Vor Cancún: Skepsis ist angebracht

(Patrick Roger Schnabel)

Am 25. November 2010 verabschiedete das Europäische Parlament eine Resolution, in der es fordert, dass die EU ihr Einsparungsziel für CO2-Emissionen auch „im eigenen wirtschaftlichen Interesse“ von minus 20 % auf minus 30 % erhöht. Damit stellen sich die Parlamentarier gegen die Position von Rat und Kommission, die die Erhöhung an vergleichbare Angebote der anderen Industriestaaten koppeln wollen. Die Resolution kam kurz vor Beginn der 16. Weltklimakonferenz am 29. November 2010 in Cancún. Nachdem vor einem Jahr in Kopenhagen die Erwartungen der Weltöffentlichkeit enttäuscht worden waren und auf den Vorbereitungskonferenzen kaum Fortschritte erreicht werden konnten, herrscht allgemeine Skepsis über die Aussichten, zu einem rechtlich verbindlichen Nachfolgeabkommen für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll zu kommen. Besonders die Weigerung der Hauptemittenten USA und China, sowie großer Schwellenländer wie Indien, sich auf internationale Verpflichtungen einzulassen, erschweren die Verhandlungen.

Die EU hat unterdessen signalisiert, dass sie auch mit einer Fortschreibung des Kyoto-Protokolls leben könnte. Dies war bisher abgelehnt worden, da Kyoto wesentliche Staaten und wesentliche Emittenten wie den Flugverkehr nicht berücksichtigt. In seinen Schlussfolgerungen vom 14. Oktober 2010 erwägt der Rat (Umwelt) jedoch diese Option – allerdings nur, wenn es Veränderungen am Protokoll gibt. Den Vorzug würde er weiterhin einem einzigen, globalen und umfassenden Rechtsrahmen für alle wesentlichen Volkswirtschaften geben.

In der EU war schon vor der EP-Entschließung die Debatte entbrannt, ob die Erhöhung der eigenen Reduktionsziele für CO2 weiterhin an Bedingungen geknüpft werden sollte: Die Kommission hatte selbst eine Studie vorgestellt, nach der die Anhebung von jetzt 20 % auf dann 30 % gegenüber 1990 durchaus im Rahmen des machbaren ist – ohne sich selbst auf diese Position festzulegen.

Auch die EKD-Synode hat in einem Beschluss vom 9. November 2010 dazu aufgefordert, sich in der EU das Ziel von 30 % ohne Vorbedingungen zu eigen zu machen und für Deutschland 40 % anzustreben. Dieser Wert ist ohnehin im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Es wäre daher auch im deutschen Interesse, dass die EU den höheren Wert annimmt und Deutschland die zügige Transformation der Wirtschaft nicht allein anstreben muss. Zudem sprechen auch mittelfristige ökonomische Argumente dafür: Obwohl viele Länder sich nicht rechtlich binden wollen, hat der Wettbewerb um die Spitzenposition in einer neuen low-carbon-economy längst begonnen. Daneben bleibt das Argument gültig, dass 30 % nötig sind, um die Erderwärmung auf 2°C zu begrenzen: bis zu diesem Wert gelten die Schäden durch den Klimawandel als noch kompensierbar.

Die EKD-Synode rief gleichzeitig dazu auf, die Zusage einzuhalten, 2010 bis 2012 insgesamt 7,2 Milliarden Euro für den Schnellstartmechanismus in der Finanzhilfe für Anpassungs- und Begrenzungsmaßnahmen in Entwicklungsländern zur Verfügung zu stellen. Die Einhaltung dieser Verpflichtung, die zusätzlich zu bereits im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit zugesagten Mitteln aufgebracht werden soll, gilt als Maßstab der Glaubwürdigkeit der EU und anderer Industrienationen, ihren Beitrag zu erbringen. Allerdings schien die EU zuletzt ihre Zusagen nicht einhalten zu können, weil Italien aufgrund der Haushaltseinschnitte seinen Teil nicht erbringen wird.

Eine gute Nachricht ist demgegenüber, dass die alten 12 EU-Staaten ihr Ziel, bis 2012 die Emissionen um 8 % gegenüber 1990 zu reduzieren, übererfüllt haben. Vermutlich wird der erreichte Wert bei 14 % liegen. Eine, wenn auch geringere, Übererfüllung liegt sogar dann noch vor, wenn die krisenbedingten Faktoren herausgerechnet werden. Dieser Erfolg spricht auch für ein Reduktionsziel von 40 %.

Eines der Hauptziele der EU bei den Verhandlungen in Cancún dürfte sein, den Flugsektor mit in ein Kyoto II oder Kyoto-Nachfolgeprotokoll mit einzubeziehen. Ändert sich nichts, liegen die Emissionen dieser Wachstumsbranche 2020 um 75 % höher als noch 2005, Tendenz weiter steigend. Ohne eine Einbeziehung in Emissionshandelssysteme sind diese Wachstumsraten geeignet, Erfolge an anderer Stelle zunichte zu machen.

Doch nicht alle Maßnahmen der EU sind geeignet, das gesteckte Ziel zu befördern. Umstritten bleibt die Vorgabe, bis 2020 10 % des Kraftstoffverbrauchs durch Biokraftstoffe abzudecken. Neue Studien weisen darauf hin, dass durch die mit dem Anbau der Grundstoffe verbundenen Emissionen insgesamt sogar ein für das Klima negativer Effekt auftreten könnte. Entwicklungshilfeorganisationen warnen zudem vor einer Verdrängung der Nahrungsmittelproduktion, die den Hunger in armen Regionen befördert. Klima- und Entwicklungspolitik dürfen sich nicht gegenseitig widersprechen.

Die Schlussfolgerungen des Rates finden Sie hier:
http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/10/st14/st14957.de10.pdf

Die Studie zur Emissionsreduktion finden Sie hier:
http://ec.europa.eu/clima/policies/brief/eu/index_en.htm

 



erweiterte Suche