Der Bevollmächtigte des Rates der EKD

Europa-Newsletter Nr. 125

Europäisches Parlament fordert Europäische Kommission zur Reform des Dublin-Systems auf

Sonja Stadier / Praktikantin

Am 2. September 2008 hat das Europäische Parlament (EP) in Brüssel mit überwältigender Mehrheit (609 : 53 Stimmen bei 3 Enthaltungen) eine Entschließung beschlossen, die auf eine Initiative von Jean Lambert aus der GRÜNEN-Fraktion zurückgeht und das bestehende Dublin-System zur Aufnahme von Flüchtlingen verbessern soll.

Wegen der praktischen Probleme, die unter Anwendung des Dublin-Systems, sowohl für die beteiligten Staaten als auch für die Flüchtlinge selbst entstanden sind, fordert das Europäische Parlament (EP) in seinem Beschluss die Europäische Kommission dazu auf, das Dublin-System strikter anzuwenden und zu reformieren, um die Situation für die besonders stark von Flüchtlingen frequentierten Staaten und für Flüchtlinge selbst zu verbessern. Insbesondere verweisen die Abgeordneten auf die unterschiedliche Handhabung der Asylgesetzgebung und -praxis je nach Mitgliedstaat. So weichen etwa die Anerkennungsquoten für irakische Asylbewerber innerhalb der EU stark voneinander ab.

Das Dublin-System umfasst einerseits die Dublin-Verordnung und andererseits die EURODAC-Verordnung. Während die Dublin-Verordnung den für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat bestimmt, dient die EURODAC-Verordnung als Instrument, mit dem die Anwendung der Dublin-Verordnung erleichtert werden soll - indem die Fingerabdrücke der Asylbewerber abgenommen und mit der EURODAC-Datenbank abgeglichen werden. Wenn ein Asylbewerber bereits einen Asylantrag gestellt hat, oder er sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhält, ermöglicht der Abgleich die Einleitung der nach der Dublin-Verordnung vorgesehenen Maßnahmen.

Als problematisch hat sich bislang insbesondere erwiesen, dass diejenigen Mitgliedstaaten, die Außengrenzen haben, durch den Flüchtlingszustrom besonders stark belastet werden. Ein anderes Problem ist die Unterminierung der Interessen der Flüchtlinge durch das Dublin-System, indem bestimmte Staaten die Asylverfahren nicht in der gebotenen Weise durchführen, z.B. indem ein effektiver Zugang zu einem Verfahren zur Feststellung des Flüchtlingsstatus nicht garantiert wird. Zu den Hauptzielen des Dublin-Systems zählen die Eindämmung des "Refugee in Orbit" -Phänomens sowie des sog. Asyl-Shoppings", es geht also darum, jedem Flüchtling die Stellung eines Asylantrags zu ermöglichen, gleichzeitig aber auch zu verhindern, dass er mehrere Asylanträge in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten stellt, um am Ende zu den besten Bedingungen Asyl in Anspruch zu nehmen.

Zunächst einmal wird die EU-Kommission aufgefordert, Mechanismen zur Lastenteilung zu Gunsten der an den Außengrenzen gelegenen kleinen Mitgliedsstaaten vorzuschlagen.

So sollen möglichst alle Mitgliedstaaten zu qualitativ möglichst gleichen Bedingungen Asylverfahren und Entscheidungspraxis handhaben. Zu diesem Zweck soll der Anwendungsbereich der humanitären Klausel und der Souveränitätsklausel präzisiert, sowie ihr zwingende Anwendung ausgedehnt werden.

Es wird daran erinnert, dass das Kindeswohl bei allen Entscheidungen, die Kinder betreffen, von übergeordneter Bedeutung ist, aus diesem Grund wird auch eine verbindliche Regelung zur Altersabschätzung auf EU-Ebene gefordert, nach der im Zweifel zugunsten des Kindes entschieden werden soll. Nachdrücklich wird auch darauf verwiesen, dass eine Überstellung und Ingewahrsamnahme von Minderjährigen ausschließlich zur Familienzusammenführung und unter strenger Einhaltung der Verfahrensvorschriften in Betracht kommt.

Weiterhin soll die Definition des Begriffs "Familienangehörige" nach der Dublin-Verordnung ausgeweitet werden, um insoweit im Rahmen der Möglichkeiten den legitimen Wünschen der Antragsteller auf Familiennachzug und subsidiären Schutz nachzukommen.

Außerdem sollen verbindliche Mechanismen die Überstellung von Asylbewerbern in Mitgliedstaaten verhindern, sofern dort keine umfassende und faire Bearbeitung ihres Antrags garantiert wird.

Zur Stärkung der Rechte der Flüchtlinge sollen laut Beschluss künftig deren besondere sprachliche Bedürfnisse bei der Belehrung über die Konsequenzen der Dublin-Verordnung berücksichtigt werden, auch den sonstigen Verfahrensrechten der Flüchtlinge soll stärker Rechnung getragen werden. Im Zentrum steht hierbei der Grundsatz der Nichtzurückweisung, der nochmals als wesentliche Säule jeglichen Asylsystems auf EU-Ebene in der Dublin-Verordnung klargestellt werden soll. Ebenso soll in der Dublin-Verordnung die Ingewahrsamnahme von Flüchtlingen auf abschließend definierte, äußerste Notfälle unter Einhaltung der dort zu bestimmenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen beschränkt werden.

Die Haltung des Parlaments deckt sich in weiten Teilen mit der Auffassung der Kirchen, die bereits in ihrer Stellungnahme zum Grünbuch zur Zukunft des Europäischen Asylsystems eine entsprechende Überarbeitung der Dublin II-Verordnung gefordert hatten (EKD-Europa-Informationen Nr. 121). Die Europäische Kommission beabsichtigt, im November einen entsprechenden Vorschlag vorzulegen.

Den vom Europäischen Parlament angenommenen Text finden sie unter:
http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=TA&reference=P6-TA-2008-0385&language=DE&ring=A6-2008-0287



erweiterte Suche