Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel

Europa-Informationen Nr. 131

Jeder sechste Europäer ist Opfer von Diskriminierung

(Solveig Müller)

Am 9. November 2009 veröffentlichte die Europäische Kommission die dritte Eurobarometer-Umfrage, die sich mit der persönlichen Wahrnehmung verschiedener Formen von Diskriminierung befasst.

Im Mai und Juni 2009 wurden 26 756 Personen in 30 europäischen Ländern befragt – erstmals auch in den Kandidatenländern Kroatien, Mazedonien und der Türkei. Die Umfrage wurde im Hinblick auf den Europäischen Gleichstellungsgipfel, der am 16. und 17. November in Stockholm stattfand, durchgeführt. Der Gipfel sollte die Bekämpfung aller Formen von Diskriminierungen auf den Ebenen der EU und der Mitgliedstaaten vorantreiben und dementsprechend dem Austausch von Wissen und Erfahrungen dienen.

„Diskriminierung ist nach wie vor ein Problem in ganz Europa, und die Einschätzungen der Bürger zu dieser Problematik haben sich gegenüber dem Vorjahr kaum verändert.“, sagte der für Chancengleichheit zuständige EU-Kommissar Vladimír Špidla anlässlich der Veröffentlichung der Umfrage. Besonders besorgniserregend sei die wahrgenommene Zunahme der Altersdiskriminierung infolge der Rezession. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, „dass – insbesondere auf nationaler Ebene – noch eine Menge zu tun bleibt, um den Menschen bewusst zu machen, dass sie ein Recht auf Gleichbehandlung haben, und dafür zu sorgen, dass Gleichstellung keine Worthülse bleibt.“, so Špidla.

Tatsächlich hat sich die Situation bei den persönlichen Diskriminierungserfahrungen der Befragten gegenüber dem Vorjahr kaum geändert. Insgesamt gaben auch dieses Jahr 16 % – das ist jeder sechste Bürger – an, Opfer von Diskriminierungen geworden zu sein. Die Gründe sind vielfältig: ethnische Herkunft, Religionszugehörigkeit bzw. Weltanschauung, Alter, Behinderung oder sexuelle Orientierung. Am häufigsten wurde eine eigene Diskriminierung aufgrund des Alters angegeben (6 % der Befragten). Demgegenüber sagten 61 % der Europäer, dass ihrer Wahrnehmung nach die Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft im eigenen Land am weitesten verbreitet sei. An zweiter und dritter Stelle folgen in dieser Hinsicht die Benachteiligung aufgrund des Alters (58 %) und einer Behinderung (53 %).

Während sich die Angaben zur eigenen Wahrnehmung von Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft zum Vorjahr nicht verändert haben, ist die Anzahl derer, die Diskriminierung wegen des Alters als am weitesten verbreitet er-achten, stark gestiegen: um 16 Prozentpunkte. In unmittelbaren Zusammenhang dazu steht die Befürchtung von 64 % der Befragten, dass die Rezession zu einer verstärkten Diskriminierung aufgrund des Alters auf dem Arbeitsmarkt führen wird. Diese Einschätzung könne, so die Auswertung der Umfrage, möglicherweise auf die seit der Wirtschaftskrise in vielen EU-Ländern steigende Jugendarbeitslosigkeit sowie auf das wachsende Bewusstsein für diese Art der Diskriminierung zurückgeführt werden.

Wie in so vielen Bereichen sind sich auch hier viele Menschen ihrer eigenen Rechte nicht bewusst. Lediglich jeder dritte Europäer gibt an, seine Rechte im Fall von Diskriminierung oder Belästigung zu kennen. Allerdings gibt es dabei innerhalb Europas beträchtliche Unterschiede.

Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dieses Thema ist ein langfristiger Prozess. Es geht darum, dass Menschen in ihrem eigenen sozialen Umkreis die Vielfältigkeit menschlichen Lebens wahrnehmen und schätzen lernen. Offen für andere zu sein und den persönlichen Kontakt zu Minderheiten zu suchen, hat dabei den größten positiven Einfluss – sowohl auf die Akzeptanz der Andersartigkeit anderer als auch auf die Wahrnehmung von Diskriminierung. Bildung kann einen ähnlich hohen positiven Einfluss haben. Ganztagsschulen leisten hier einen besonders wichtigen Beitrag. Ganz allgemein fasst die Studie daher zusammen: „Je länger die schulische Ausbildung, desto höher die Wahrnehmung von Diskriminierung und je weiter das soziale Umfeld, desto aus-geprägter das Bewusstsein der eigenen Rechte im Hinblick auf Diskriminierung.“

Die Europäische Kommission setzt ihre Bemühungen zur Bekämpfung von Diskriminierung im Rahmen der 2003 angestoßenen europaweiten Informationskampagne „Für Vielfalt – gegen Diskriminierung“ fort. Sie soll u.a. dazu beitragen, dass die Bürger Europas sowohl über ihre eigenen Rechte als auch über ihre Verantwortung in Hinsicht auf die EU-Anti-Diskriminierungs-Richtlinie informiert werden. Des weiteren fördert die Kommission aus Mitteln des Programms PROGRESS nationale Sensibilisierungsmaßnahmen und die Ausbildung von Juristen, NGOs oder Sozialpartnern in der Anwendung des EU-Gleichstellungsgesetzes. Damit führt sie die im Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle 2007 angelaufenen Fördermaßnahmen fort.

Die Umfrage finden Sie unter:
http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_317_sum_de.pdf



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