Verlorene Liebensmüh? Ernüchternde Halbzeitbilanz der Europa-2020-Strategie

(Katrin Hatzinger)

Am 5. März 2014 hat die Europäische Kommission in Form einer Mitteilung ihre „Bestandsaufnahme der Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum" (KOM(2014)130) vorgelegt und den Prozess der Halbzeitüberprüfung der EU-2020-Strategie eingeleitet. 2010 hatten drei der fünf Kernziele einen sozialen Bezug: Unter anderen die Erhöhung der Beschäftigung auf mindestens 75 Prozent, die Senkung der Schulabbrecherquote auf zumindest 10 Prozent sowie die Reduzierung der Anzahl der Menschen, die von Armut betroffen sind, zumindest um europaweit 20 Millionen.

Hinsichtlich des Armutsbekämpfungsziels wird in der Bestandaufnahme nun von der Kommission konstatiert: „Die Anzahl der Menschen, die in der EU von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind (Menschen, die von finanzieller Not bedroht sind, unter materieller Armut leiden oder in Arbeitslosenhaushalten leben), wuchs von 114 Millionen im Jahr 2009 auf 124 Millionen im Jahr 2012. Die EU hat sich somit von ihrer Zielvorgabe entfernt, nach der die Zahl 2020 bei 96,4 Millionen Menschen liegen müsste, und nichts deutet auf eine rasche Änderung zum Besseren. Die Zahl der von Armut Bedrohten könnte um 2020 immer noch bei 100 Millionen liegen."

Die Mitteilung verdeutlicht, dass weder das Armutsziel noch das Beschäftigungsziel zu erreichen sind. Auch hinsichtlich des Drei-Prozent-Ziels für Forschung und Entwicklung wird es schwierig. Im Hinblick auf die Bildungs-, Klima- und Energieziele sei die EU hingegen auf einem guten Weg, so die Kommission. Die Frage ist nun, welche Schlussfolgerungen aus diesen ernüchternden Zahlen zu ziehen sind. Lässt man das Armutsziel, das mancher Kritiker immer schon als soziales Feigenblatt einer Wachstumsstrategie bemängelt hat, künftig ganz fallen oder nimmt man die Entwicklung als Ansporn, verstärkt gegenzusteuern? Die Kommission selbst hält sich mit Wertungen zurück, kündigt aber an, dass sie im Frühjahr 2014 eine öffentliche Konsultation durchführen wird. Dann soll ermittelt werden, welche Konsequenzen aus den bisherigen Erfahrungen gezogen werden können und ob eine Anpassung der Strategie erforderlich sei, und wenn ja, in welcher Form. Voraussichtlich Anfang 2015 sollen dann konkrete Vorschläge zur weiteren Ausgestaltung der Strategie vorgelegt werden.



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