Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? Neue Richtlinie soll den Schutz entsandter Arbeitnehmer verbessern

(Susanne Herkommer)

Nach schwierigen Verhandlungen haben sich Rat und Parlament am 27. Februar 2014 über die Durchsetzungsrichtlinie der Entsenderichtlinie geeinigt. Eine Verabschiedung im Plenum des Europäischen Parlaments ist in der letzen Plenarsitzung dieser Legislaturperiode am 16. April 2014 zu erwarten. Die Europäische Kommission hatte ihren Vorschlag bereits im März 2012 vorgelegt.

Von Entsendung spricht man, wenn ein Unternehmen einen bei ihm angestellten Arbeitnehmer im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat schickt. Jedes Jahr entsenden Unternehmen rund eine Million Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer innerhalb der EU.

Ziel der Entsenderichtlinie aus dem Jahr 1996 (Richtlinie 96/71/EG) ist es, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit mit einem angemessenen Schutz der entsandten Arbeitnehmer in Einklang zu bringen. Sie regelt unter anderem, dass für Arbeitnehmer die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Mitgliedstaats gelten, in den sie entsandt werden. Dies umfasst insbesondere Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten, bezahlten Mindestjahresurlaub, Mindestlohnsätze und Überstundensätze, Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Dadurch soll Lohn- und Sozialdumping verhindert werden.

An der Umsetzung in der Praxis hapert es jedoch immer wieder. Gerade im Baugewerbe, wo Unterauftragsketten verbreitet sind, werden oftmals entsandte Arbeitnehmer ausgebeutet und bekommen ihren Lohn nur zum Teil oder gar nicht ausgezahlt. Die Durchsetzungsrichtlinie soll nun die Anwendung der Bestimmungen der Entsenderichtlinie verbessern. Sie soll Missbrauch und Umgehung der Vorschriften verhindern und dadurch den Schutz der entsandter Arbeitnehmer verbessern, aber auch ungerechtfertigte Hindernisse für den freien Dienstleistungsverkehr beseitigen.

Sie enthält Kriterien zur leichteren Feststellung, ob es sich um eine echte Entsendung oder um Missbrauch handelt und trifft Regelungen zur besseren Information der Arbeitnehmer und Unternehmer über ihre Rechte und Pflichten, zur Verwaltungszusammenarbeit und Amtshilfe, zu Kontrollmaßnahmen der Mitgliedsstaaten, zu einem Beschwerdeverfahren für Arbeitnehmer, zur gesamtschuldnerischen Haftung für Lohnzahlungen bei Unterauftragsketten und zu Sanktionen bei Verstößen.

Besonders streitig waren dabei in den Verhandlungen die nationalen Kontrollmaßnahmen. Der Kommissionsentwurf wollte diese näher definieren, um unangemessene Beeinträchtigungen der Dienstleistungsfreiheit zu verhindern und schlug eine abschließende Liste an Maßnahmen vor. Dies hätte jedoch die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, Lohndumping aufzudecken, eingeschränkt und verhindert, dass sich die Kontrollbehörden mit flexiblen Maßnahmen auf aktuelle Entwicklungen einstellen können. Geeinigt haben sich Rat und Parlament nun auf eine sogenannte „offene Liste", so dass die Mitgliedsstaaten über die in der Richtline genannten Kontrollmaßnahmen hinaus gehen. Allerdings müssen sie diese weitergehenden Maßnahmen der Kommission anzeigen. Kritiker befürchten, dass damit dennoch die Kontrollbefugnisse der Mitgliedstaaten behindert werden.

Die zuständige Berichterstatterin im Arbeits- und Sozialausschuss des Europäischen Parlaments, Danuta Jazlowiecka (EVP, Polen) begrüßte das Ergebnis der Verhandlungen: „Wir haben eine gute Balance zwischen der Dienstleistungsfreiheit und dem Schutz von Arbeitnehmerrechten erreicht. Dies sind gute Nachrichten für den Binnenmarkt und für die entsandten Arbeitnehmer."

Den Gewerkschaften hingegen geht der erreichte Kompromiss insgesamt nicht weit genug. Der Europäische Gewerkschaftsbund (ETUC) bezeichnete ihn als „verpasste Chance, den Schutz der entsandten Arbeitnehmer zu sichern". Der Text in seiner jetzigen Fassung reiche in keiner Weise aus, um dem gegenwärtigen Sozialdumping einen Riegel vorzuschieben. Eine grundsätzliche Revision der Entsenderichtlinie sei unausweichlich.

Die Tauglichkeit der Durchsetzungsrichtlinie wird sich in der Praxis beweisen müssen. Sollte sie nicht ausreichen, um einen wirksamen Schutz vor Sozial- und Lohndumping sowie vor Ausbeutung der entsandten Arbeitnehmer zu gewährleisten, sollte die Kommission weitere Initiativen ergreifen.



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