Die EU-Kommission will das EU-Datenschutzrecht überarbeiten

(Patrick Roger Schnabel)

Am 4. November 2010 stellte die Kommission ihre neue Strategie für den Datenschutz vor und eröffnete zugleich eine öffentliche Konsultation zu diesem Thema. Mit der geplanten Reform wird angestrebt, die bisher über mehrere Rechtsakten verteilten datenschutzrechtlichen Bestimmungen in einer Richtlinie zu kodifizieren und den neuen Möglichkeiten und Herausforderungen im Bereich digitalisierter Daten anzupassen. Die ursprüngliche Datenschutzrichtlinie der Union ist im Jahr 1995 in Kraft getreten, spätere Anpassungen an die Entwicklungen insbesondere im IT-Bereich wurden gesondert behandelt.

Die Kommission hat fünf Kernbereiche definiert, in denen die Revision Verbesserungen bringen soll. Diese sind:
 Stärkung der Einzelnen in Bezug auf den Schutz ihrer personenbezogenen Daten, inklusive erhöhter Transparenz über Datenerhebungen, einschließlich des Internetverkehrs.
 Stärkung des Binnenmarktes durch Vereinfachung und Harmonisierung der Anwendung.
 Einbeziehung der Daten, die im Rahmen polizeilicher und justizieller Tätigkeiten mitgliedstaatlicher Behörden erhoben werden, einschließlich der Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung.
 Stärkung des Datenschutzes im internationalen Handeln der EU durch Verbesserung bestehender Verfahren und Einbeziehung des Themas in Verhandlungen mit Drittstaaten.
 Verbesserung der Rechtsdurchsetzung durch Stärkung der Datenschutzbehörden, Harmonisierung ihrer Aufgaben und Arbeitsweisen sowie deren unionsweite Zusammenarbeit und Abstimmung.

In ihrer Mitteilung „A comprehensive approach on personal data protection in the European Union“ legt die Kommission ebenfalls dar, welche Maßnahmen sie zu ergreifen erwägt, um diese Ziele zu verwirklichen. Dazu gehören etwa die Festlegung von Grundprinzipien transparenter Datenverarbeitung, EU-Standard-Formulare für Datenschutzkontrolleure, Festlegung von Modalitäten für eine Verringerung der Datenerfassung sowie der Kontroll-, Korrektur-, Widerspruchs- und Löschmöglichkeiten für Einzelne, Regeln für den Datentransfer durch Nutzer verschiedener Plattformen zwischen diesen, Stärkung der Zustimmungserfordernis vor der Datenerfassung, Kategorisierungen besonders sensibler Daten mit erhöhtem Schutzbedarf, u.v.m.

Ein Schwerpunkt liegt für die Kommission bei den Datenschutzbehörden, die in ihrer Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit gestärkt werden sollen. Damit will die Kommission auch auf die gestiegene Komplexität des Problems durch die technische Entwicklung und die Globalisierung reagieren, denen die Schutzmechanismen bisher hinterherhinken. Auch die Stellen, die Daten erfassen, sollen durch Selbstverpflichtungen und Verhaltenskodizes mit in ein effektiveres Schutzregime einbezogen werden.

Besondere Regeln sollen im Rahmen des neuen Rahmens für die Daten gelten, die für polizeiliche und justizielle Tätigkeiten erhoben und ausgetauscht werden, da hier Sicherheitsinteressen und Schutzpflichten des Staates gegenüber Dritten mit dem Recht der Betroffenen zu Transparenz und informationeller Selbstbestimmung in Konflikt stehen.

Die Überarbeitung des Datenschutzrechts – sowohl die kohärente Ausgestaltung über die verschiedenen Anwendungskontexte als auch die Anpassung an Entwicklungen, die den rechtlichen Stand längst überholt haben, ist auch aus kirchlicher Sicht begrüßenswert, da das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in engem Konnex mit Persönlichkeitsrechten steht, die unmittelbar im Menschenwürdebegriff wurzeln. Auch institutionell ist das Thema für die Kirchen wichtig, da viele Kooperationen zwischen Staat und Kirche von dem geordneten, geregelten Austausch von Daten insbesondere über Kirchenmitgliedschaft abhängen und die Kirchen, bei allen Interessen an einem hohen Schutzniveau, etwa auch beim Zensus ein öffentliches Interesse an verlässlichen Daten über Religionszugehörigkeiten geltend machen. Die Gründung des EKD-Büros vor 20 Jahren war aus diesen Gründen eng mit den Vorarbeiten zur ersten EU-Datenschutzrichtlinie verknüpft. Das EKD-Büro wird sich auch diesmal an der Konsultation beteiligen.

Die Frist für die öffentliche Konsultation läuft noch bis zum 15. Januar 2011. Dann wird die EU-Kommission die Beiträge auswerten und gegebenenfalls in die Arbeiten zu einem Vorschlag über ein neues, umfassendes Datenschutzrecht einarbeiten, der noch im gleichen Jahr Rat und Parlament unterbreitet werden soll.

Die Mitteilung der Kommission und die Konsultationsunterlagen finden Sie hier:
http://ec.europa.eu/justice/news/consulting_public/0006/com_2010_609_de.pdf



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