Neuer Hilfsfonds für die am stärksten von Armut betroffenen Personen beschlossen

(Ulrike Klose)

Der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament haben sich am 10. März 2014 endgültig auf die Einrichtung eines Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten von Armut betroffenen Personen (EHAP) geeinigt (siehe EKD-Europa-Informationen 143). Der nun eingerichtete Fonds ist darauf ausgelegt, die schlimmsten Formen der Armut gezielt zu bekämpfen. Nachdem das Europäische Parlament bereits am 25. Februar 2014 seine Zustimmung zur aktuellsten Vorlage gegeben hatte, stimmte nun auch der Rat dem Vorschlag zu. Damit kann die konkrete Umsetzung der Pläne, den Fonds einzurichten, begonnen werden. Bis 2020 stehen mit dem Hilfsfonds in Deutschland rund 70 Mio. Euro zur Verfügung, um mit Hilfe von Projekten die prekärsten Formen der Armut wie Nahrungsmittelarmut, Kinderarmut und Obdachlosigkeit zu bekämpfen. Europaweit stellt die EU rund 3,4 Mrd. Euro für diese Ziele bereit.

Dem Entschluss waren längere Verhandlungen vorausgegangen, da mehrere Staaten - darunter auch Deutschland - mit dem zunächst geplanten Konzept das Prinzip der Subsidiarität im Bereich der Sozialpolitik gefährdet sahen. Zudem standen sich in den Verhandlungen zwei verschiedene Ansätze zur Bekämpfung der Armut gegenüber: Sollten die zur Verfügung stehenden Gelder dazu verwendet werden, um Nahrungsmittel und sonstige Güter des täglichen Bedarfs wie Hygieneartikel oder Kleidung zu erwerben und diese bedürftigen Personen, die nicht über ausreichende finanzielle Mittel zur Selbstversorgung verfügen, kostenlos zur Verfügung zu stellen? Oder sollten vielmehr Projekte gefördert werden, die nicht auf die Versorgung von Bedürftigen mit dem Nötigsten ausgerichtet sind, sondern zum Ziel haben, die Betroffenen zur Selbsthilfe und -versorgung zu befähigen?

Der nun angenommene Verordnungstext stellt einen Kompromiss zwischen diesen beiden Positionen dar, indem er den Mitgliedstaaten eine weitgehende Flexibilität darin einräumt, in welcher Form die verfügbaren Gelder verwendet werden sollen - für nicht-finanzielle Hilfe oder für die Förderung von Maßnahmen zur sozialen Eingliederung von betroffenen Personen. So sehen einige Länder, wie Frankreich, Belgien, Griechenland und Spanien, eine Verteilung von Nahrungsmitteln und anderen Gegenständen des täglichen Bedarfs an Bedürftige vor. In Deutschland hingegen entschied man sich für einen nicht-materiellen Ansatz, bei dem mithilfe der zur Verfügung stehenden Gelder mehr Menschen dazu zu befähigt werden, ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten. Eine kostenlose Verteilung von Gütern, so das Argument, könnte vor dem Hintergrund des etablierten deutschen Sozialsystems eine gesellschaftliche Stigmatisierung der Empfänger nach sich ziehen und die Abhängigkeit von kostenlosen Nahrungsmitteln erhöhen. Ein ähnlicher Ansatz wird beispielsweise in Italien, Österreich, Großbritannien und Schweden verfolgt.

Mithilfe der Finanzhilfen sollen dann in Deutschland Projekte teilfinanziert werden können, die insbesondere die Ursachen von Armut bekämpfen und zur sozialen Eingliederung der am stärksten betroffenen Personen beitragen. Anders als bei Projekten, die vom Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert werden, steht dabei nicht ausschließlich die (Wieder-)Eingliederung der Betroffenen in den Arbeitsmarkt im Mittelpunkt. Zurzeit wird in Berlin das Operationelle Programm (OP) für die Verwendung des Hilfsfonds in Deutschland formuliert, in dem die genauen Förderschwerpunkte und -ansätze festgelegt werden. Mit einer ersten Möglichkeit, Förderanträge zu stellen, ist allerdings vermutlich erst im kommenden Jahr zu rechnen.

Der Hilfsfonds ist ein Nachfolger des europäischen Nahrungsmittelhilfsprogramms, das bis 2013 die Verteilung von Nahrungsmitteln aus Überschüssen der europäischen Agrarpolitik an bedürftige Personen ermöglichte. Da jedoch die gemeinsame europäische Agrarpolitik über die vergangenen Jahre hinweg mehrfach reformiert wurde und weniger Überschüsse produziert wurden, wurde auch für das frühere Nahrungsmittelhilfsprogramm eine Reform nötig - da die zu verteilenden Güter von den Mitgliedstaaten zunächst selber erworben werden mussten und nicht mehr länger aus einer reinen Überproduktion bestanden, war der Bezug zur Gemeinsamen Agrarpolitik verwässert.



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