Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel

Europa-Informationen Nr. 133

EU-Grenzschutzagentur soll effektiver werden – Kommission legt Vorschlag für veränderte Frontex-VO vor

(Katrin Hatzinger / Mira B. Ragunathan, Praktikantin)

Am 24. Februar 2010 hat die Europäische Kommission ihre Vorschläge zur Überarbeitung der sog. Frontex-Verordnung vorgestellt. Nach den Ergebnissen einer Evaluierung und nach Angaben der Kommission haben die EU-Länder bei der Steuerung der Einwanderung durch die EU-Agentur Frontex bislang nur in begrenztem Maße zusammengearbeitet. Grund hierfür waren laut Kommission die mangelnden Ressourcen der Agentur und die unzureichende Koordinierung zwischen nationalen Behörden. So seien statt acht nur 18 Flugzeuge, fünf statt 20 Hubschrauber und zwölf statt 91 Schiffe zum Einsatz gekommen.

Mit dem Vorschlag soll nun sichergestellt werden, dass künftig ein „klar definiertes und ordnungsgemäßes Funktionieren der Agentur“ gewährleistet ist. Frontex soll Hauptakteur für das EU- Grenzmanagement und die Koordinierung der Einätze werden, die Mitgliedstaaten sollen aber weiterhin für den Schutz der Außengrenzen verantwortlich bleiben. Deshalb soll das Mandat der Agentur präzisiert und sollen festgestellte Schwachpunkte behoben werden. Die Forderung nach einer Stärkung von Frontex findet sich auch im Stockholmer Programm und in dem Papier der Europäischen Innenminister vom 25. Februar 2010 „29 Maßnahmen zur Stärkung des Schutzes der Außengrenzen und zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung“.

So sieht der Kommissionsvorschlag vor, dass für gemeinsame Grenzpatrouillen zur Unterstützung der Mitgliedstaaten die geeigneten technischen und personellen Ressourcen zur Verfügung stehen. Dazu sollen die EU-Mitgliedstaaten der Agentur einen Pool von Geräten wie Boote und Flugzeuge zur Verfügung stellen. Die Agentur soll zudem in die Lage versetzt werden, schrittweise eigene Ausrüstung anzuschaffen.

Des Weiteren sieht der Vorschlag ausdrücklich vor, dass alle Grenzschutzbeamten, die an Einsätzen teilnehmen, zum Thema Grundrechte geschult sein müssen. Das Mandat der Agentur soll im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Bereich der Grenzverwaltung erweitert werden. Außerdem soll Frontex weiterhin in der Lage sein, gemeinsame Aktionen zur Rückführung von Einwanderern in ihr Herkunftsland zu koordinieren.

Die vorgeschlagenen Änderungen sollten jedoch nicht zu einer Erhöhung des Agenturhaushalts führen, der zwischen 2006 und 2010 bereits von 19 Millionen auf 88 Millionen Euro gestiegen ist.

Erfreulich ist, dass die Beachtung der Grundrechte prominenter als bislang in der Verordnung verankert werden soll. Dies zeigt sich auch in den Erwägungsgründen der Verordnung, wo zum einen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei allen getroffenen Maßnahmen gewahrt sein muss, aber auch „die Grundrechte sowie die Rechte von Flüchtlingen und Asylsuchenden uneingeschränkt“ sichergestellt sein müssen, was „insbesondere das Gebot der Zurückweisung“ einschließt. Dies spiegelt sich nicht nur in der Ausbildung der Grenzschützer wieder, sondern auch in der künftigen Zusammenarbeit mit der Grundrechte-Agentur und v.a. in dem Verhaltenskodex, der bei Abschiebungen Anwendung finden soll. Bemerkenswert ist auch die in den Erwägungsgründen enthaltene Formulierung, dass für „Aktivitäten und Operationen, die nicht mit der Charta der Grundrechte in Einklang stehen“, keine EU-Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden sollen.

Schließlich tauchen die Grundrechte auch im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit mit Drittstaaten auf. Diese seien auch hinsichtlich der Förderung europäischer Grenzschutznormen von Bedeutung (Erwägungsgrund 23). Erfreulich ist also, dass sich langsam die Erkenntnis durchzusetzen scheint, dass Frontex Beamte durchaus in Grund-rechten geschult sein sollten und die Rechte von Flüchtlingen und Asylsuchen auch in Frontex-Einsätzen gewahrt werden müssen.

Sehr begrüßenswert ist, dass der Gedanke eines unabhängigen Abschiebemonitorings im Sinne von Art. 8 VI der Rückführungsrichtlinie sich in Art. 9 III des Verordnungsvorschlags wiederfindet. Da es sehr wahrscheinlich ist, dass die Bedeutung von Frontex bei der Koordinierung von Abschiebungen auf dem Luftweg zunehmen wird, ist dieser Vorschlag eine klare Verbesserung zum Status Quo.

Die Kritik an der Intransparenz der Frontex-Einsätze hat die Kommission wohl bewogen, vorzuschlagen, dass die gemeinsamen Aktionen und Pilotprojekte dem Verwaltungsrat in Form von Evaluierungsberichten vorgelegt werden müssen. Auch wenn man anerkennen kann, dass die erhöhten Anforderungen an die Durchführung einer Aktion eine bessere Nachvollziehbarkeit schafft, sind diese Änderungen nicht geeignet, das parlamentarische Kontrolldefizit hinsichtlich der Tätigkeiten von Frontex auszuräumen. Das Europäische Parlament kann den Exekutivdirektor der Agentur weiterhin lediglich auffordern, über die Erfüllung seiner Aufgaben Bericht zu erstatten.

Die Stärkung und Kompetenzerweiterung der Agentur bei gleichzeitig fehlender Kontrollmöglichkeit durch direkt demokratisch legitimierte Institutionen ist der große Schwachpunkt des Vorschlags. Auch fehlt es weiterhin an einer klaren Verantwortungsteilung zwischen Mitgliedstaaten und Agentur, so dass der „organisierten Verantwortungslosigkeit“ weiterhin Vorschub geleistet wird, v.a. wenn die Agentur künftig auch verstärkt mit Drittstaaten kooperieren soll. In diesem Zusammenhang kann die Tatsache, dass in der Zusammenarbeit auch Menschenrechtsfragen zur Sprache kommen sollen, nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in der Vergangenheit unter Frontex Ägide z.B. zu Rückschiebungen nach Libyen ge-kommen ist. Hier wären Rechenschaft, unabhängiges Monitoring und parlamentarische Kontrolle dringend gefragt.

Der allgemeine Tätigkeitsbericht, der in der Vergangenheit schon als zu lückenhaft kritisiert wurde, kann jedenfalls nicht für ausreichend Transparenz sorgen. Auch eine agenturinterne Evaluation ist nicht geeignet, Bedenken zu zerstreuen. Von daher bleibt der Eindruck, dass derzeit der einseitige politische Wille besteht, Frontex zu stärken, ohne aber gleichzeitig konsequent die externe Evaluierung und parlamentarische Kontrolle der Agentur auszubauen. Eine solche Politik wird sicherlich nicht dazu beitragen, dass Misstrauen hinsichtlich Transparenz und Rechenschaftspflicht der Agentur zu zerstreuen, dazu sind die Änderungsvorschläge zu zaghaft.

Den Vorschlag finden Sie unter:
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:111:0020:0026:EN:PDF

Das Papier der Innenminister zum Schutz der Außengrenzen und zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung finden Sie unter:
http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=PRES/10/42&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=en



erweiterte Suche