Kommission will Endlagerdebatte beschleunigen

(Katrin Hatzinger)

Am 3. November 2010 hat die Europäische Kommission einen Richtlinienvorschlag über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle vorgelegt. Hintergrund der Initiative ist der Umstand, dass auf dem Gebiet der Europäischen Union laut EU-Kommission derzeit in 14 Ländern 143 Atomkraftwerke in Betrieb sind - davon 58 in Frankreich und 17 in Deutschland. Im Durchschnitt fallen jedes Jahr etwa 7000 Kubikmeter hochradioaktiver Abfälle an. Doch noch gibt es weder in einem der EU-Staaten noch weltweit ein Endlager.

Die Kommission schlägt deshalb vor, einen verbindlichen und durchsetzbaren EU-Rechtsrahmen zu schaffen und auf diese Weise sicherzustellen, dass alle Mitgliedstaaten die gemeinsamen Standards anwenden, die im Kontext der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) für sämtliche Stadien der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle bis hin zur Endlagerung entwickelt wurden.

Insbesondere sieht die Richtlinie vor, dass:
- die Mitgliedstaaten innerhalb von vier Jahren nach Verabschiedung der Richtlinie nationale Programme erstellen müssen, die:
- Pläne für den Bau und den Betrieb von Endlagern mit einem konkreten Zeitplan für die Errichtung der Anlagen und Angaben zu den Zwischenetappen, einer Beschreibung sämtlicher zur Umsetzung der Endlagerungslösungen erforderlichen Tätigkeiten, Kostenbewertungen sowie Angaben zu den geltenden Finanzregelungen enthalten müssen.
- Die nationalen Programme sind der Kommission zu notifizieren und sie kann die Mitgliedstaaten auffordern, ihre Pläne abzuändern.
- Zwei oder mehrere Mitgliedstaaten können untereinander Vereinbarungen über die Nutzung eines Endlagers in einem dieser Mitgliedstaaten treffen.
- Die Öffentlichkeit muss von den Mitgliedstaaten informiert werden und sollte die Möglichkeit haben, sich an der Entscheidungsfindung zu beteiligen.
- Die von der Internationalen Atomenergieorganisation entwickelten Sicherheitsstandards werden rechtsverbindlich.

Aus kirchlicher Sicht positiv zu bewerten ist, dass der Richtlinienvorschlag klar benennt, dass bislang in keinem der 27 EU Mitgliedstaaten eine Lösung für die Endlagerfrage gefunden worden ist. Somit werden die Mitgliedstaaten durch den Vorschlag unter Druck gesetzt, sich verstärkt der Suche nach passenden Stätten für die Endlagerung zu widmen und diese wichtige Frage nicht länger aufzuschieben. Bis 2015 sollen sie nationale Programme vorlegen, wann, wo und wie sie höchsten Sicherheitsstandards entsprechende Endlager bauen wollen. Zu begrüßen ist auch, dass in dem Vorschlag angedacht ist, die Transparenz zu erhöhen, indem etwa die Öffentlichkeit bzw. Interessengruppen an der Entscheidungsfindung zur Endlagerung beteiligt werden und dass ausdrücklich der Transport von Atommüll in Drittstaaten untersagt wird. Die Verantwortung für die Entsorgung liegt bei den Mitgliedstaaten.

Problematisch könnte es aus deutscher Sicht sein, wenn bei der Suche nach Sicherheitsstandards nur der kleinste gemeinsame Nenner in der EU erreicht werden und die hohen deutschen Standards, die vom „Arbeitskreis Endlager“ (AK End) in großem Konsens formuliert worden sind, aufgeweicht werden würden. Wo genau Endlager entstehen sollen und wann sie ihren Betrieb aufnehmen, bleibt nämlich Angelegenheit der nationalen Regierungen. Damit könnte sich die Lösung des Problems faktisch nochmals um Jahrzehnte verzögern.

In der Öffentlichkeit ist der Richtlinienvorschlag bislang auf gespaltene Resonanz gestoßen: Das Deutsche Atomforum und die Bundesregierung begrüßten den Kommissionsvorschlag. "Die Lagerung in großen Tiefen sei die "sicherste und nachhaltigste Möglichkeit" der Endlagerung, heißt es in dem Entwurf. Dies wird jedoch von der GRÜNEN-Fraktionsvorsitzenden im Europäischen Parlament Rebecca Harms bestritten. Sie moniert, dass eine Analyse der schwerwiegenden Probleme der verschiedenen Endlagerprojekte in dem Vorschlag fehlen würde und auch für das Suchverfahren für ein Endlager keine konkreten Vorgaben gemacht werden. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) sieht in dem Vorschlag Oettingers einen "durchsichtigen Flankenschutz für die Pläne der Bundesregierung, im Salzstock Gorleben ein Endlager für hochradioaktive Abfälle zu errichten". Die Synode der EKD hat auf ihrer Tagung am 10. November in Hannover in einem Beschluss zur Endlagerfrage Stellung genommen und ihre Forderung an die Bundesregierung bekräftigt, die Empfehlung des Ak End von 2002, mehrere Standorte in der Bundesrepublik Deutschland parallel und ergebnisoffen zu erkunden, unverzüglich umzusetzen.

Den Vorschlag der Kommission finden Sie unter:
http://ec.europa.eu/energy/nuclear/waste_management/waste_management_en.htm

Den Beschluss der EKD Synode finden Sie hier:
http://www.ekd.de/synode2010/beschluesse/beschluss_s10h_laufzeitverlaengerung_und_endlagerung.html

 



erweiterte Suche