Der Bevollmächtigte des Rates der EKD

Europa-Newsletter Nr. 125

Im EU-Parlament formiert sich Widerstand gegen die geplante Arbeitszeitrichtlinie

Patrick Roger Schnabel

Am 20. Oktober 2008 wird der Beschäftigungsausschuss des Europäischen Parlaments (EP) in zweiter Lesung über die Revision der Arbeitszeit-Richtlinie beraten. Als einen Vorgang ohne Präzedenz bezeichnet dessen Berichterstatter, der spanische Sozialist Alejandro Cercas, den vom Europäischen Rat dem EP für die zweite Lesung überstellten Entwurf für eine revidierte Arbeitszeitrichtlinie. Nie zuvor, so der Abgeordnete, hätte eine Überarbeitung zur Verschlechterung der sozialen Standards auf europäischer Ebene geführt. Kritisiert wird insbesondere, dass zwar generell weiterhin 48 Stunden wöchentlicher Höchstarbeitszeit gelten sollen, Arbeitnehmer aber ein opt-out aushandeln können, das bis zu 65 Stunden vorsieht. Mit ihren Befürchtungen, die Freiwilligkeit sei hierbei in höchstem Maße zweifelhaft, stehen die kritischen Abgeordneten nicht allein: Die Einigung im Rat war nicht einstimmig, da Spanien, Belgien, Griechenland, Ungarn und Zypern die Vorschläge zur Erhöhung der Arbeitszeit strikt ablehnten und das EU-Parlament aufforderten, sich dagegenzustellen. Auch die Gewerkschaften sind sich in ihrer Ablehnung einig.

Aus kirchlicher Sicht hat die Richtlinie noch eine zusätzliche Bedeutung: In ihrer ursprünglichen Fassung von 1993 sah sie noch vor, dass der vorgesehene wöchentliche Ruhetag auf dem Sonntag liegen solle. Das hat der Europäische Gerichtshof 1996 für nichtig erklärt, weil der Rat nicht hätte darlegen können, warum dies dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer diene. Dies wäre deswegen notwendig, weil die EU keine Kompetenzen in den Bereichen Kultur, Familie oder Religion hat, für die natürlich offensichtlichere Argumente auf der Hand liegen.

Dennoch bestätigen viele Studien, dass die psychische Gesundheit, die sich ja auch unmittelbar auf das physische Befinden niederschlägt, durch Faktoren wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geprägt sind - mit der Folge, dass Arbeitnehmer, die sonntags arbeiten müssen, höhere Krankheitsquoten aufweisen. Es besteht ökumenische Einigkeit, dass diese Erkenntnisse helfen sollten, den Sonntagsschutz wieder in die Diskussion zu bringen — zumal in fast allen Mitgliedstaaten immer mehr Menschen am Sonntag arbeiten müssen. So haben z.B. die Niederlande den - zuvor abgeschafften - Sonntagsschutz wieder eingeführt.

Die nächsten Wochen werden zeigen, wie erfolgreich die Kritiker des vorliegenden Entwurfs im Parlament sein werden. Am 3. Oktober 2008 wird Cercas seinen Berichtsentwurf vorlegen, am 20. Oktober 2008 soll dieser dann zunächst im Beschäftigungsausschuss diskutiert werden. Im Plenum des EP soll er dann im Dezember debattiert werden. Fallen die Anderungswünsche der Parlamentarier sehr grundsätzlich aus (was zu erwarten steht), dürfte ein längeres Vermittlungsverfahren mit dem Rat folgen.

Der Richtlinienvorschlag findet sich unter:
http://www.europarl.europa.eu/oeil/file.jsp?id=5202562&language=en&mailer=true



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