Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel

EU-Religionsführertreffen: EKD -Bevollmächtigter für „mehr Europa“

(Patrick Roger Schnabel)

 

Am 19. Juli 2010 fand in Brüssel das seit 2005 jährlich abgehaltene „Europäische Religionsführertreffen“ statt. Nachdem das Amt durch den Lissabon-Vertrag neu geschaffen worden war, nahm daran erstmals auch der Präsident des Europäischen Rates, Hermann van Rompuy, teil. Der Initiative des Präsidenten der EU-Kommission, Manuel Barroso, hatten sich schon in den Vorjahren der Präsident des Europäischen Parlaments und einige Kommissare angeschlossen. Auf Seite der Religionen wurden in diesem Jahr erstmals auch Vertreter der Buddhisten und Sikh eingeladen, die im Vereinigten Königreich große Religionsgemeinschaften bilden.

 

Der Präsident des Europäischen Rates, van Rompuy, betonte, der Dialog mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften sei nicht nur eine rechtliche Verpflichtung der EU, sondern den Verantwortlichen auch ein politisches Anliegen.

 

Das halbtägige Treffen stand unter dem Motto des Europäischen Jahres gegen Armut und soziale Ausgrenzung. Damit wurde das Thema des Europäischen Jahres 2010 aufgenommen, das auch die EKD und ihre Werke in Deutschland aktiv mitgestalten. Der Bevollmächtigte des Rates der EKD, Prälat Dr. Bernhard Felmberg, rief die Mitgliedstaaten der EU zu mehr Geschlossenheit und mutigerem gemeinsamen Handeln angesichts der Euro-Krise auf. „Die Chance liegt darin, Europa wirklich als gemeinsames Haus zu begreifen“, betonte Felmberg. Er mahnte, eine gemeinsame Währungspolitik sei ohne eine abgestimmte europäische Wirtschaftspolitik zum Scheitern verurteilt, und unterstrich die Notwendigkeit, in Krisenzeiten das Bewusstsein für die Schicksalsgemeinschaft Europa zu schärfen und mehr Europa zu wagen. Prälat Felmberg betonte, dass die soziale Marktwirtschaft, die die Grundlage der neuen EU-Strategie bis 2020 ist, den Aspekt der Solidarität stark mache. Hier das Statement von Prälat Dr. Bernhard Felmberg im Wortlaut:

 

» ‚Krise‘ heißt übersetzt Entscheidung. Die Euro-Krise hat den Bürgern der EU verdeutlicht, dass sie wirklich in einer Europäischen Gemeinschaft leben. Wir sind aufeinander angewiesen. Die Chance der Krise liegt darin, Europa wirklich als ein gemeinsames Haus zu begreifen. Wir alle leben unter einem Dach. Wir brauchen in diesem Haus noch klarere Regeln, eine Hausordnung, damit das Haus und seine Bewohner keinen Schaden nehmen. Das heißt konkret, dass eine gemeinsame Währungspolitik ohne eine stark mit einander abgestimmte europäische Wirtschaftspolitik zum Scheitern verurteilt ist. Die Evangelische Kirche unterstützt deshalb Ihre politischen Bemühungen das Wirtschaftshandeln der Europäischen Union stärker zu verschränken.

 

Als EKD wollen wir Sie aktiv unterstützen, das Bewusstsein bei den Menschen zu stärken, mehr Europa zu wagen. Der offene, transparente und regelmäßige Dialog mit Ihnen und Ihren Mitarbeitern bietet uns durch den Lissabonvertrag verstärkt die Möglichkeit, den europäischen Integrationsgedanken zu befördern, indem wir die Ideen der Kirche einbringen.

 

Es ist daher gut, dass die kirchlichen Vorschläge eines quantifizierbaren Ziels der Armutsbekämpfung in der EU 2020 Strategie aufgenommen wurden. Ich finde es auch bemerkenswert, dass, trotz der schwierigen Wirtschaftslage in der EU, ein klares Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft gesprochen wird. Die EKD hält dies für eine richtige Weichenstellung. Es ist ein christliches Kernanliegen den sozialen Zusammenhalt zu fördern. Wir stehen für ein Miteinander, für Solidarität untereinander: Aus evangelischer Sicht ist die Gemeinschaft der Glaubenden die Triebfeder für das soziale Bewusstsein in Europa. Wir dürfen uns jedoch nicht nur auf Armutsbekämpfung beschränken, sondern wir müssen den Armen auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens eine Teilhabe ermöglichen. Chancengleichheit läuft ohne materielle Verteilungsgerechtigkeit ins Leere. Aber ohne die Schaffung von Teilhabegerechtigkeit – insbesondere im Bildungssystem und am Arbeitsmarkt – ist der traditionelle Verteilungsstaat unvollkommen. Armutsbekämpfung muss also stets auf gesellschaftliche Teilhabe gerichtet sein.

 

Als Protestanten sind wir auf dem Weg in das Jahr 2017. Dort feiern wir 500 Jahre Reformation. In diesem Jahr gedenken wir auf dem Weg dorthin des großen Reformators und Lehrers Deutschlands und Europas Philip Melanchthon. Schon Melanchthon erkannte, dass ein umfassender Bildungsbegriff, der Verfügungs- und Orientierungswissen beachtet, der Schlüssel zur Bewältigung gesellschaftlicher Umbrüche und Krisenzeiten ist.

 

Ausgehend von solch einem integrativen Bildungsverständnis, das den ganzen Menschen in den Mittelpunkt stellt, müssen Werte und Fähigkeiten gefördert werden, die nicht wirtschaftlich verrechenbar sind. Der Zugang zu Bildung muss verbessert werden. Dann tragen wir dazu bei, dass Bildungsarmut ein Begriff wird, der in Europa nicht mehr gekannt wird. «

 

Mehr über das Treffen lesen Sie unter:

http://www.ekd.de



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