Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel

Grünbuch Renten: Die EU-Kommission lädt zur Diskussion der Zukunft der Alterssicherung ein

(Christine Schumann, Rechtsreferendarin)

 

Am 7. Juli 2010 hat die Europäische Kommission ein Grünbuch zur Frage veröffentlicht, wie angemessene, nachhaltige und sichere Pensionen und Renten gewährleistet werden können und wie die EU die nationalen Bemühungen am besten unterstützen kann. Das Konsultationsdokument enthält keine Vorschläge, sondern soll als Grundlage für einen Meinungsaustausch über mögliche zukünftige Maßnahmen auf EU-Ebene dienen. László Andor, EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration, erklärte bei der Präsentation, dass Europa sich der Herausforderung stellen müsse, das Verhältnis zwischen der Dauer des Arbeitslebens und der Dauer des Ruhestandes sehr genau anzusehen. Europas Bürger stünden vor der Wahl, entweder im Ruhestand über weniger Einkommen zu verfügen, höhere Pensions- und Rentenbeiträge zu zahlen oder mehr und länger zu arbeiten. Durch die jüngsten Krisen in der Finanzbranche und der Wirtschaft würde eine Anpassung der Pensions- und Rentenpraxis sowie der Art, wie Menschen ihre Pensions- und Rentenansprüche erheben, mehr denn je erforderlich.

 

Die Zuständigkeit für die Regelung von Renten und Pensionen und deren Gestaltung und Organisation in Form einzelner Vorsorgemodelle liegt bei den EU-Mitgliedstaaten. Die EU verfügt allerdings stellenweise über einzelne Zuständigkeitsbereiche, die Auswirkungen auf die Pensionen und Renten haben, wie z.B. die Koordinierung der staatlichen Pensions- und Rentenversicherung, Bestimmungen für betriebliche Vorsorgefonds oder die Mitnahme und Sicherung von Zusatzpensions- und Rentenansprüchen im Falle der Unternehmensinsolvenz.

 

Ziel des Grünbuches ist zu ermitteln, welche Herausforderungen die jeweiligen Altersvorsorgesysteme bewältigen müssen und in welchem Umfang die EU die Mitgliedstaaten bei den nationalen Bemühungen angemessener und langfristiger Pensions- und Rentensysteme unterstützen kann. Vor diesem Hintergrund stellt das Grünbuch u. a. zur Diskussion, wie sich angemessene Alterseinkommen zur langfristigen Sicherung der Pensions- und Rentensysteme gewährleisten lassen, wie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Dauer des Arbeitslebens und des Ruhestandes erreicht, Hemmnisse für mobile Beschäftigte abgebaut, kapitalgedeckte Alterseinkommen gesichert und für mehr Transparenz bei Vorsorgeprodukten gesorgt werden könnte. Dabei werden im Einzelnen folgende Fragestellungen behandelt:

 

§  Wie kann für angemessene Einkommen im Ruhestand und für langfristig nachhaltige Pensions- und Rentensysteme Sorge getragen werden?

§  Wie kann ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Dauer des Arbeitslebens und des Ruhestandes erreicht und Möglichkeiten geschaffen werden, länger im Arbeitsleben zu bleiben?

§  Wie können die unterschiedlichen Renten- und Pensionssysteme verständlicher/transparenter für die Anwender gemacht werden?

§  Wie können die Menschen die Informationen erhalten, um ihre Altersvorsorge zu planen?

§  Wie können im Kontext der Wirtschaftskrise Pensionen und Renten sowohl jetzt als auch langfristig besser abgesichert werden?

§  Wie kann für mehr Transparenz bei Pensionen und Renten gesorgt werden, damit die Menschen fundierte Entscheidungen für ihr eigenes Ruhestandseinkommen treffen können?

 

Hintergrund des Grünbuches ist vor allem die Veränderung der Demographie in Europa. Laut aktueller Prognosen, wird sich in Europa bis zum Jahr 2060 die Zahl der Personen im Ruhestand gegenüber denjenigen, die die Renten und Pensionen finanzieren, verdoppeln. Das Vollzeiterwerbsleben beginnt auf Grund längerer Ausbildungszeiten später und der Ruhestand tritt durch z. B. Vorruhestandsregelungen früher ein. Wie die Europäische Kommission bereits in ihrer Strategie Europa 2020 vom 3. März 2010 vorrechnet, erreichen demnächst die geburtenstarken Jahrgänge das Rentenalter, so dass die Zahl der Erwerbstätigen in der EU ab 2013/2014 sinken wird. Die Zahl der über 60jährigen nimmt heute doppelt so schnell wie vor 2007 zu, nämlich um rund zwei Millionen jährlich. Die Kombination einer kleineren Erwerbsbevölkerung und eines höheren Anteils an Rentnern belastet zusätzlich die Sozialsysteme. Setzt sich dieser Trend fort, wird darunter entweder die Angemessenheit der Altersversorgung leiden oder ein untragbarer Anstieg der Pensions- und Rentenausgaben die Folge sein. Dies wird auch aus dem aktuellen Bericht des statistischen Amtes der Europäischen Union, Eurostat, vom 27. Juli 2010 deutlich. Die Geburtenziffer in Europa im Jahr 2009 geht im Vergleich zum vorherigen Jahr leicht zurück. Deutschland hat im EU-Vergleich die niedrigste Geburtenrate mit nur 7,9 Kindern pro 1000 Einwohner, so dass das Bevölkerungswachstum bei –0,25 % liegt.

 

Die Konsultation läuft bis zum 15. November 2010.

 

Sie finden das Grünbuch unter:

http://ec.europa.eu



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