EU-Außenminister einigen sich auf Leitlinien zur Religionsfreiheit – Zustimmung von Margot Käßmann

(Martin Kasperek/Katrin Hatzinger)

Bei ihrer Tagung in Luxemburg am 24. Juni 2013 haben die EU-Außenminister Leitlinien zur Religions- und Glaubensfreiheit verabschiedet, die von nun an für die europäische Außenpolitik gelten sollen und auf die von Mitarbeitern von EU-Institutionen und von Mitgliedsstaaten bei Kontakten mit Drittstaaten zurückzugreifen ist. Kirchliche Vertretungen waren im Vorfeld der Verabschiedung vom Europäischen Auswärtigen Dienst konsultiert worden (siehe EKD-Europa-Informationen Nr. 141). Auf Grundlage dieser Leitlinien möchte sich die EU weltweit für Religions- und Glaubensfreiheit einsetzen und gegen Verletzungen dieser Freiheiten vorgehen.

Die Leitlinien beschreiben die Religions- und Glaubensfreiheit als ein universelles Menschenrecht. Jedem Menschen stehe das Recht zu, seinen Glauben frei zu äußern, einzeln oder in Gemeinschaft. Menschen, die ihre Religion wechseln oder diese ablegen, oder die sich grundsätzlich zu keiner Religion bekennen, müssten geschützt werden. Der Staat habe die Verantwortung, das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit für alle Menschen auf seinem Territorium zu garantieren.

In den Leitlinien werden mehrere Themenfelder genannt, die die EU mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgen möchte:
Religiös motivierte Gewalt: Die EU verurteilt religiös motivierte Gewalttaten und fordert, dass die (staatlichen oder nicht-staatlichen) Verantwortlichen vor die Justiz gebracht werden. Speziell genannt werden hierbei religiös motivierte Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen, wie z. B. „Ehrenmorde“, Zwangsheiraten und Genitalverstümmelung.
Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit: Religiöser Hass soll nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt werden und ist zu verurteilen. Gleichzeitig darf die Meinungsfreiheit nicht beschränkt werden, um Kritik und Spott an Religionen zu vermeiden. Förderung von Respekt und Toleranz: Die EU möchte dafür sorgen, dass Wissen über verschiedene Religionen vermittelt wird, um gegenseitiges Verständnis und Respekt zu erreichen.
Kampf gegen Diskriminierung: Die EU verurteilt Gesetze und Praktiken, die die Diskriminierung von Menschen eines bestimmten Glaubens fördern.
Wechsel oder Ablegen einer bestimmten Religion: Die EU setzt sich gegen Gesetze und Praktiken ein, die Personen bestrafen, die ihre Religion wechseln oder ablegen.
Äußerung von Religion oder Glauben: Die EU tritt dafür ein, dass jeder Mensch frei entscheiden können soll, ob und wie er seinen Glauben äußert. Staaten dürften Glaubensgemeinschaften nicht unverhältnismäßig Bürokratie auferlegen und werden dazu aufgerufen, religiöse Stätten zu pflegen und zu schützen.
Unterstützung und Schutz von Menschenrechtsverteidigern: Die EU setzt sich für Menschenrechtsverteidiger ein, die für Glaubensgemeinschaften eintreten, und fördert die Anerkennung ihrer Arbeit.
Unterstützung der Zivilgesellschaft und gemeinsames Engagement: Die EU und ihre Mitgliedsstaaten unterstützen auch finanziell die Arbeit von Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich für die Religions- und Glaubensfreiheit engagieren.

Über die weltweiten Delegationen der Europäischen Union sowie die Botschaften der Mitgliedsstaaten soll die Lage der Religions- und Glaubensfreiheit beobachtet werden und entsprechende Stellungnahmen sollen veröffentlicht werden. Hierzu soll auch der Kontakt zu Akteuren vor Ort aufrecht erhalten werden, speziell zu Frauenorganisationen, Menschenrechtsverteidigern und den Glaubensgemeinschaften selbst. Das Thema wird in den jährlichen EU-Menschenrechtsreport einfließen. Religions- und Glaubensfreiheit sollen gemäß der Leitlinien auf höchster Ebene behandelt werden, u. a. durch die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und den EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte.

Bei Besuchen von Vertretern der EU-Institutionen oder der Mitgliedsstaaten wird die EU sicherstellen, dass diese vollständig über die Situation der Religions- und Glaubensfreiheit informiert sind.

Die Leitlinien erwähnen auch, dass die EU in ihrem Einsatz für die Religions- und Glaubensfreiheit in Drittländern auch auf verschiedene Möglichkeiten der finanziellen Förderung zurückgreifen kann, so z. B. das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) oder die verschiedenen „Country-Based Support Schemes“ der EU-Delegationen.

Die EU verpflichtet sich mit den Leitlinien, auch mit internationalen und regionalen Organisationen beim Thema der Religions- und Glaubensfreiheit zusammenzuarbeiten. Dies betrifft vor allem die Vereinten Nationen (deren Menschenrechtsrat, deren Hohen Kommissar für Menschenrechte, deren Sonderberichterstatter für Religions- und Glaubensfreiheit), die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (deren Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte – ODIHR) und den Europarat (dessen Venedig-Kommission).

Die EU-Arbeitsgruppe Menschenrechte (COHOM) wird sich, ggf. zusammen mit entsprechend länder- oder regionenspezifischen Arbeitsgruppen des Rates um die Umsetzung der Leitlinien kümmern. Nach drei Jahren soll die Umsetzung der Leitlinien unter Berücksichtigung der Berichte der verschiedenen Missionsleiter und nach Konsultation von Organisationen der Zivilgesellschaft evaluiert werden. Hierbei werden auch Kirchen und Glaubensgemeinschaften konsultiert, so wie es nach Art. 17 III des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorgesehen ist.

Der Europäische Auswärtige Dienst wird in Koordination mit den Mitgliedsstaaten und in Kooperation mit Organisationen der Zivilgesellschaft, darunter auch Kirchen, Ausbildungsmaterialien für das Personal der EU und der Mitgliedsstaaten zu diesem Thema erstellen.

Grundsätzlich ist die Verabschiedung der Leitlinien zu begrüßen, zeigt sich doch aktuell an dem ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit (im Juni vorgelegt von EKD und DBK), dass dort, „wo die Religionsfreiheit verletzt ist,  es in der Regel auch um die generelle Wahrung der Menschenrechte nicht gut bestellt ist“.

Gleichzeitig wären in einigen Punkten Überarbeitungen wünschenswert: Religions- und Glaubensfreiheit wird vor allem als individuelles Recht genannt. Die kollektive Dimension dieser Freiheiten, also der spezielle Schutz von Religionsgemeinschaften, wird nur am Rande angesprochen. Die Bedeutung der Freiheit religiöser und theologischer Ausbildung wird zudem nicht in angemessener Weise aufgegriffen, ebenso fehlt es an Hinweisen, die bei der Analyse von Daten zu religiöser Diskriminierung und Verfolgung die Verlässlichkeit und Unabhängigkeit der Quellen sicherstellen sollen.

Auf der Veranstaltung von Auswärtigem Amt und EKD-Büro Brüssel „Die Reformation – Aufbruch in die Toleranz? – Außen-(politische) Ansichten von Staatsministerin Cornelia Pieper und Dr. Margot Käßmann“ am 9. Juli 2013 in der Ständigen Vertretung in Brüssel erläuterte Margot Käßmann die Bedeutung der Reformation für die Herausbildung des Menschenrechts auf freie Religionsausübung. In diesem Zusammenhang begrüßte sie ausdrücklich die Verabschiedung der Richtlinien zur Religions- und Gewissensfreiheit durch die EU-Außenminister  und würdigte auch das Europäische Parlament. Es habe mit seinem Engagement wesentlich dazu beigetragen, dass diesem wichtigen Thema Rechnung getragen worden  sei.

In ihrem Statement hob die Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsjubiläum hervor, dass „gerade in Staaten, die augenblicklich schwere politische Umwälzungen erfahren, der Umgang mit Religion und Religionsfreiheit ein elementarer Baustein für eine zukünftige, friedliche Gesellschaftsordnung sein wird“.
Über die gebotene Stärkung der EU-Menschenrechtspolitik hinaus sollte der „Faktor Religion“ aus kirchlicher Sicht jedoch fester Bestandteil der EU-Außenpolitik werden. Wissen um religiöse Hintergründe sei unabdinglich zum Verständnis fremder Kulturen, aber auch zur Konfliktprävention und Mediation in Krisenzeiten. In ihrem Vortrag unterstrich sie daher die Notwendigkeit, Religion auch in ihrer friedensstiftenden Rolle zu beleuchten. „Religion besitzt ein riesiges Friedenspotential, das in politischen Gewaltkonflikten durchaus deeskalierend wirken kann.“

Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper, unterstrich an dem Abend ihrerseits den Einsatz der Bundesregierung für Religionsfreiheit, für Pluralität und gegen Verfolgung und Unterdrückung. Sie lobte die EU-Leitlinien für ihr klares politisches Bekenntnis zum Schutz der Religionsfreiheit in der Außenpolitik der EU.

In einem moderierten Podiumsgespräch wurde die Frage nach Vermittlung von Wissen um Religion in der Attaché-Ausbildung in Deutschland vertieft und der Beitrag der auswärtigen Politik zur Achtung der Religionsfreiheit diskutiert.

Zum Abschluss des Abends wurde dem Schirmherr der Veranstaltung, Botschafter Peter Tempel, ein roter „Lutherzwerg“ aus Wittenberg als Botschafter des Reformationsjubiläums für die Räume der Ständigen Vertretung übereicht.



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