Neue Studie: Jugendarbeit in der EU ist unverzichtbar

(Doris Klingenhagen)

Die Europäische Kommission hat im Februar 2014 die Studie „Working with young people. The value of youth work in the European Union" veröffentlicht. Der europaweite Vergleich macht deutlich: Jugendarbeit ist ein unverzichtbares Praxisfeld für das gelingende Aufwachsen junger Menschen. Humankapital (Qualifikationen) und soziales Kapital (Sozialbeziehungen) sind wichtig - diese Annahme war der Ausgangspunkt für die Studie.

Die Europäische Kommission analysierte das Feld anhand der nationalen Jugendberichte, Eurobarometer-Daten, Fallstudien und Experteninterviews. Es ist die erste Studie zur Arbeit mit Jugendlichen, an der alle Mitgliedstaaten beteiligt sind. Erklärte Absicht der Kommission war es, anhand europaweiter Ergebnisse „der Jugendarbeit mehr Verständnis und Anerkennung entgegenbringen zu können". Ergebnis: Trotz aller Unterschiede in Hinblick auf Tradition, strukturelle Verankerung, rechtliche Rahmung und praktische Umsetzung gibt es ein gemeinsames Verständnis in Bezug auf Jugendarbeit, ihre Werte, Ziele, Qualität und Effekte: Die „jungen Menschen" als Zielgruppe, „Persönlichkeitsentwicklung" als Ziel und „freiwillige Teilnahme" als Empowerment; Emanzipation, Verantwortungsbewusstsein und Toleranz sind weitere der meistgenannten pädagogischen Ziele. Als Methoden gelten nicht formale und informelle Bildung, experimentelle Pädagogik und beziehungszentrierte Erfahrungen - entweder in der Peergruppe oder mit Erwachsenen als hauptberuflichen oder ehrenamtlichen Fachkräften. Ein wichtiger Punkt ist die Fokussierung auf die Interessen und Bedürfnisse der Jugendlichen sowie „die Tatsache, dass Aktivitäten in der Jugendarbeit von den Jugendlichen ausgehen und gemocht werden müssen, um einen positiven Effekt zu haben".

Die Autorinnen und Autoren der Studie beschreiben eine Typologie von Jugendarbeit anhand zweier Kriterien: die Ziele und die Zielgruppe der Jugendarbeit. Sie bilden die Achsen des idealtypischen Modells. An dem einen Ende der Zielgruppenachse liegen Formen der Jugendarbeit mit allgemeiner Ausrichtung, die sich an alle jungen Menschen richten, und am anderen Ende diejenigen, die sich an bestimmte Zielgruppen unter den Jugendlichen wenden. Die zweite Achse steht für die Ziele der Jugendarbeit. Hier reicht das Spektrum vom allgemeinen Ziel der Persönlichkeitsentwicklung bis hin zu Formen der Jugendarbeit, die sich die Lösung sehr spezieller Probleme - zum Beispiel Arbeitslosigkeit - zur Aufgabe machen. 

In den vergangenen zehn Jahren kann ein allgemeiner Trend ausgemacht werden. So stieg die politische Aufmerksamkeit, aber es stiegen auch die Anforderungen an Jugendarbeit - bei schlechterer finanzieller Ausstattung. Jugendarbeit soll immer stärker zielgruppenorientiert, interventionsbasiert und auf spezifische Probleme ausgerichtet arbeiten. Vor allem die Wirtschaftskrise und die hohe Jugendarbeitslosigkeit haben signifikante Auswirkungen auf die Jugendarbeit in den Mitgliedstaaten. Sie soll nun gezielt dazu genutzt werden, jungen Menschen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungswesen zu eröffnen.

Finanzmittel werden vor allem für diejenigen eingesetzt, die von sozialer Ausgrenzung betroffen sind. Organisationen, die allgemeine Jugendarbeit leisten, fällt es damit immer schwerer, öffentliche Gelder zu bekommen. In einigen Ländern ist die Weiterentwicklung der Jugendarbeit gebremst oder sogar ganz eingestellt worden. Gleichzeitig nimmt der Druck zu: Jugendarbeit soll die Verwendung der knappen Mittel umso besser rechtfertigen, vorhersagbare Resultate und erkennbare Wirkungen sowie „Investitionsrenditen" nachweisen. Kurz: Es entsteht der Druck, mit den gleichen oder sogar geringeren Mitteln mehr und Spezifischeres zu leisten als zuvor.

In Deutschland wissen wir, wie wichtig und erfolgreich eine große Bandbreite wie auch Spezialisierung von Trägern, Traditionen, Theorien, Zielgruppen und Methoden der Jugendarbeit sein kann - es ist eine ihrer Stärken. Aus Sicht evangelischer Kinder- und Jugendarbeit gilt es, die Bandbreite der Stärken und Wirkungen sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene im Sinne eines guten Aufwachsens von jungen Menschen gegen einseitige „Verzweckungsbestrebungen" zu verteidigen.



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