Die neue EU Jugendstrategie - erste Entwicklungen

(Doris Klingenhagen)

Seit dem 01. Januar 2010 gilt die „Entschließung über einen erneuerten Rahmen für die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa (2010-2018)“ (Europa-Informationen Nr. 132). Mit dieser Entschließung – im allgemeinen Sprachgebrauch auch „Neue EU-Jugendstrategie“ genannt – setzt die EU neue Schwerpunkte im Jugendbereich. Der Ratsentschluss vom November 2009 steht in der Linie des Weißbuchs „Neuer Schwung für die Jugend Europas (2001), des Europäischen Pakts für die Jugend (2005) sowie des Strukturierten Dialogs mit der Jugend (2006) und führt die vorhandenen Ansätze fort. Erstmals verabschiedet die EU mit ihrer Jugendstrategie einen umfassenden jugendpolitischen Ansatz, der bereichsübergreifend angelegt ist und eine höhere Verbindlichkeit bei der Partizipationsförderung einfordert.

Dabei verfolgt die Strategie zwei wesentliche Ziele:
 Mehr Möglichkeiten und mehr Chancengleichheit für alle jungen Menschen im Bildungswesen und auf dem Arbeitsmarkt.
 Die Förderung des gesellschaftlichen Engagements, der sozialen Eingliederung und der Solidarität aller jungen Menschen.

Diese Ziele sollen durch ein zweigleisiges Vorgehen verwirklicht werden: durch jugendpolitische Initiativen und Maßnahmen (Ressortpolitik) und durch Initiativen zur Förderung eines bereichsübergreifenden Vorgehens (Querschnittspolitik).

Für eine effektivere Zusammenarbeit wurde der Zeitraum 2010 bis 2018 in Dreijahreszyklen unterteilt. Für jeden Arbeitszyklus wird eine Reihe Prioritäten ausgewählt, die einen Beitrag zu den acht Aktionsfeldern leisten: Allgemeine und berufliche Bildung, Gesundheit und Wohlbefinden, Freiwilligentätigkeit, Jugend in der Welt, Beschäftigung und Unternehmergeist, Teilhabe, soziale Eingliederung, Kreativität und Kultur.

Die Prioritäten werden vom Rat der EU und der Kommission in Abstimmung mit den Ratspräsidentschaften festgelegt. Die Prioritäten eignen sich entweder für eine Zusammenarbeit zwischen allen Mitgliedstaaten oder für eine engere Zusammenarbeit zwischen einer begrenzten Zahl („Cluster“). Die Prioritäten für 2011 waren „Jugendbeschäftigung“, „soziale Eingliederung“ und „Jugendarbeit“, 2011 geht es mit dem Schwerpunkt „Teilhabe“ weiter. Zur Umsetzung und Durchführung sollen folgende Instrumente zum Einsatz kommen: Erkenntnisgewinnung über die Lebenslagen von Jugendlichen und auf diesen Erkenntnissen beruhende Jugendpolitik, Peer Learning/Voneinander Lernen, Fortschrittsberichte, Verbreitung der Ergebnisse, Prozessverfolgung/Monitoring, Konsultationen und Strukturierter Dialog mit jungen Menschen und Jugendorganisationen, Einsatz von EU-Programmen und EU-Mitteln.

In der neuen Jugendstrategie taucht erstmalig eine konkrete Definition von Jugendarbeit auf, wie sie auf der europäischen Ebene verstanden wird: „Jugendarbeit“ umfasst danach ein breites Spektrum an Aktivitäten sozialer, kultureller, bildungs- oder allgemeinpolitischer Art, die von und mit jungen Menschen und für diese durchgeführt werden. Diese erstrecken sich zusehends auch auf Sport und Leitungsangebote für junge Menschen. Die Jugendarbeit gehört zum Bereich der außerschulischen Erziehung sowie der zielgruppenorientierten Freizeitbeschäftigung, die von professionellen oder freiwilligen Jugendleiter(innen) durchgeführt werden, und beruht auf nichtformalen Lernprozessen und auf freiwilliger Teilnahme.

Auf der Grundlage der Jugendstrategie und dieser Definition soll untersucht und erörtert werden, in welcher Weise die Jugendarbeit zur Verwirklichung dieser Ziele beitragen und wie sie unterstützt und ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Leistung anerkannt werden kann. Zu den zu erörternden Aspekten gehören: angemessene Schulung der Jugendleiter(innen), Anerkennung ihrer professionellen Fähigkeiten mit geeigneten europäischen Instrumenten, Förderung der Mobilität von Jugendleiter(innen) und Förderung innovativer Angebote und Konzepte für die Jugendarbeit.

Im ersten Jahr der neuen EU-Jugendstrategie beschäftigten sich die Mitgliedstaaten zunächst mit der nationalen Umsetzung. In Deutschland erfolgte der offizielle Start im Oktober mit folgenden Eckpfeilern:

1. Bund-Länder-Zusammenarbeit
Sie beruht auf einem Beschluss der Familienminis¬terkonferenz im Juni 2010. Geplant sind die Verabredung von Verfahrensgrundsätzen und die Einigung auf gemeinsame Zielsetzungen und Themen, deren Verfolgung einen europäischen Mehrwert ermöglichen.

2. Koordinationsstelle zum Strukturierten Dialog
Für die Koordination eines „Strukturierten Dialogs mit Jugendlichen in Deutschland“ auf verschiedenen kommunalen, Landes- und Bundesebenen wurde eine Koordinierungsstelle beim Deutschen Bundesjugendring (DBJR) eingerichtet.

3. Einrichtung eines Beirates
Vertreter der von bundesweit arbeitenden Trägern und Experten der Jugendhilfe begleiten in einem Beirat die Umsetzung der Jugendstrategie.

4. Ressortübergreifende Zusammenarbeit
Ein Kerngedanke der EU-Jugendstrategie – die Koordination derjenigen Politikbereiche und Entscheidungen, welche die Rahmenbedingungen für das Aufwachsen junger Menschen entscheidend mitbestimmen – wird durch die Einrichtung einer hausinternen Arbeitsgruppe im Bundesministerium (BMFSFJ) umgesetzt.

5. Unterstützung des Transfers zwischen Deutschland und Europa
Um die Zusammenarbeit mit der EU zu vertiefen und deutsche Entwicklungen auf die EU-Ebene zu transportieren, ist bei der Nationalagentur JUGEND für Europa eine „Schnittstelle EU“ geschaffen worden.

6. Wissenschaftliche Begleitung
Die Bund-Länder-Kooperation und der Strukturierte Dialog werden wissenschaftlich begleitet durch das Deutsche Jugendinstitut (DJI) und das Centrum für angewandte Politikforschung (C.A.P.)

Hinzu kommt aktuell eine Initiative der Kommission zur Förderung der Mobilität junger Menschen. „Youth on the Move – die Mobilität junger Menschen zu Lernzwecken fördern“ (siehe nachfolgender Artikel). Dieser Vorschlag geht auf eine der sieben Leitinitiativen der Europa 2020 Strategie zurück. Das Thema Jugend ist damit auf europäischer Ebene so prominent wie noch nie platziert. Dennoch muss sehr kritisch begleitet werden, mit welcher Zielrichtung dieses passiert. Das Hauptziel von „Europa 2020“ ist die Beschäftigungsförderung unter den gegenwärtigen Aspekten des demographischen Wandels, des Wettbewerbs um qualifizierte Fachkräfte, einem sich abzeichnenden Fachkräftemangel und hohen Schulabbrecherquoten. Die Dominanz der formalen Bildung ist hier unübersehbar. Deshalb muss der Vernachlässigung von persönlichkeitsbildenden Angeboten und Freiräumen zur Selbstbildung und Selbstorganisation wie sie Angebote evangelischer Jugendarbeit beinhalten, entgegengewirkt werden.

Deutlich wird die Dominanz der formalen Bildung z.B. an den beginnenden Diskussionen um die Zukunft des Programms JUGEND in AKTION ab 2014. Hier gab es Ideen, unter der Überschrift „Jugend in Bewegung“ das Jugendprogramm in das ausschließlich formale Bildungsprogramm Lebenslanges Lernen einzugliedern. Die Gefahr ist also groß, das die Sichtbarkeit und Eigenständigkeit der non-formalen Bildung verloren geht. (Näheres im nachfolgenden Artikel zur Konsultation zum neuen Jugendprogramm)

Die Entschließung des Rates finden Sie hier:
http://www.jugendpolitikineuropa.de/downloads/22-177-685/Amt_erneuert.pdf

 



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