Religion als Faktor außenpolitischer Analyse und Strategie - wie gut wird der EAD vorbereitet sein?

(Patrick Roger Schnabel)

Als die Hohe Beauftragte am 25. Oktober 2010 die ersten Namen für die Leitung ihres Europäischen Auswärtigen Dienstes (siehe voranstehender Artikel) vorstellte, lag der Öffentlichkeit noch kein Organigramm des Dienstes vor. Die in Brüssel vertretenen Kirchen haben sich seit einiger Zeit gegenüber Lady Ashton dafür eingesetzt, dass nicht nur Menschenrechte und Religionsfreiheit, sondern Religion als gesellschaftliches Phänomen Berücksichtigung in den Strukturen des EAD findet.

Schon innerhalb der EU, aber oft noch viel deutlicher außerhalb Europas spielt Religion eine wesentliche Rolle: vom Erstarken des Islam als politischem Faktor in vielen Teilen der Welt bis hin zur Evangelikalen Bewegung in den USA. Den Einfluss der Religion für die gesellschaftliche Kohäsion und in der Politik, aber auch ihre Rolle – zum guten wie schlechten – in Konflikten machen sie zu einem wesentlichen Faktor für die Analyse und strategische Planung. Religiöse Akteure sind oft wichtige Partner in der Entwicklungspolitik, in Krisenprävention und Konfliktmediation, und im Aufbau von Zivilgesellschaft.

Diese Erkenntnis hat sich auf mitgliedstaatlicher Ebene fast überall durchgesetzt – sogar das laizistische Frankreich verfügt seit zwei Jahren über einen „pole religions“ im Außenministerium. Die Bearbeitung dieser Themen erfordert ein hohes Maß kultureller Sensibilität und fachlicher, interdisziplinärer Kompetenz. Dabei darf das Thema nicht auf den Schutz der Religionsfreiheit beschränkt werden – ein Thema, das vielen EU-Politikern besonders am Herzen liegt. Glaubensfreiheit als ein Grundrecht par excellence ist zwar ein wichtiger Maßstab für Freiheitlichkeit und Rechtstaatlichkeit, aber Religion entfaltet darüber hinaus gesellschaftliche Relevanz. Eine Einheit, die die verschiedenen Aspekte analysiert, in die Planung mit einbezieht und den Kontakt zu religiösen Akteuren befördert, nicht zuletzt unter dem Dialog mit den europäischen Kirchen und Religionsgemeinschaften unter Art. 17 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, könnte für den EAD wichtige Leistungen erbringen. Diplomaten sollten sich schon in der Ausbildung mit der Bedeutung von Religion auseinandersetzen. Die Kirchen werden sich daher weiter dafür einsetzen, dass die entsprechenden Erfahrungen nationaler diplomatischer Dienste auch beim Aufbau der EU-Diplomatie berücksichtigt werden.



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