Die GSVP unter dem Lissabon-Vertrag: aktuelle Entwicklungen

(Patrick Roger Schnabel)

Seitdem der Reformvertrag die außen- und sicherheitspolitische Kompetenz der EU gestärkt und neue Handlungsoptionen eröffnet hat, gab es gerade auch im Bereich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP, vormals ESPV) einige Entwicklungen, die eine nähere Betrachtung verlangen.

Zum einen wurde durch den Vertrag die Rolle des Parlaments gestärkt, so dass dieses sich noch stärker als bisher als außenpolitische Stimme versteht – zum Teil auch als europäische Gegenstimme zur Politik der Mitgliedstaaten. So hat der Auswärtige Ausschuss am 8. November 2010 eine Entschließung angenommen, in der eine radikal neue Ausrichtung des Afghanistan-Einsatzes und eine Ausstiegsstrategie verlangt werden. In deutlichen Worten geben die Abgeordneten einer falschen Strategie die Schuld für das attestierte Scheitern der Mission. Eine neue Strategie solle auf den Pfeilern (1) bessere Koordination und Kontrolle der internationalen Hilfe, (2) eine klarere Rolle für die EU und eine bessere Einbeziehung afghanischer Kräfte, (3) bessere Polizeiausbildung und (4) effektivere Bekämpfung des Opiumanbaus ruhen. Der Ausschuss will die Entschließung im Dezember ins Plenum einbringen.

Mit der Stärkung des gemeinsamen Auftretens der Mitgliedstaaten durch EU-Missionen wird Europa auch als internationaler Partner für Stabilität interessanter. So hat Russland Interesse bekundet, seine Beziehungen zur EU in sicherheitspolitischen Fragen konsolidieren und ausbauen zu wollen. Dazu sollen ein Rahmenabkommen über russische Beteiligung an Einsätzen im Rahmen der GSVP und die Schaffung eines EU-Russland-Komitees für Sicherheitspolitik gehören. Hintergrund des ersten Punktes sind schwierige bürokratische Prozesse bei vergangenen Kooperationen, der zweite Vorschlag geht auf Überlegungen des russischen Premiers Medvedev und der deutschen Kanzlerin Merkel zurück. Gedacht ist an einen Rat der 27 Außenminister der EU plus der Hohen Beauftragten und dem russischen Außenminister zu Fragen sicherheitspolitischer Kooperation.

Diese Entwicklungen sind erste Indizien für die Veränderungen in der Wahrnehmung der EU-Außenpolitik von innen und außen. Beide Beispiele zeigen, dass die Neuregelungen ein Potential bergen, die GSVP stärker demokratisch rückzukoppeln und in eine internationale Sicherheitsarchitektur einzubinden. Vor einer Bewertung müssen diese Ansätze sich jedoch noch weiter entwickeln.



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