Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel

Europa-Informationen Nr. 131

Konsultation zur wirtschafts-politischen Zukunft der EU

(Katrin Hatzinger)

Am 24. November 2009 hat die Europäische Kommission interessierte Kreise aufgefordert, sich in einer Konsultation zur wirtschaftlichen Entwicklung der EU bis 2020 zu Wort zu melden. Wie von Präsident Barroso in seinen politischen Leitlinien im September dargelegt, soll diese Post-Lissabon-Strategie zu einem ökologischeren und sozial integrativen Wachstum beitragen.

Auf der Tagung des Europäischen Rates in Lissabon im März 2000 hatten die Staats- und Regierungschefs die so genannte „Lissabon-Strategie“ auf den Weg gebracht. Erklärtes Ziel war, die Europäische Union bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten, dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen und Vollbeschäftigung zu erreichen. Die "Lissabon-Strategie" bildet seither den übergreifenden Rahmen für die Wirtschafts-, Arbeits- und Sozial- sowie später auch Umweltpolitik der EU. Zum Zeitpunkt der Halbzeitbilanz 2005 blieben die Erfolge allerdings deutlich hinter den Erwartungen zurück. Es erfolgte eine Neuausrichtung der Strategie, die jedoch zunehmend auf die beiden Hauptziele Wachstum und Beschäftigung fokussiert war und z.B. Bildungspolitik klar in den Dienst der Wirtschaft stellte. Aspekte der Nachhaltigkeit und des sozialen Zusammenhalts wurden außerdem zunehmend in den Hintergrund gedrängt.

Die neue Strategie, die unter dem Titel „EU 2020“ firmiert, baut unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen auf den Ergebnissen der Lissabon-Strategie auf. Die EU will bis 2020 die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise bewältigen, künftige Krisen verhindern und sich dabei auf drei Schwerpunkte konzentrieren: Wertschöpfung durch Wissen, Befähigung zur aktiven Teilhabe an integrativen Gesellschaften sowie Schaffung einer wettbewerbsfähigen, vernetzten und ökologischeren Wirtschaft.

So schlägt die Kommission vor, von der Vorschule bis zur Hochschule das gesamte Bildungswesen in Europa zu verbessern, um die Produktivität zu erhöhen, benachteiligte Gruppen zu unterstützen sowie Ungleichheit und Armut zu bekämpfen. Europa könne nur dann „gedeihen“, wenn die Arbeitnehmer mit ihren Qualifikationen einen Beitrag zu einer wissensbasierten Wirtschaft leisteten. Angebot und Nachfrage müssten durch die Mobilität der Arbeitskräfte innerhalb der Grenzen und über sie hinaus sowie durch eine bessere Berücksichtigung des künftigen Qualifikationsbedarfs besser aufeinander abgestimmt werden.

Außerdem ist die Kommission fest entschlossen, die Flexicurity-Agenda voranzutreiben und dafür zu sorgen, dass sie besser verstanden und aufgenommen wird, „nicht nur hinsichtlich der Flexibilität der Arbeitnehmer, sondern auch im Hinblick auf die zusätzliche Verantwortung für Arbeitgeber und Regierungen in Bezug auf Investitionen in Humankapital und Schutz der Menschen“.

Die Kommission schlägt vor, dass der Europäische Rat die Strategie „EU 2020“ gestalten und die Ziele auf der Grundlage von Vorschlägen der Kommission festlegen sollte. Auch das Europäische Parlament ebenso wie die nationalen Parlamente sollten stärker involviert werden. In dem Konsultationspapier wird vorgeschlagen, dass der Europäische Rat auf seiner Frühjahrstagung 2010 in seinen Schlussfolgerungen die so genannten „integrierten Leitlinien“ unterstützt und die politischen Prioritäten bestätigt, die von der EU und den Mitgliedstaaten partnerschaftlich verfolgt werden sollten.

Vor dem Hintergrund des Europäischen Jahres zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung 2010 wird es nun aus kirchlicher Sicht darauf ankommen, die soziale Dimension der Strategie zu stärken und die EU-Staaten zu verpflichten, sich nachhaltig für sozialen Zusammenhalt zu engagieren. Dabei sollten prekäre Beschäftigungsverhältnisse vermieden und Maßnahmen ergriffen werden, um dem Trend wachsender Armutsgefährdung entgegenzutreten. Im Rahmen des „Flexicurity-Ansatzes“ sollten erwerbslose Menschen nicht aus dem Fokus geraten und auch diejenigen eingebunden werden, die aufgrund sozialer Risiken, Behinderung, Krankheit oder ihrer Herkunft auf dem Arbeitsmarkt eingeschränkte Chancen haben: , etwa durch besondere Qualifizierungsmaßnahmen. Bei aller Flexibilität muss gerade für diese Gruppen auch sozialer Halt erkennbar bleiben. Schließlich ist aus kirchlicher-diakonischer Perspektive deutlich zu machen, dass soziale Dienste von den wettbewerbsrechtlichen Regelungen des Binnenmarktes ausgenommen werden sollten. Stattdessen muss die Gemeinnützigkeit bei der Erbringung sozialer Dienste und bei der Bereitstellung der entsprechenden Infrastruktur berücksichtigt und gefördert werden. Sozialdienstleistungen brauchen hohe Qualitätsstandards und Planungssicherheit.

Die Konsultation läuft bis zum 15. Januar 2010.

Das Konsultationspapier finden Sie unter:
http://ec.europa.eu/eu2020/index_de.htm

 



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