Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel

Europäische Kommission legt neue Vorschläge zur legalen Migration vor

(OKR'in Katrin Hatzinger)

 

Am 13. Juli 2010 hat die Europäische Kommission zwei lang angekündigte Vorschläge im Bereich der legalen Einwanderung vorgelegt: den Vorschlag für eine Richtlinie zu Einreise und Aufenthalt von Saisonarbeitnehmern sowie eine Richtlinie über die konzerninterne Entsendung von Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten. Bislang fehlt es der EU immer noch an einem umfassenden System zur legalen Einwanderung. Alle bisherigen Versuche, eine gemeinsame europäische Einwanderungspolitik zu etablieren, sind bislang am Widerstand einzelner Staaten gescheitert, da hier ein Kernbereich nationaler Souveränität berührt ist.

 

Die EU-Kommission hatte bereits in ihrem „Strategischen Plan zur legalen Zuwanderung“ vom 21. Dezember 2005 (KOM (2005) 669 endg.) eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, die dazu beitragen sollen, das Ziel einer gemeinsamen europäischen Einwanderungspolitik umzusetzen. Neben einer allgemeinen Rahmenrichtlinie wurden vier spezifische Richtlinien angekündigt, die sich jedoch mit der Ausnahme Saisonarbeit alle auf hochqualifizierte Zuwanderer konzentrieren. Von Ministerrat und Parlament angenommen worden ist bislang aber nur die sog. Blue Card Richtlinie (KOM (2007) 637 endg.), die nun in nationales Recht umgesetzt werden muss.

 

Die im Mai 2009 verabschiedete Richtlinie (EKD Europa-Informationen Nr. 129) regelt die Bedingungen für Einreise und Aufenthalt von hoch qualifizierten Drittstaatsangehörigen. Diese dürfen zunächst für bis zu vier Jahren in der EU arbeiten, wenn sie folgende Kriterien erfüllen: über einen abgeschlossenen Hochschulabschluss bzw. eine fünf-jährige Berufsausbildung verfügen, einen Arbeitsvertrag bzw. eine Zusage auf einen Arbeitsvertrag vorlegen und ein Bruttoeinkommen vorweisen können, das 50% über dem jeweiligen Landesdurchschnitt liegt. Über den Zugang der Hochqualifizierten entscheidet jedoch weiterhin jeder Mitgliedstaat selbst, die Blue Card gestattet also keinen Zugang zum gesamten EU-Arbeitsmarkt. Die Blue Card kann jedoch verlängert werden, berechtigt zum Familiennachzug, stellt den Inhaber sozial- und arbeitsrechtlich mit den Arbeitnehmern des Aufnahmelandes gleich und kann nach fünf Jahren in einen Daueraufenthalt münden. Saisonarbeitnehmer sind von dem Vorschlag ausgenommen.

 

Mit dem am 13. Juli 2010 vorgestellten Vorschlag für eine Richtlinie über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zwecks Ausübung einer saisonalen Beschäftigung soll ein gemeinsames Verfahren für die Einreise und den Aufenthalt von Saisonarbeitern aus Drittländern eingerichtet werden (KOM (2010) 379). Außerdem sollen die Rechte von Saisonarbeitern festgeschrieben werden. Zu den Kernpunkten des Vorschlags zählt u.a. ein vereinfachtes Verfahren für die Zulassung von Saisonarbeitnehmern aus Drittstaaten auf der Grundlage gemeinsamer Definitionen und Kriterien wie etwa das Vorhandensein eines Arbeitsvertrags oder eines verbindlichen Beschäftigungsangebots, in dem ein bestimmtes Entgelt festgelegt ist, die Festlegung einer für die gesamte EU einheitlichen Höchstdauer für Saisonarbeit (sechs Monate pro Kalenderjahr), die Möglichkeit einer Mehrfach-Erlaubnis für Saisonarbeiter für maximal drei Jahre oder eines vereinfachten Wiedereinreiseverfahrens sowie die Regelung der Arbeitsbedingungen für Saisonarbeiter. Positiv zu bewerten ist, dass der Vorschlag Ansprüche der Arbeitnehmer auf für Saisonarbeit geltende Arbeitsbedingungen, einschließlich Bezahlung, Entlassung sowie für Gesundheits- und Sicherheitserfordernisse am Arbeitsplatz definiert und so dazu beitragen will, Ausbeutung vorzubeugen. Hinter dem Vorschlag steht aber auch die Logik, die Zusammenarbeit mit Drittstaaten zu vertiefen und letztlich irreguläre Migration einzudämmen. Die Richtlinie könnte nach Vorstellung der Kommission also zum einen dazu beitragen, Hindernisse für die legale Migration gering oder nicht qualifizierter Arbeitnehmer zu beseitigen, zum anderen könnte sie sich „im Rahmen der Stärkung des Engagements von Drittstaaten bei der Bewältigung der illegalen Einwanderung als nützlich erweisen.“

 

Am selben Tag hat die EU- Kommission zudem einen Richtlinienvorschlag über die konzerninterne befristete Entsendung von Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten vorgelegt (KOM (2010) 378). Die Kommission schlägt für eine Zielgruppe hoch qualifizierter Arbeitnehmer (Führungs- und Fachkräfte, Trainees) die Einführung einer einheitlichen Regelung für ein beschleunigtes Zulassungsverfahren vor (Verfahrensfrist von höchstens 30 Tagen, kombinierte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis). Diesen Arbeitnehmern und ihren Familien sollen zudem attraktivere Aufenthaltsbedingungen und eine bessere Freizügigkeitsregelung für Reisen innerhalb der EU geboten werden. Ergänzt würde dies durch einen eindeutigen Rechtsstatus, der ihnen dieselben Rechte verleiht wie Arbeitnehmern, die von einem EU-Unternehmen entsandt werden. Jeder Mitgliedstaat soll weiterhin selbst festlegen können, wie viele konzernintern entsandte Arbeitnehmer er in seinem Hoheitsgebiet zulassen will.

 

Außerdem hat die Europäische Kommission im Jahr 2007 (KOM (2007) 638 endg.) eine Rahmenrichtlinie vorgeschlagen, mit der ein gemeinsamer Rahmen von Rechten für Arbeitsmigranten gewährleistet werden soll, die rechtmäßig in einem EU-Mitgliedstaat arbeiten und noch nicht die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzen (EKD-Europa-Informationen Nr. 121). Der Vorschlag umfasst die Idee eines einzigen Bewerbungsverfahrens für Drittstaatsangehörige für eine kombinierte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis auf dem Territorium der EU-Mitgliedstaaten sowie einen gemeinsamen Katalog sozialer und wirtschaftlicher Rechte für Drittstaatsangehörige, die sich legal in Mitgliedstaaten aufhalten. Die Rahmenrichtlinie gilt nicht für Saisonarbeitnehmer. Der Richtlinienvorschlag ist aufgrund zahlreicher Vorbehalte der EU-Mitgliedstaaten noch nicht verabschiedet worden und wird weiterhin von Ministerrat und Europäischen Parlament debattiert.

 

In der EU werden seit einiger Zeit außerdem Modelle zirkulärer Migration diskutiert. Ansätze des Modelles finden sich auch in dem aktuellen Vorschlag zu Saisonarbeitnehmern wieder. Der Begriff erfreut sich aufgrund seiner relativen Unbestimmtheit einer gewissen Beliebtheit in der politischen Debatte. Nach Auffassung der Europäischen Kommission kann zirkuläre Migration definiert werden „als eine Form der Migration, die so gesteuert wird, dass sie einen gewissen Grad an legaler Mobilität zwischen zwei Ländern zulässt.“ Für die Zusammenarbeit mit Herkunftsländern hat sich zudem das Instrument der sog. Mobilitätspartnerschaften etabliert. Im Rahmen von Migrationsabkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten und Herkunftsländern wird Arbeitskräften zeitlich befristetet der Zuzug gestattet und eine Arbeitserlaubnis erteilt. Entsprechende Pilotprojekte laufen z.B. mit Moldau und den Kap Verden.

 

Um zukunftsfähig zu bleiben, braucht die EU eine gemeinsame, aufeinander abgestimmte, europäische Einwanderungspolitik. Diese müsste auch die bestehenden Probleme bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen und Qualifikationen lösen und Asylsuchenden und Flüchtlingen Zugang zu den Arbeitsmärkten ermöglichen. Zugleich gilt es, die Rechtstellung von gering Qualifizierten und Saisonarbeitnehmern zu stärken, um sie vor Ausbeutung und Diskriminierung zu schützen. Darüber hinaus müssten Einwanderungs- und Entwicklungspolitik mehr als bisher miteinander vernetzt werden und eine integrationspolitische Agenda für die EU aufgestellt werden. Die vorsichtigen Schritte der Kommission lassen aber erahnen, wie steinig der Weg dorthin noch sein wird.

 

Die Vorschläge finden Sie unter:

http://ec.europa.eu/



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