschen Sonntagsallianz in Düsseldorf am 25. Februar 2014 wurde die Verpflichtungserklärung von Vertretern der European Sunday Alliance vorgestellt und von anwesenden Europawahlkandidaten der CDU, SPD und LINKEN unterzeichnet.



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