Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel

Europa-Informationen Nr. 133

Europäische Kommission fordert einheitliche und schärfere Sanktionen gegen Kindesmissbrauch

(Solveig Müller)

Die Europäische Kommission will der Bekämpfung von sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung von Kindern entschlossener nachgehen und hat zu diesem Zweck am 29. März 2010 eine neue Richtlinie vorgeschlagen. Die EU-Mitgliedstaaten sollen damit verpflichtet werden, Sexualstraftäter konsequenter zu verfolgen und härter zu bestrafen.

Studien zufolge sind ca. 10-20% aller europäischen Kinder Opfer sexuellen Missbrauchs – Gewalttaten, die langfristige körperliche, psychische und soziale Schäden hinterlassen. Die Zahl der Websites mit kinderpornographischen Inhalten steigt beständig. Die Verbreitung von Kinderpornographie und auch des so genannten Kinder-Sex-Tourismus machen deutlich, dass sexuelle Gewalt an Kindern eine große grenzübergreifende Dimension hat. Allerdings kann sexueller Missbrauch von Kindern gegenwärtig wegen der unterschiedlichen Strafrechtsvorschriften und Strafverfahren der EU-Mitgliedstaaten nicht konsequent verfolgt werden. Daher fordert EU-Innenkommissarin Malmström die Mitgliedstaaten auf, derartige Straftaten gemeinsam entschlossen zu bekämpfen und bestimmt mit dem Richtlinienentwurf Mindestvorschriften zur Definition von Straftaten und Strafen auf diesem Gebiet. Neben der wirksamen Strafverfolgung geht es der Kommissarin darum, den Schutz der Rechte der Opfer zu gewährleisten und die Prävention sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauchs von Kindern auszubauen.

Folgende Maßnahmen werden u.a. vorgeschlagen:
-- Ausgehend von einer einheitlichen Kategorisierung der Straftaten soll das Strafmaß für „schwere Straftaten“ des sexuellen Kindesmissbrauchs von Kindern in allen Mitgliedstaaten erhöht werden. Die Strafen sollen „verhältnismäßig, wirksam und abschreckend“ sein. Zu den schweren Formen des sexuellen Missbrauchs werden z.B. die Organisation von Reisen, die sexuellen Missbrauch zum Ziel haben, oder das Herstellen und der Vertrieb von Kinderpornographie gezählt.
-- Neue Formen sexuellen Missbrauchs wie das so genannte „Grooming“ sollen unter Strafe gestellt werden. Grooming meint die Kontaktaufnahme zu Kindern durch das Internet mit dem Ziel der sexuellen Ausbeutung.
-- Die Strafermittlung und Anklageerhebung soll erleichtert werden.
-- Geänderte Bestimmungen über die gerichtliche Zuständigkeit sollen ermöglichen, dass europäische Straftäter auch außerhalb der EU verfolgt werden können. 
-- Die Opferschutzbestimmungen sollen ausgebaut werden. Kinder, die Opfer sexueller Gewalt wurden, sollen auch im Strafverfolgungsprozess besser vor weiteren Traumata geschützt werden. Außerdem müsse den Opfern ein leichter Zugang zu Rechtbehelfen gewährleistet werden.
-- Im Hinblick auf die Prävention von Straftaten soll jeder Straftäter einem Programm zur Risikoabschätzung unterzogen und in Maßnahmen zur Rückfallverhinderung eingewiesen werden. Außerdem soll ein Straftäter europaweit keine Tätigkeit ausüben dürfen, bei der es zu Kontakten mit Kindern kommen kann.
-- Als weitere präventive Maßnahme soll das Downloaden von Kinderpornographie im Internet erschwert werden. Dazu sei es grundsätzlich nötig, dass „die Inhalte [...] an der Quelle entfern werden“. Da sich dies „aber als schwierig erweist, wenn sich das Originalmaterial nicht in der EU befindet“, sollte der Zugang solcher Seiten gesperrt werden. Dabei sei es den Mitgliedstaaten freigestellt, wie sie die Sperrung technisch umsetzen.

In Deutschland wird besonders der letztgenannte Vorschlag kontrovers diskutiert, da es zwischen den Koalitionspartnern keine einheitliche Linie dazu gibt: Während Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) auf „Löschen statt Sperren“ setzt und einen entsprechenden Gesetzentwurf vorbereitet, verlautet aus der CDU/CSU-Fraktion, es müsse gesperrt werden, wo nicht gelöscht werden könnte. Das Sperren von Internetseiten ist jedoch alles andere als einfach und dazu nicht effektiv, da die Sperren auch umgangen werden können. Die FDP fordert deshalb, man solle vielmehr in internationaler Zusammenarbeit versuchen, kinderpornographische Seiten gleich an der Quelle, d.h. auch im (nichteuropäischen) Ausland, zu löschen. Außerdem müssten für Sperrungen geheime Sperrlisten geführt werden, die das willkürliche Blockieren von Webseiten ohne jede öffentliche Kontrolle ermöglichen. Damit würde eine Zensurinfrastruktur aufgebaut, die letztlich zur Blockierung von unliebsamen Inhalten aller Art genutzt werden könnte. Einige deutsche Politiker und Aktivisten fordern deshalb eine Öffnungsklausel in der geplanten Richtlinie, die es Deutschland ermöglicht, auf das Netzsperren zu verzichten und weiterhin auf das Löschen von Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten zu setzen.

Den Richtlinien-Entwurf finden Sie unter:
http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2009..._/com_com(2010)0094_de.pdf



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