Der Bevollmächtigte des Rates der EKD

Europa-Newsletter Nr. 125

EU-Innenminister sind "not amused" - Debatte über die Auswirkungen der "Metock"-Rechtsprechung

Sonja Stadier/ Katrin Hatzinger

Eine Aussprache über die Folgen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg zum Nachzug von drittstaatsangehörigen Familienangehörigen zu Unionsbürgern stand am 25. September 2008 auf der Tagesordnung des Treffens der europäischen Justiz- und Innenminister. In einem Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Ireland (Rechtssache "Metock") hatte der EuGH am 25. Juli 2008 über die Auslegung von Art. 3 Abs. l der Richtlinie 2004/38/ EG entschieden.

Der EuGH hat geurteilt, dass nationale Regelungen, wonach sich das Aufenthaltsrecht eines Drittstaatsangehörigen, der Ehegatte eines Unionsbürgers ist, der sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, danach bestimmt, dass er sich vor seiner Einreise in den Aufnahmemitgliedstaat zunächst rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten haben muss, nicht mit der Richtlinie 2004/38/EG vereinbar sind. Art. 3 Abs. l der Richtlinie sei vielmehr dahingehend auszulegen, dass für den Nachzug des Ehegatten keine Rolle spielen darf, wo und wann die Ehe geschlossen wurde. Ebenfalls dürfe hierfür nicht in Erwägung gezogen werden, wie der Drittstaatenangehörige in den Aufnahmemitgliedsstaat eingereist ist.

Damit ist die gesetzliche Regelung Irlands, die Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens war, europarechtswidrig. Nach irischem Recht hängt der Nachzug des drittstaatsangehörigen Ehegatten davon ab, dass dieser bereits bevor er in den Aufnahmestaat einreist seinen rechtmäßigen Aufenthalt in einem EU-Mitgliedsstaat hatte.

Aus kirchlicher Sicht ist das Urteil zu begrüßen. Es trifft einige wichtige Klarstellungen, so z.B., dass sich drittstaatsangehörige Familienangehörige eines Unionsbürgers auch dann auf die Freizügigkeit nach Art. 3 Abs. l RL 2004/38/EG berufen können, wenn sie sich zuvor nicht rechtmäßig, sondern z.B. als Asylbewerber, in einem EU-Staat aufgehalten haben. Außerdem hat die Entscheidung auch bedeutsame Folgen für die Anforderungen an das Visumverfahren. Der EuGH stellt fest, dass die Mitgliedstaaten keine Regelungsbefugnis haben, um den Nachzug von drittstaatsangehörigen Familienangehörigen zu regeln: "Die Auffassung, die vom Justizminister sowie von mehreren Regierungen, die Erklärungen abgegeben haben, vertreten worden ist, wonach die Mitgliedstaaten, vorbehaltlich von Titel IV des Dritten Teils des Vertrags, die ausschließliche Zuständigkeit dafür behielten, den erstmaligen Zugang von Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die die Staatsangehörigkeit eines Drittlands besäßen, zum Gemeinschaftsgebiet zu regeln, ist daher zurückzuweisen."

Den Einwänden mehrer Mitgliedstaaten, dass eine Auslegung der Richtlinie 2004/38, wonach es einem Mitgliedstaat untersagt sei, einen vorherigen rechtmäßigen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat zu verlangen, die Fähigkeit der Mitgliedstaaten untergraben würde, der Zuwanderung an ihren Außengrenzen Herr zu werden, kann der EuGH nicht folgen. Er hält dem entgegen, dass nur diejenigen aus der Richtlinie 2004/38 das Recht ableiten könnten, in einen Mitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten, die im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie Familienangehörige eines Unionsbürgers seien.

Zum anderen hätten die Mitgliedstaaten weiterhin die Möglichkeit, die Einreise der Familienangehörigen von Unionsbürgern in ihr Hoheitsgebiet zu kontrollieren. Denn aufgrund von Kapitel VI der Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten, wenn dies gerechtfertigt sei, die Einreise und den Aufenthalt aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit verweigern. Eine solche Weigerung müsse aber auf eine individuelle Prüfung des Einzelfalls gestützt werden. Außerdem dürften die Mitgliedstaaten Maßnahmen erlassen, die notwendig sind, um die durch diese Richtlinie verliehenen Rechte im Falle von Rechtsmissbrauch oder Betrug — wie z. B. durch Eingehung von Scheinehen — zu verweigern, aufzuheben oder zu widerrufen, vorausgesetzt, dass solche Maßnahmen verhältnismäßig sind und den Verfahrensgarantien dieser Richtlinie unterliegen.

Für Deutschland bedeutet das Urteil, dass die derzeitige Praxis des Auswärtigen Amtes, die von drittstaatsangehörigen Ehegatten eines Unionsbürgers, z. B. von der chinesischen Ehefrau eines in Deutschland arbeitenden Finnen, Deutschsprachkurse und -sprachtests noch vor der Einreise verlangt, europarechtswidrig ist. Gleichzeitig wird durch dieses Urteil die sog. Inländerdiskriminierung deutlich sichtbar, denn die chinesische Ehefrau eines Deutschen benötigt weiterhin den Nachweis über deutsche Sprachkenntnisse. Somit werden deutsche Staatsangehörige beim Nachzug ihrer ausländischen Ehegatten im deutschen Aufenthaltsgesetz schlechter behandelt als ein Unionsbürger oder Staatsangehörige der privilegierten Staaten, wie zum Beispiel Koreaner, Australier, Amerikaner oder Kanadier.

Die Kirchen hatten in der Vergangenheit wiederholt die strengen und diskriminierenden Regelungen im Aufenthaltsgesetz zum Familiennachzug kritisiert.

Da neben Irland und Deutschland, auch Dänemark, Österreich oder die Niederlande entsprechende Regelungen kennen, stand das Thema auf der Tagesordnung des Rates der Innen- und Justizminister. Die Minister zeigten sich von dem EuGH-Urteil wenig begeistert und begrüßten die Ankündigung der Europäischen Kommission, einen Evaluierungsbericht zur Umsetzung der Richtlinie noch in diesem Jahr vorzulegen.

Unterdessen hat die Kommission am 8. Oktober 2008 eine Mitteilung zur Notwendigkeit weiterer Harmonisierung im Bereich der Familienzusammenführung von Nicht-EU Bürgern, die sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat der EU aufhalten, vorgestellt. In den letzen 20 Jahren hat sich der Nachzug von Familienangehörigen von Nicht-EU Bürgern zum Hauptmotiv für legale Migration in die EU entwickelt. Außerdem kündigte sie an, ein Grünbuch über die Zukunft dieses Bereichs vorlegen zu wollen und auf dessen Grundlage die notwendigen Änderungen an der Familienzusammenführungsrichtlinie (KOM 2003/ 86/ EG) vorzunehmen.



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