Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel

Europa-Informationen Nr. 131

Europäische Kommission weist den Weg ins „Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und Sozialer Ausgrenzung 2010“

(Solveig Müller)

Mit zwei Veranstaltungen, die am 28. und 29. Oktober 2009 in Brüssel stattfanden, wurden Medien- und Interessenvertreter in die Thematik des am 21. Januar 2010 in Madrid beginnenden Europäischen Jahres zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung eingeführt.

Den Medien komme im Europäischen Jahr 2010 eine Schlüsselrolle zu. Denn nur mit ihrer Hilfe könne die breite Öffentlichkeit sensibel gemacht werden für die Wahrnehmung der unterschiedlichsten Aspekte von Armut und sozialer Ausgrenzung. Vladimír Špidla, EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit, betonte deshalb die Bedeutung der Medien- und Kommunikationsexperten: „Sie können diese Kampagne zu einem Erfolg machen und wir hoffen sehr, dass sich viele Medien nächstes Jahr an unserer Initiative beteiligen.“

Im Rahmen eines Seminars zu „Armut und Medien“ erhielten Journalisten die Gelegenheit,  so genannte „grassroot-Organisationen“, d.h. Organisationen, die sich an der Basis der Gesellschaft gegen Armut und soziale Ausgrenzung einsetzen, kennen zu lernen und sich mit ihren Arbeitsstrukturen vertraut zu machen.

Im Mittelpunkt der Konferenz zum Thema „Armut zwischen der Wahrnehmung und Realität: Eine kommunikative Herausforderung“ stand die Auswertung und Diskussion der im September veröffentlichten Eurobarometer-Studie über die Haltung europäischer Bürger aus den 27 Mitgliedstaaten zu Armut und sozialer Ausgrenzung in Europa.

Vor zehn Jahren verpflichteten sich die Staats- und Regierungschefs der EU durch die Initialisierung des EU-Koordinierungsprozesses für Sozialschutz und soziale Eingliederung, bis zum Jahr 2010 die Bekämpfung von Armut entscheidend voranzubringen. Laut der Studie leben in der Europäischen Union heute fast 80 Mio. Menschen unterhalb der Armutsgrenze – das sind 16 % der Bevölkerung. Trotz einer Verbesserung der allgemeinen Lebensstandards während der vergangenen zehn Jahre, bleiben Armut und soziale Ausgrenzung eine enorme Herausforderung. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen europäischen Staaten. So liegt die Armutsquote, die sich aus dem Pro-Kopf-Einkommen eines Landes errechnet, zum Beispiel in Tschechien oder den Niederlanden bei 10 % – in Bulgarien, Lettland oder Rumänien dagegen bei über 20 %. Auch wenn die Lage in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ist, so sind dennoch alle mit dem wirtschaftlichen und sozialen Phänomen der Armut konfrontiert.

Armut und soziale Ausgrenzung haben viele Gesichter. Dazu zählen einerseits die finanzielle Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung – so sie denn überhaupt gewährleistet wird – oder auch Bildungsarmut, Arbeits- und Obdachlosigkeit. Dazu gehört aber auch die gefühlte Demütigung, die Ausgrenzung aus der Gesellschaft mit sich bringt.

Die Eurobarometer-Studie befasst sich dementsprechend mit dem öffentlichen Bewusstsein von Armut innerhalb der Europäischen Union. Allgemein stellt sie fest, dass Armut und soziale Ausgrenzung sehr stark wahrgenommen werden: 73 % aller Europäer sind der Auffassung, dass Armut ein weitverbreitetes Problem ihres Landes ist. Hauptsächliche Gründe dafür werden in den zum Teil sehr hohen Arbeitslosenraten und der Ausweitung des Niedriglohnsektors gesehen. Neben den vielen Arbeitslosen seien auch alte Menschen, Menschen mit geringer Bildung oder auch Behinderte am meisten von Armut bedroht. 89 % der Europäer sind daher der Ansicht, dass die nationalen Regierungen dringend handeln müssen. Die Rolle der Europäischen Union bei der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung wird dagegen nur von 28 % als sehr wichtig eingeschätzt.

Tatsächlich gehört die Sozialpolitik in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten, doch die EU unterstützt und ergänzt deren Maßnahmen, insbesondere durch die Lissabon-Strategie und indem sie finanzielle Mittel zur Verfügung stellt. In der momentanen Wirtschaftskrise komme es mehr denn je auf den Aufbau einer solidarischen Gesellschaft an, in der sowohl auf öffentlicher als auch auf privater Ebene Verantwortung übernommen wird. Dafür muss die Gesellschaft sensibilisiert und die Aufmerksamkeit der nationalen Regierungen auf die Themen Armut und soziale Ausgrenzung gelenkt werden. Um beides voranzutreiben, hat die Europäische Kommission das Jahr 2010 zum „Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung“ ausgerufen. Die 27 EU-Staaten sowie Norwegen und Island wollen mit zahlreichen Veranstaltungen und Maßnahmen dazu beitragen, Solidarität, Chancengleichheit und Toleranz innerhalb Europas zu fördern.

Die Eurobarometer-Studie sowie weitere Informationen zum Europäischen Jahr finden Sie unter:
http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_321_en.pdf
http://www.2010againstpoverty.eu/



erweiterte Suche