Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel

Europa-Informationen Nr. 133

Europäische Kommission drängt auf soziale Integration der Roma

(Solveig Müller)

Im Vorfeld des zweiten europäischen Gipfeltreffens zur Lage der Roma, das am 8. und 9. April 2010 in Córdoba (Spanien) stattfand, veröffentlichte die Europäische Kommission eine Mitteilung mit dem Titel „Soziale und wirtschaftliche Integration der Roma in Europa“ und einen diese Mitteilung begleitenden Fortschrittsbericht. Inhalt beider Dokumente ist die ausdrückliche Forderung an die Mitgliedstaaten, die bereitgestellten EU-Mittel zu nutzen, um die Roma-Gemeinschaften gesellschaftlich und wirtschaftlich zu integrieren.

In den 27 EU-Mitgliedstaaten, den Kandidatenländern und potenziellen Kandidatenländern leben ca. 10-12 Mio. Roma – das entspricht etwa der Einwohnerzahl von Belgien oder Griechenland. Die verschiedenen Roma-Gemeinschaften sind damit die größte ethnische Minderheit Europas. Sie prägen seit mehr als tausend Jahren die europäische Kultur. Doch die leidvolle Geschichte der Roma erzählt nicht selten von Unterdrückung und sozialer Isolation. Im Zusammenhang der politischen Umbrüche in Mittel- und Osteuropa haben Populisten und nationalistische Gruppierungen die Roma wieder verstärkt ins Visier ihrer auf Stereotypen und Vorurteilen basierenden Kampagnen genommen. Das hat Diskriminierung, soziale Ausgrenzung und Segregation zur Folge. Roma ist der Zugang zum Arbeitsmarkt, zu hochwertiger Bildung, zu Wohnraum und Gesundheitsversorgung oft erschwert. Daraus resultieren ein niedriges Einkommensniveau, ein schlechter Gesundheitszustand und schließlich eine geringere Lebenserwartung. Alarmierend ist vor allem die Zunahme von rassistisch motivierten Übergriffen, die zuletzt immer wieder auch Todesopfer gefordert haben.

Im Duktus der Europäischen Kommission formuliert deren Mitteilung, die Ausgrenzung der Roma sei „nicht nur mit großem menschlichen Leid“ verbunden, „sondern auch mit hohen direkten Kosten für die öffentlichen Haushalte sowie mit indirekten Kosten durch Produktivitätsverluste“. Eine vollständige Integration der Roma hätte besonders für die Länder mit rückläufigen Bevölkerungszahlen erhebliche wirtschaftliche Vorteile. Diese könnten es sich nicht leisten, einen großen Teil ihrer potenziellen Arbeitskräfte auszugrenzen. Im Gegensatz zu solchen ökonomisch geleiteten Interessenbekundungen, bezeichnet Viviane Reding, Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, die Situation der Roma aus einem anderen Grund als „nicht hinnehmbar“. Die Europäische Union, die sich in ihrer Charta der Grundrechte auf hohe Werte gründet, müsse auch die Achtung der Grundrechte der Roma sicherstellen.

Um der Komplexität und der Interdependenz der Probleme zu begegnen, stellt die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung eine Reihe von Maßnahmen vor, die sie mittelfristig (2010-2012) angehen will. Grundsätzlich weist sie darauf hin, dass die notwendigen Strategien zur sozialen und ökonomischen Integration der Roma deren Inhomogenität gerecht werden müssen. Es kann deshalb nur um differenzierte Ansätze gehen, die den geographischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und rechtlichen Kontext der unterschiedlichen Roma-Gemeinschaften berücksichtigen. Gleichzeitig dürfe jedoch nicht isoliert, sondern integrativ operiert werden. Alle Problemfelder, die die Marginalisierung der Roma begründen, müssen in deren gegenseitiger Wechselwirkung Beachtung finden, damit die Projekte vor Ort sichtbare Wirkung zeigen können. Für die Planung und Umsetzung solcher „integrierte Roma-Strategien“ stehen den Mitgliedstaaten verschiedene Finanzinstrumente zur Verfügung: die EU-Strukturfonds einschließlich des Europäischen Sozialfonds, der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) sowie das Instrument für die Heranführungshilfe (IPA). Die Mitgliedstaaten sind aufgerufen, diese Finanzmittel zu nutzen. Dem Ansatz entsprechend soll es dabei um die Einbeziehung der Roma-Belange in alle relevanten nationalen und europäischen Politikbereiche, wie z.B. Bildung, Beschäftigung, öffentliche Gesundheit, Infrastruktur und Stadtplanung gehen. Für eine kohärente Durchführung sei außerdem die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, insbesondere mit denen der Roma auf allen Stufen und Ebenen des Prozesses nötig. Schließlich werden die Mitgliedstaaten zur strukturierten Zusammenarbeit im Rahmen der offenen Koordinierungsmethode aufgerufen. Der Erfahrungsaustausch zwischen nationalen Verwaltungen über erfolgreiche Programme müsse entsprechend ausgebaut werden.

Am Ende des zweiten Europäischen Gipfels zur Integration der Roma verpflichteten sich die spanische, belgische und ungarische Ratspräsidentschaft, die Belange der Roma in alle relevanten Strategien einzubeziehen, die Aktionen der Europäischen Plattform zur Einbeziehung der Roma voranzutreiben, die Strukturfonds der EU wirksam einzusetzen und die Integration der Roma im Rat der Europäischen Union weiter zu verhandeln. Es bleibt zu hoffen, dass dabei nicht nur wirtschaftspolitische Interessen leitend sind.

Die Mitteilung der Kommission finden Sie unter:
http://eur-lex.europa.eu/



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